Solidarität & Patriotismus: Halt und Haltung in Zeiten, wie diesen

Das Eigentliche ist: Die Liebe zu Land und Leuten in Südtirol, zu unseren gewachsenen Landschaften und zur Eigenständigkeit unseres Landes. Die Selbstaufgabe in Form des Zurückweisens von konkreter Verantwortung ist unzulässig.

Wir leben in einem Zeitalter, in dem abstrakte politische Illusionen kaum noch tragbar sind. Die gesellschaftlichen Umstände spitzen sich zu, die soziale Schere wird größer. Wohlstand ist heute kein Automatismus mehr. Unsere Gesellschaft wird pluralistischer und individualistischer, gewachsene Institutionen sind mit der Vereinzelung und Relativierung gewachsener Ordnungen vielfach überfordert und es wird folglich mehr denn je ein funktionierendes Gemein- und Staatswesen als Korrektiv erforderlich, das Probleme konkret abfedern und lösen kann und will.

Die Evidenz ist: Der Einzelne will in der Regel nicht allein, sondern in funktionierende Strukturen eingebunden sein. Erst in gelebten Strukturen kann sich die Freiheit des Einzelnen entfalten. Die Anforderungen an eine leistungsstarke Infrastruktur werden folglich in Zukunft deutlich größer. Darauf gilt es, vorbereitet zu sein.

Andererseits hat die Politik der letzten Jahrzehnte Probleme zunehmend verursacht statt gelöst und vielfach den Halt im Eigenen verabsäumt. Der Halt im Eigenen ist unabdingbar, um in einer Welt, die sich immer globaler und immer schneller dreht, Sicherheiten sowie verlässliche Strukturen endlich wieder bieten zu können.

Die Verwurzelung in Boden und Natur ist das Essenzielle und Nicht-Verhandelbare. Diese Einsicht gilt wahrscheinlich gerade in einem alpinen Land wie Südtirol, das kleinstrukturiert und vielfältig ist und in dem die Menschen über Generationen hinweg gelernt haben, sich in einer mitunter rauen Natur einzurichten und sich solidarisch in Dorfgemeinschaften zu organisieren, dabei auch für ihre Interessen politisch zu kämpfen.

Das Solidarische steht heute allgemein zur Disposition in einer Welt individualistisch-liberalistischer Ausrichtung, in der der gemeinsame Kitt zunehmend verloren geht. Damit steht das gemeinschaftliche Ganze auf dem Spiel, weil irgendwann einmal die Welle überschlägt und sich die vertraute Ordnung verflüssigt. Lauter Einzelne sind sich nur noch fremd und verfolgen ihre individuellen Interessen.

Das so genannte Prekariat wird zur – leider – gängigen Lebensform, auch für Akademiker, die Gestaltungskraft des so genannten Mittelstandes verschwindet unter drückenden Lebenshaltungskosten und vergleichsweise minimalistischen Gehältern. Steigend ist nur der Profit einiger weniger, die sich an die globalen Märkte binden wollen und können, die ihre Marktgläubigkeit allerdings auch nur „assistiert“ wahrnehmen wollen, weil bei allen größeren Rückschlägen ohnehin die öffentliche Hand einspringen muss („too big to fail“).

Die politische Auseinandersetzung zielt zunehmend auf Partikularinteressen ab und umfasst kaum noch Grundsätze in Richtung guter Verwaltung für alle oder zumindest für jene, die eine Solidargemeinschaft bilden wollen.

Es waren und sind die viefach anonymen und unentlohnten Leistungen, in Kindererziehung, Familie und Vereinsleben, die intergenerationelle Solidarität, das Arbeiten am gemeinschaftlichen Eigentum und am Gemeinwesen, das Schnüren sozialer Netze, die dieses Land groß und blühend gemacht haben. Insbesondere auch das Zusammenstehen in Zeiten äußerer Not. Heute dominiert hingegen die Auflösungstendenz im Sinne abstrakter Gesellschaftstheorien, die in der Wirklichkeit scheitern, aber auch im Sinne eines kapitalistischen Individualismus, bei dem es scheinbar darum geht, sich auf Kosten aller anderen zu bereichern.

Global denken, aber regional und lokal erden, lautet der Grundsatz für ein tragfähiges Ganzes. Halt findet sich im Bewährten, Beständigen, Greifbaren, Bodenständigen und Konkreten, in überschaubaren Strukturen und Ordnungen, die größtmögliche Freiheit im Inneren, doch entschiedenen Schutz gegen äußere Risiken und Gefahren bieten. Insbesondere Krisen beweisen sich als äußerer Anstoß, die zum Bedenken, neu denken und neu festlegen bewegen, auch grundsätzliche Änderungen am Ganzen hervorlösen.

Es geht um Heimat und um auf das globale Recht auf Heimat, indem Politik und öffentliche Verwaltung das Erforderliche unternehmen, damit Menschen in ihren angestammten Umgebungen langfristig Heimat finden können und sich nicht auf globale Wanderschaft begeben müssen.

Nur wenn Menschen sich des Prinzips Heimat annehmen, an ihrer unmittelbaren Umgebung arbeiten, in diese Heimat materiell und immateriell investieren, überzeitlich an die nächste Generation denken, in diesem Sinne Solidargemeinschaften in Form der unmittelbaren Familie sowie ehrenamtlicher Vereinigungen eingehen und leben, entsteht jener Rückhalt, ohne den keine Freiheit denkbar ist.

Im Mittelpunkt muss der Mittelstand stehen, ein – leider – weitläufiger Begriff, der allerdings darin bestehen muss, dass sich eine breite gesellschaftliche Schicht ausbilden kann, die durch Arbeit einen relativen Wohlstand aufbauen kann, um für sich, die eigene Familie und fürs Alter vorzusorgen. Eine jede Politik ist danach zu bewerten, inwiefern sie es schafft, eine solche Mittelschicht auszubilden, die stolz sein kann und deren ehrenamtlicher und solidarischer Einsatz für die Gemeinschaft honoriert wird statt der individualistischen Selbstbereicherung.

Haltung ergibt sich aus dem Halt heraus und ist ein Prozess, der allfällige Widerstände aktiviert. An der Fähigkeit, diesem Widerstand stand zu halten misst sich die Qualität unseres Tuns und Seins. Gerade im Krisenmodus, wo das Ausharren und Bestehen im Gegenwind erst einmal gelernt sein will.

Entgegen einer öffentlichen Verwaltung in Form eines anonymisierten und mechanisierten Dienstleistungsbetriebes, der einzig und allein Dienst nach Vorschrift betreibt und Partikularinteressen bedient, geht es um die bewusste Identifikation mit dem Gemeinwesen und dem Gemeinsamen, woraus sich gelebte Solidarität sowie die Vorbildwirkung, aber endlich auch wieder ein notwendiger Respekt gegenüber öffentlicher Verwaltung und Volksvertretung, ergeben.

Die Politik setzt in diesem Kontext die erforderlichen Rahmenbedingungen. Anders als in der heute praktizierten Postdemokratie oder Postpolitik bleibt die Souveränität allerdings beim „Demos“ und wandert nicht zu abstrakten, weltweit agierenden Konzernen, die den Staat zur Durchsetzung ihrer eigenen Interessen gebrauchen wollen und in einer unheimlichen Machtkonzentration Politik und Medien beeinflussen wollen, sodass die politische Souveränität bewusst erosiven Kräften ausgesetzt ist.

Grunddienste sowie öffentliche Güter und Ressourcen müssen durch die öffentliche Verwaltung erbracht werden, Privatisierungen in Richtung gewinnorientierter Konzerne müssen der Allgemeinheit und nicht den privaten Gewinnen nutzen. Die liberalistische Doktrin, wonach die öffentliche Verwaltung nur einschränkend wirke, ist Nonsens. Faktisch ist es die gemeinschaftliche Infrastruktur, die Investition in Bildung und Kultur, in Natur- und Kulturlandschaft, in lebenswerte Umgebungen und in gesunde Rohstoffe, in Solidarität über Generationen hinweg, im Dorf und in der Familie, die Freiheit erst möglich macht. Folglich sind alle am Erfolg eines Landes beteiligt, insbesondere jene, die nicht persönlich profitieren, sondern mehr geben als nehmen.

Es geht in diesem Sinne um nicht mehr und nicht weniger als um eine Verwurzelung im Eigenen, weil das Eigene das Essenzielle ist, demgegenüber wir verantwortlich sind und weil sich jede Idee nur in der konkreten Umsetzung bewährt sowie in der Haltung, die wir zum Ganzen einnehmen.

Heraus aus der Enge, hinaus in die Welt, das Ganze im Blick und die Handlungen dort, wo effektiv etwas bewegt werden kann, nämlich im Eigenen. Dieses Eigene bedeutet, dass ein Land von innen gesteuert und nicht von außen gedrängt wird. Das Eigene bedeutet, dass wir als Vorbilder leben, im Kleinen erfolgreich erproben, was auf das Ganze angewandt werden soll.

Es geht bei Weitem nicht um politische Theorien, die mangels Rückhalt in der Wirklichkeit ohnehin im Nichts enden, es echt auch nicht nur um Gesinnungsethik, sondern um Verantwortungsethik, um das konkret und ergebnisorientierte Handeln für eine bessere Wirklichkeit. Im Hypothetischen verbleiben, kritisieren und meckern, nach unzähligen Ausreden suchen, wieso wir hier und jetzt nicht konkret handeln können, war noch nie eine Option, gerade nicht in Zeiten, wie diesen.

Es geht um ein solidarisches Wir-Gefühl, um politische Strukturen, die handeln können und handeln wollen, um den Fokus auf dem Gemeinschaftlichen und auf politischer Souveränität. Wesentlich ist, dass wir als Gemeinschaft weiterbestehen wollen und auf eine Politik angewiesen sind, die unsere Interessen konkret vertritt. Die Selbstaufgabe in Form des Lamentierens, des Suchens von Ausreden, wieso jetzt nicht zu handeln ist, des reinen Protests ohne Willen zur Gestaltung, sind nicht zulässig, sondern selbstauflösend.

Das Eigentliche ist: Die Liebe zu Land und Leuten in Südtirol, zu unseren gewachsenen Landschaften und zur Eigenständigkeit unseres Landes.

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