Hangstabilität: Rutschungen, Muren und geotechnische Sanierung

Durch geogene Gefahren sind unsere gebauten Umgebungen sowie unsere bauliche Infrastruktur immer wieder und immer öfter äußeren Gefahren ausgesetzt, die empfindliche Folgen haben können. Leben in und mit der Natur bedingt eine Auseinandersetzung mit natürlichen Gefahren und das Erfassen von konkreten Gegenmaßnahmen.

Durch geogene Gefahren sind unsere gebauten Umgebungen sowie unsere bauliche Infrastruktur immer wieder und immer öfter äußeren Gefahren ausgesetzt, die empfindliche Folgen haben können. Leben in und mit der Natur bedingt eine Auseinandersetzung mit natürlichen Gefahren und das Erfassen von konkreten Gegenmaßnahmen.

Bedingt ist diese Entwicklung nicht nur durch den Klimawandel, sondern auch durch den Umstand, dass wir tendenziell stärker in Gegenden bauen, die wir früher aufgrund der Instabilität gemieden hätten.

Wenn uns sichtlich der Boden unter den Füßen und unter den Bauwerken entzogen wird, kommt es hart auf hart. Im Sinne einer funktionierenden öffentlichen Infrastruktur, die auch im Ernstfall standhält, verlangen wir zu Recht von der öffentlichen Verwaltung, dass diese die Sicherheitslage laufend beurteilt und konkrete bauliche Gegenmaßnahmen einleitet, geht es doch um die zentrale Aufgabe öffentlicher Verwaltung, nämlich um die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und um eine innere Landesverteidigung.

Massenbewegungen werden wesentlich durch den Bodentyp beeinflusst. Lockerer Sand oder sandiger Silt ist in trockenem Zustand sehr stabil und in feuchtem Zustand mäßig stabil. Unkonsolidierte Gemische aus Sand, Silt sowie Gesteinsbruchstücke sind in trockenem Zustand sehr stabil und in feuchtem Zustand wenig stabil. Geklüftetes und tektonisch deformiertes Gestein ist mäßig stabil, massiges Gestein je nach Hangneigung hoch bis mäßig stabil.

Grundsätzlich sind Verdichtungsgrad, Wassergehalt sowie Hangneigung die bestimmenden Faktoren.

Zu unterscheiden ist zwischen verschiedenen Massenbewegungen:

  • Kippen: Es handelt sich um eine Rotation in Steillage.
  • Fallen: Der freie Sturz von Erd- oder Gesteinsmassen, betroffen sein können Blöcke oder Erdmassen.
  • Driften: Felsmassen oder Blöcke werden auf einem fließfähigen Untergrund verfrachtet.
  • Gleiten: Bewegungen von Fels- oder Bodenmassen auf einer relativ dünnen Gleitschicht, in welcher die Scherspannungen überschritten sind.
  • Fließen: Es handelt sich um ein Verschieben von Feinbauteilen in einer Lockermasse in einer viskosen Form. Bei Überschreitung der inneren Reibung der Lockermassen verlieren diese im Fall kohäsionsloser Böden vorübergehend die Festigkeit. Das Fließen kann in nassem oder trockenem Zustand (Lawinen) erfolgen.

Im trockenen Zustand kann die Reibung durch Druckluft oder Gase in den Poren heruntergesetzt werden. An steilen Hängen sind besonders Sand-Kies-Mischungen beim Austrocknen von Fließvorgängen betroffen. Ebenso kann sich bei Sturzmassen Druckluft ansammeln, die sodann ein Fließen bewirkt.

Im wassergesättigten feinkörnigen oder gemischtkörnigen Boden kann sich durch Verdichtung, Belastung oder Fließdruck ein Porenwasserüberdruck einstellen, sodass sich sich zwischen den Bodenteilchen ein Wasserfilm einstellt, der die Reibung absetzt und somit eine fließfähige Masse entstehen lässt. Eine Mure ist ein Schlammstrom oder Schuttstrom. Muren vollziehen sich relativ rasch, Erdfließen oder Schichtfließen langsamer.

Im feuchten bis nassen Boden stellen sich hingegen Kriechvorgänge ein, wobei Erd- und Gesteinsmassen innerlich verformt und in langsame Fließbewegungen überführt werden. Verwitterung, Schubspannungen durch Schwerkraft, biogene Schwell- und Schrumpfvorgänge durch Durchwurzelung, Wühlen, Graben fördern das Kriechen.

Rutschungen betreffen meistens Böden, die entlang von Gleitflächen abrutschen, die durch Wassersättigung, etwa bei wasserdurchlässigen Tonen, ihren Scherwiderstand verlieren. Translationsrutschungen vollziehen sich entlang von Gleitflächen, meistens Ton, Mergel oder Schluff, bei denen durch Wasserzutritt eine Sättigung stattfindet. Rotationsrutschungen ohne Gleitflächen entstehen im homogenen Material, bei denen Wassereintritte einen Porenwasserüberdruck bilden, welcher treibende Kräfte auslöst.

Translationsrutschungen entstehen vielfach im Bereich von Klüften oder Schichtgrenzen. Einfache Rotationsrutschungen treten häufig in Tonen auf. Mehrfache Rotationsrutschungen treten hingegen in überkonsolidierten Tonen oder Schiefertonen auf, die von Fels oder verfestigtem Boden überlagert werden.

Als fließende Bewegung gelten: Bodenkriechen, Bodenfließen, Schuttstrom, Schlammstrom und Schuttlawine. Das Bodenkriechen stellt mit 1 bis 10 mm pro Jahr die langsamste Massenbewegung dar. Das Bodenfließen erreicht mehrere Kilometer pro Stunde und betrifft relativ feinkörniges Material von wassergesättigten Böden, verwitterten Schuefertönen oder Tonsteine, die mehr oder weniger flüssig werden. Noch schneller sind Schuttlawinen oder Muren, die durch hohen Wassergehalt und starke Hangneigung bis zu 70 km/h erreichen, was der Geschwindigkeit des Wassers im Hang entspricht. Murgänge betreffen hingegen im Gegensatz zu Hangmuren definierte Gerinne.

Rutschungen gelten als gleitend oder stürzend. Rutschungen vollziehen sich relativ langsam durch das Abgleiten von unverfestigtem Material als geschlossene Bewegungseinheit, zumeist auf einem konkaven Löffel. Schuttrutschungen betreffen hingegen Boden- und Gesteinsmaterial auf Schwächezonen, etwa wassergesättigte Tonschichten, wobei die Bewegung vom Gleiten zum Fließen übergehen kann.

Aufgrund des fließenden Charakters sind Muren, Murgänge oder Murbrüche im Bereich der Wildbachverbauung angesiedelt. Felsrutschungen und Bergstürze gehören hingegen zur Felsmechanik.

Kommt es zu Rutschungen, ist die Sicherheitslage im Sinne einer Risikobeurteilung und Risikoabschätzung festzustellen. Im Ernstfall sind rasche Entscheidungen durch einen Krisenstab zu treffen, in dem politische Entscheidungsträger und Zivilschutz mitwirken.

Ist das Gelände rutschungsgefährdet, sind konstruktive Sicherungsmaßnahmen notwendig. Im Bereich von Lawinen und Muren haben Sicherungsmaßnahmen den Zweck, die Massen zurück zu halten und die Fließbewegungen zu verhindern. Die konkreten Maßnahmen umfassen:

  • Geländeabtrag und Abflachen
  • Geländeauffüllung bei übersteilen Geländesprüngen
  • Vorbau von Stützkonstruktionen
  • Sicherung durch Stützknaggen
  • Felssicherung und Hangsicherung durch Spritzbeton: Der bewehrte Spritzbeton, der im Normalfall rund 15 cm dick ist, wirkt der Entfestigung des Hanges entgegen und geht eine Verbundwirkung mit dem Boden ein
  • Felssicherung und Hangsicherung durch Vernagelung
  • Felssicherung und Hangsicherung durch Anker

Bei Fließhängen kommen Entwässerungen (Oberflächenentwässerung durch Gräben oder Dränschichten aus Kies, Tiefenentwässerung durch Bohrungen, Brunnen, Stollen) zur Anwendung.

Vielfach ist es allerdings weder wirtschaftlich noch praktikabel, unsere Hänge präventiv nach ihrem Risiko betreffend Massenbewegungen zu untersuchen. Drohnen, Sensoren und künstliche Intelligenz liefern hierzu Lösungen, um detaillierter und strategischer vorgehen zu können. Indessen besteht das Hauptaugenmerk weiterhin darin, Massenbewegungen auszuwerten und zu erforschen und im Ernstfall schnell zu handeln.

Vielfach geht es einzig und allein darum, auf kommunaler Ebene das Bewusstsein für Naturgefahren zu schaffen und fundiert über Risiken und Gegenstrategien zu debattieren.

Literatur:

[1] Christian Veder: „Rutschungen und ihre Sanierung“, Springer Verlag, Wien New York 1979

[2] Helmut Prinz und Roland Strauß: „Ingenieurgeologie“, Springer Spektrum, Berlin 2017

[3] Jürgen Suda und Florian Rudolf-Miklau: „Bauen und Naturgefahren – Handbuch für konstruktiven Gebäudeschutz“, Springer, Wien New York 2011

[4] Wolfgang Dachroth: „Handbuch der Baugeologie und Geotechnik“, Springer Verlag, Berlin 2017

[5] Konrad Bergmeister, Jürgen Suda, Johannes Hübl, Florian Rudolf-Miklau: „Schutzbauwerke gegen Wildbachgefahren – Grundlagen, Entwurf und Bemessung, Beispiele“, Ernst und Sohn Verlag, Berlin 2009

[6] John Grotzinger & Thomas Jordan: „Press / Siever: Allgemeine Geologie“, Springer Spektrum, Berlin Heidelberg 2017

[7] Giuseppe Gisotti: „Il dissesto idrogeologico – Previsione, prevenzione e mitigazione del rischio“, Dario Flaccovio Editore, Palermo 2021

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