Transitverkehr am Brenner: Blockade und Problem

Von „Europa“ sprechen ist einfach, insbesondere dann, wenn es darum geht, in Bezug auf EU-Wahlen um Stimmen zu bitten. Europa praktisch und faktisch leben, Probleme lösen und abseits der medialen Willensbekundungen auch effektiv an der gemeinsamen Infrastruktur arbeiten, ist hingegen um ein Vielfaches schwieriger.

Es ist allgemein in den Verkehrswissenschaften bekannt, dass Widerstände den Verkehr dämpfen. Die Frage ist dann immer, mit welchen Kollateralschäden zu rechnen ist, wenn gezielt Widerstände etabliert werden und wie lange es dauert, um . Entlang der Brennerroute ist es möglich, durch die Preispolitik, durch Nachtfahrverbote, Kontingentierungen und anderweitige Blockaden und Widerstände den Durchzugsverkehr zunehmend unattraktiv zu gestalten.

Politische Maßnahmen sind auch legitim, weil der Lebensraum entlang der Brennerautobahn zur Disposition steht. Am Brenner wurden 2023 wohlgemerkt 11,3 Millionen Fahrzeuge gezählt, darunter 2,3 Millionen LKW. Die Sanierung der Luegbrücke ist ab 2025 ein materieller Widerstand, der von der Infrastrukturseite her kommt und den Verkehr wohl notgedrungen einbremsen wird.

Die Kollateralschäden allfälliger Widerstände wie Fahrverbote oder Fahreinschränkungen betreffen kilometerlange Staus, die bis an die 100 Kilometer reichen, sowie die vollkommene Blockade der Straßen entlang der Route, die dann auch im Notfall und im Ernstfall nicht zugänglich sind, was für Rettungsdienste und Zivilschutz ein weitreichendes Problem sein kann.

Das Problem besteht aber auch und vor allem in einer außenpolitischen Eskalation und der schwierigen Dialogführung zwischen Österreich und Italien. Aus Berichten in österreichischen Medien geht hervor, dass die grüne Umwelt- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler Gespräche mit Italiens Verkehrsminister Matteo Salvini mehrfach abgelehnt habe, weil sie „nicht mit Rechtsradikalen“ spreche. Aus gleich guten Gründen könnte Matteo Salvini Gespräche mit Leonore Gewessler aus berechtigten Gründen ablehnen, die mit der umstrittenen grünen Ideologie zusammen hängen.

Nur: Mit derartigen Gesprächeverweigerungen kommen wir in Europa nicht weiter. Im Gegenteil: Derartige Praktiken sind zutiefst un-europäisch. Hinzu kommt, dass Österreich und Italien am Jahrtausendprojekt Brennerbasistunnel bauen, gemeinsam zu je 50 Prozent als Bauherren auftreten und es folglich ein politisches Fiasko ist, wenn Österreich und Italien in verkehrspolitischen Fragestellungen die Zusammenarbeit verweigern.

Das letzte Treffen zwischen Salvini und Gewessler fand vor über einem Jahr statt und war nach einer halben Stunde wieder beendet. Diese Arbeitsweise und Arbeitsmoral sind kaum geeignet, die europäische Transitproblematik zu lösen. Weiters kommt hinzu, dass die nördliche Zulaufstrecke zum Brennerbasistunnel auf bayrischer Seite regelrecht boykottiert wird.

Von „Europa“ sprechen ist einfach, insbesondere dann, wenn es darum geht, in Bezug auf EU-Wahlen um Stimmen zu bitten. Europa praktisch und faktisch leben, Probleme lösen und abseits der medialen Willensbekundungen auch effektiv an der gemeinsamen Infrastruktur arbeiten, ist hingegen um ein Vielfaches schwieriger. Südtirol kann und muss hier federführend aktiv werden und zur Zusammenarbeit und Problemlösung drängen.