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Risikomanagement bei Naturgefahren: Bauen in exponierter Lage

Das Leben in alpiner Umgebung, aber auch sonst, birgt Gefahren, die nicht auszuschließen sind, zumindest nicht mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand.

Das Leben in alpiner Umgebung, aber auch sonst, birgt Gefahren, die nicht auszuschließen sind, zumindest nicht mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand. Schaut man sich im Land um, dann sind viele Infrastrukturen und Wohngebiete nur mit massiven Felssicherungen erkauft worden. Da und dort Steinschlagnetze, Felsstützungen, Dämme.

Es bleibt natürlich immer und überall das Risiko, das häufig als „Rest-Risiko“ bezeichnet wird, um damit anzudeuten, dass ein bestimmtes Risiko dazu gehört. Nur, wie hoch soll oder darf dieses Risiko sein?

Für die unmittelbar Betroffenen ist natürlich jedes Risiko zu hoch. Ein Steinschlag in unmittelbarer Nähe des Wohnhauses bedroht Hab und Gut und Leben. Für die nicht direkt Beteiligten werden massive Investitionen in die Schutzinfrastruktur in der Regel solidarisch hingenommen. In einer Zeit, in der bedingt durch den Klimawandel Naturgefahren drastisch zunehmen und die finanzpolitische Haushaltsplanung den sparsamen Umgang mit den Ressourcen erforderlich macht, können aber auch da und dort Debatten entstehen.

Es gehört zu den unmittelbaren Konzepten des modernen Staates, ein bestimmtes Schutzniveau gegen äußere Gefahren, ob natürliche, politische oder militärische, zu garantieren. Im Sinne von Staatlichkeit sind Maßnahmen zu treffen und zu finanzieren, die dieses Schutzniveau herstellen.

Die individuelle Verantwortung zur Krisenprävention steht immer wieder im Raum und es stellt sich ohnehin die Frage, inwieweit Einzelne durch bauliche Maßnahmen und Versicherungen das Risiko minimeren können: „Vor allem die empirische Forschung zeigt, dass die Bereitschaft, sich auf Risiken einzulassen, davon abhängt, wie sehr das Individuum damit rechnet, kritische Situationen noch kontrollieren bzw. im Schadensfall durch externe Hilfen, wie Versicherungen und dergleichen, decken zu können. Dabei wird in der Regel die eigene Kompetenz überschätzt und die anderer unterschätzt, was zu einem Maß der Risikobereitschaft führt, das anderen Individuen gefährlich erscheint. Der Entscheidungsträger hat dabei die Möglichkeit, sich auf seine Sachkenntnis bzw. die Kenntnis von Experten zu verlassen, während der Betroffene sich auf den Glauben stützt, dass andere die Situation beherrschen werden. Danach veränderte sich die Risikowahrnehmung der Bevölkerung im Alpenraum innerhalb von ein bis zwei Generationen markant. Wachsende Gestaltungsmöglichkeiten der eigenen Lebensvoraussetzungen, eine innovationsbedingt abnehmende Vorhersagbarkeit der Zukunft, ein zunehmender Verlust von eigenem Erfahrungswissen oder wachsende Information über Ereignisse, die immer weniger beeinflusst werden können, sind Hauptgründe für den gesellschaftlichen Wandel im Umgang mit dem Risiko“ [2].

Die Risikoabschätzung basiert einerseits auf der Gefährdungsanalyse und andererseits auf der Vulnerabilitäsanalyse, die sich die Frage stellt, welche Verletzbarkeit gegeben ist. Die Risikoabschätzung geht in das Risikomanagement über, das laufende Maßnahmen setzen und die Lage laufend bewerten muss.

Die Psychologie des Risikomanagements umfasst die nachfolgenden Stufen [1]:

  • Unterhalb der Wahrnehmungsschwelle: Die Gefahr wird erkannt, aber erduldet.
  • Unterhalb der Handlungsschwelle: Die Gefahr wird akzeptiert.
  • Unterhalb der Tragbarkeitsschwelle: Die Gefahrenreduktion wird verlangt.
  • Unterhalb der Rückzugsschwelle: Eine Überprüfung der Gefahrensituation wird verlangt.
  • Oberhalb der Rückzugsschwelle: Flucht.

Es erklärt sich dabei von selbst, dass die öffentliche Meinungsbildung wesentlich ist und einseitige Berichterstattungen eine Eskalationsspirale erzeugen können. Folglich gehört die öffentliche Debatte zum Krisenmanagement.

Zur Risikoprävention gehört nicht nur die Minimierung der Gefahr, sondern auch des Schadenspotenzials sowie der Empfindlichkeit gegenüber Risiken. Zur Reaktion gehören die Schadensbeschränkung, die Schadensvermeidung sowie die Schadensbehebung.

Der natürliche Prozessbereich umfasst die Dynamik natürlicher Ereignisse. Der Prozessbereich Schaden umfasst die Bewertung des Risikos, der Gefahren und der erwartbaren Konsequenzen. Der Prozessbereich Schutzsystem umfasst das Design des Schutzsystems mit den Prozessen Erosion, Bruch, Gleiten, Durchsickern, Bauwerksversagen usw.

Dauerhafte Schutzmaßnahmen im Hinblick auf Naturgefahren sind:

  • Räumliche Trennung von Prozess und Objekt durch die Raumplanung
  • Eingriffe in Prozess oder Objekt:
    • Eingriff in den Prozess: Häufigkeit reduzieren, Ablauf beeinflussen. Hier wirken neben Schutzmaßnahmen wie Wälle gegen Felssturz und Steinschlag oder Steinschlagnetze auch präventive Maßnahmen im Rahmen der Hydrologie, der Wildbachverbauung und des Flussbaus.
    • Eingriff in das Objekt: Schutz am Objekt durch konstruktive Ausführung des Objekts oder Schutz beim Objekt durch vorgelagerte Schutzbauten.

In der Regel besteht die Risikoabschätzung bei Naturgefahren aus 3 Intensitätsstufen (Hoch / Mittel / Schwach) und aus Wahrscheinlichkeitsstufen (Hoch / Mittel / Gering / Sehr gering). Die Intensität betrifft bei Überschwemmungen, Ufererosionen, Murgängen, Hangmuren, Steinschlag, Lawinen oder Rutschungen gegebene Prozessintensitätskriterien, nämlich Abflusstiefen, Abflussintensität oder Fließgeschwindigkeit. Die Wahrscheinlichkeit definiert sich über die Wiederkehrperiode und die Eintretenswahrscheinlichkeit in 50 Jahren.

„Als Indikatoren der Gefahrenzonenabgrenzung werden geomorphologische Kleinformen (Ablagerungen) und physikalische Parameter (Druck, Geschwindigkeit, Abflusstiefe) herangezogen. Diese müssen einer bestimmten Eintrittswahrscheinlichkeit mit einer dazu korrespondierenden Intensität zugewiesen werden. Zumeist wird zwischen einem häufigen Ereignis (WLV: 1-10 jährlichen) und einem Bemessungsereignis (WLV: etwa 150 Jahre) unterschieden. Die Bestimmung der Indikatoren kann mit unterschiedlichen methodischen Ansätze erfolgen, wobei deren Kombination am zielführendsten erscheint“ [2].

Literatur:

[1] Hans-Jörg Markau: „Risikobetrachtung von Naturgefahren“, Christian-Albrechts-Universität Kiel, Kiel 2003

[2] Johannes Hübl, Sven Fuchs & Peter Agner: „Optimierung der Gefahrenzonenplanung: Weiterentwicklung der Methoden der Gefahrenzonenplanung“, Institut für Alpine Naturgefahren der Universität für Bodenkultur Wien, Wien 2007

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