Mit der Raumordnung wird Land nicht nur geordnet, sondern es wird festgesetzt, wo und in welchem Maße gebaut werden soll. Indem eine Raumordnung möglichst langfristig angelegt ist und kollektive Interessen verfolgt, wird der Spekulation effektiv entgegen gewirkt.

Neunzehn regionale Gesetze und zwei Provinzgesetze bilden das komplexe und heterogene Mosaik, das die Urbanistik (oder Raumordnung) in Italien regelt. Diese Vorschriften haben seit den Anfangsjahren der legislativen Funktionsfähigkeit der Regionen zahlreiche und auch radikale Veränderungen erfahren und mitunter auch Paradigmenwechsel.

Stadt und Raum waren im 19. Jahrhundert weitreichenden Veränderungen unterworfen. Die Industrialisierung veränderte Arbeit und Gesellschaft drastisch, die Städte befanden sich im starken Wachstum, es entstand die so genannte „soziale Frage“, die Wohnungsnot sollte durch umfangreiche bauliche Eingriffe gelindert werden, die fußläufige, mittelalterlich geprägte Stadt war ein Auslaufmodell.

Im Kontrast zur agglomerierten Stadt sollte die geplante Stadt im Sinne einer aktiven Stadtplanung und Ordnungspolitik rücken. Das Vorbild bildete Paris, wo Georges-Eugène Haussmann als Präfekt und Stadtplaner von Paris weitreichend gestalterisch wirkte und dabei monumentale Sichtachsen sowie Grünanlagen anlegte. Die Sichtachsen waren auch und vor allem zur Mobilisierung des Militärs bei Aufständen wesentlich. Dabei wurden die Vororte an die Stadt angeschlossen. Zur Durchführung des städtebaulichen Programms waren weitreichende Eingriffe in die gewachsene Stadt notwendig, sodass heftige Widerstände bewirkt wurden. Im Wohnbau entstanden infolgedessen die typischen 4- bis 6-stöckigen Wohngebäude im damals gängigen Klassizismus.

Baron Haussmanns Stadtplanung in Paris wirkte auf zahlreiche Städte, auch außerhalb Europas, prägend.

Mit der „Charta von Athen“, die durch Le Corbusier geprägt wurde, wurde im 20. Jahrhundert schließlich eine funktionelle Entflechtung des Stadtgebildes angeregt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ging es insbesondere darum, die Spannungen, die durch die Urbanisierung entstanden, zu minimieren. Folglich hat die Raumplanung ihre Ursprünge in der Städteplanung.

Die Geschichte der Urbanistik in Italien ist eng mit der Entwicklung von Gesetzen und Vorschriften verbunden, die die städtische Planung und Entwicklung beeinflusst haben und entsteht unter dem Einfluss des modernen Städtebaus. Bedeutend war der „Codice Urbanistico“ von 1889, der die Grundlage für die städtische Planung und Bauordnung in Italien legte. Grundsätzlich war die Urbanistik in Italien allerdings noch anlassbezogen und staatlich organisiert.

Grundlegend war in diesem Sinne das Gesetz 1150 von 1942 als „Legge urbanistica nazionale“ unter dem Eindruck eines zentralistischen Staates mit deutlichem Modernisierungsbedürfnis, das sich sowohl mit den urbanen Zentren als auch mit der ländlichen Entwicklung befasste und in diesem Sinne staatliche Koordinierungspläne und dann Leitpläne auf interkomunaler und komunaler Ebene vorsah. Gerade im italienischen Faschismus war die negative Konnotation der Urbanisierung mit der Kultivierung einer neuen Ländlichkeit dominant, wenngleich das faschistische Italien auch und vor allem von einem „neuen Rom“ träumte und Städte entsprechend anlegte.

Das Urbanistikgesetz von 1942 sah die Technik der Zonenbildung sowie die Durchführungsnormen zur Anwendung der Zonen vor. Diese Zonenbildung sollte im Verlauf der urbanistischen Geschichte Italiens immer wieder in Verruf stehen, weil deren angeblich ideologische Natur eine Kontrolle und Separation der Gesellschaft bewirken würde. Man könnte die Zonenbildung aber auch als Konsequenz der Städteplanung betrachten, wie sie sich aus der „Charta von Athen“ ergibt.

Mit dem Urbanistikgesetz 167 von 1962 sollte auf staatlicher Ebene der Landspekulation entgegen gewirkt werden. Durch das Gesetz wurde die Enteignung erstmals nicht nur für öffentliche Vorhaben möglich, sondern auch für Kommunen und soziale Bauträger es wurde eine Enteignungsentschädigung festgelegt, welche unter dem Marktwert lag und sich auf den Verkehrswert 2 Jahre vor dem Wohnungsbebauungsplan bezog. Dadurch war es möglich, relativ günstig zu zentralen Bauflächen zu geraten. Schließlich wurde ein Rotationsfonds eingeführt.

Mit dem Gesetz 392 von 1978 wurde die faire Miete („Equo canone“) eingeführt. Unter fairer Miete versteht sicheine von der Justiz oder einer Behörde verwaltete Gesetzgebung, die darauf abzielt, einen erschwinglichen Kauf- oder Mietpreis für ein Haus sicherzustellen. Die faire Miete in Italien legt den Mietwert der Immobilien anhand einiger im Gesetz selbst vorgesehener Parameter und Koeffizienten fest: Art der Immobilie (ländlich, äußerst beliebt, beliebt, wirtschaftlich, bürgerlich, elegant), Höhe des Stockwerks (auch unter Berücksichtigung der Anwesenheit oder Abwesenheit des Aufzugs), des Erhaltungszustands (auch in Bezug auf die gemeinsamen Teile des Gebäudes), der Fläche der Stadt, Zugang oder Nichtzugang zum öffentlichen Verkehr, der Größe der Stadt.

Das Gesetz zur Regulierung des Mietmarktes wird in den 1990er-Jahren teilweise und dann ganz im Sinne einer Deregulierung abgeschafft.

Im Wesentlichen hängt die weitere Entwicklung der Raumordnung in Italien von der Etablierung der Regionen ab. Mit dem Beschluss des Präsidenten der Republik vom 15. Januar 1972, Nr. 8 erfolgte die Übertragung der staatlichen Verwaltungsfunktionen im Bereich Urbanistik und Straßen, Aquädukte und öffentliche Arbeiten von regionalem Interesse sowie des damit verbundenen Personals und der Büros auf die Regionen mit ordentlichem Statut. Mit dem Gesetz 10 von 1977 wird die Baukonzession eingeführt.

Die Verfassungsreform von 2001 sieht Veränderungen vor, womit die Regionen die ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis im Bereich der Urbanistik erhalten, wobei dem Staat ausschließlich die Aufgabe zugeteilt wird, die allgemeinen Prinzipien festzulegen. Es erklärt sich von selbst, dass die Interpretation der Regionen dabei unterschiedlich ausfällt.

In Südtirol werden zu Beginn und in der Mitte des 20. Jahrhunderts weitreichende Eingriffe in die Landschaft vollzogen, die durch Industrialisierung und staatlichen Volkswohnbau gekennzeichnet sind, aber auch durch einen feststellbaren „Wildwuchs“ in der freien Landschaft. Bereits seit 1945 hat Südtirol die primäre Gesetzgebungsbefugnis im Landschaftsschutz. Landesrat Alfons Benedikter setzte sich grundsätzlich daran, die kulturellen und ökologischen Aspekte der Raumplanung, die bis dato nachrangig waren, festzuhalten und aus der Raumunordnung eine Raumordnung zu machen.

In den 1970er-Jahren werden durch Landesrat Alfons Benedikter die Grundlagen für die Südtiroler Raumordnung gesetzt. Im Landschaftsschutzgesetz 16 / 1970 wird der Schutz der Landschaft in den Mittelpunkt gestellt. Der Gegenstand des Gesetzes ist klar formuliert: „Unter Schutz der Schönheit und der Merkmale der Landschaften und der Gebiete versteht man die Erhaltung und, wenn möglich, die Wiederherstellung des Bildes der natürlichen, ländlichen und städtlichen Landschaften und Gebiete, die besondere kulturelle oder ästhetische Werte aufweisen oder die ein typisches Naturbild darstellen“.

Der autonomen Region Trentino – Südtirol wird im Zweiten Autonomiestatut 1972 die primäre Gesetzgebungsbefugnis in der Raumordnung zugestattet. Mit Gesetzen zur Landesbauordnung sowie zum Wohnbau werden in Südtirol die Prinzipien der Raumordnung gefestigt, die in das Landesraumordnungsgesetz 13 / 1997 einfließen. Damit finden Prinzipien wie jenes der konventionierten Wohnungen den Eingang in die Landesgesetzgebung.

Seit 2020 ist in Südtirol das neue Raumordnungsgesetz „Raum und Landschaft“ in Kraft, welches die bis dahin gültigen Gesetze im Bereich Raumordnung ersetzt und sich den Grundsätzen verschreibt:

  • Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung
  • Schutz der Landschaft und Eindämmung der Zersiedelung
  • Verbindliche Planung auf Grundlage des Gemeindeentwicklungsprogrammes
  • Bürgernahe und effiziente Verwaltung durch verkürzte Verfahren
  • Leistbares Wohnen und Maßnahmen gegen den Ausverkauf der Heimat.

Grundsätzlich ist im Bereich der Raumordnung den Gemeinden eine starke Autonomie gegeben. Diese Autonomie ist im Sinne einer Subsidiarität und eines Landes, das von unten herauf gebaut wird, wesentlich, von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedliche Bestimmungen und praktische Auslegungen machen es allerdings auch komplex bis kompliziert.

Literatur:

[1] Bruno Zanon: „Ambiente, territorio, cittá“, Alinea, Trento 2008

[2] Francesco Selicato & Francesco Rotondo: „Progettazione urbanistica – Teorie e tecniche“, McGraw Hill, Milano 2009

[3] „70 Jahre Pariser Vertrag“, Das Land Südtirol, Sonderheft