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Wildbäche und Naturgefahren: Bauen am dynamischen Naturraum

Wildbäche sind definitionsgemäß steile, geschiebeführende Bäche. Vielfach bedingt die menschliche Verbauung, dass Wasserläufe zu Wildbächen werden, weil Bachbette eingeengt werden, viel Wasser mitführen und höhere Fließgeschwindigkeiten erreichen, sodass die Erosion stark erhöht ist.

Wildbäche sind definitionsgemäß steile, geschiebeführende Bäche. Vielfach bedingt die menschliche Verbauung, dass Wasserläufe zu Wildbächen werden, weil Bachbette eingeengt werden, viel Wasser mitführen und höhere Fließgeschwindigkeiten erreichen, sodass die Erosion stark erhöht ist.

Während Rutschungen jene Massenbewegungen bezeichnen, die durch Gleiten gekennzeichnet sind, folglich klar begrenzt sind und sich trichterförmig ausbilden, sind Muren und Murgänge durch den Mechanismus Fließen gekennzeichnet und in diesem Sinne eng mit der Wildbachverbauung verbunden. Für die Entwicklung derartiger fließfähiger Bodenmassen sind nämlich große Wassermengen notwendig, die in Bachläufen zustande kommen oder zumindest dort, wo noch kein ordentlicher Abfluss in einem Bachbett errichtet ist.

Bei Rutschungen werden in bestimmten Bereichen des Bodens, etwa durch Porenwasserüberdruck, die Scherwiderstände heruntergesetzt, sodass sich ein Versagen einstellt, das sich in Translations- oder Rotationsrutschungen äußert. Rutschungen betreffen meistens Böden, die entlang von Gleitflächen abrutschen. Translationsrutschungen bilden sich auf ebenen Gleitflächen aus, die auf vorgegebenen Trennflächen verlaufen, etwa in Ton- Mergel- und Schluffgestein. Rotationsrutschungen entstehen durch Wassersättigung, wodurch Böden bei gleichzeitiger Gewichtserhöhung ihren Scherwiderstand verlieren und folglich versagen. Vielfach treten beide Rutschungsarten gemeinsam auf.

Im wassergesättigten feinkörnigen oder gemischtkörnigen Boden kann sich hingegen durch Verdichtung, Belastung oder Fließdruck ein Porenwasserüberdruck einstellen, sodass sich sich zwischen den Bodenteilchen ein Wasserfilm einstellt, der die Reibung absetzt und somit eine fließfähige Masse entstehen lässt. Eine Mure ist begrifflich ein Schlammstrom oder Schuttstrom. Muren vollziehen sich relativ rasch, Erdfließen oder Schichtfließen langsamer.

Muren sind durch den Mechanismus Fließen gekennzeichnet. Das Fließen umfasst keine Gleitflächen, sondern es entsteht eine fließfähige Masse. Dadurch geht der verflüssigte Boden in ein viskoses Verhalten über. Ursachen sind meistens langanhaltende oder intensive Niederschlagsereignisse, vielfach in Kombination mit der Schneeschmelze, sodass die Wasseraufnahmefähigkeit des Bodens stark heruntergesetzt ist und sich eine Suspension entwickelt.

Zu unterscheiden sind unterschiedliche Arten:

  • Schutt-, Geröll- oder Blockströme bestehen hauptsächlich aus grobkörnigen Anteilen.
  • Erd- oder Schlammströme bestehen aus mindestens 50% Sand-, Schluff- und Tonmaterial.
  • Murgänge folgen dem Lauf von Bachbetten und wird durch hohe Wassermassen ausgelöst.
  • Hangmuren.

Murgänge werden durch heftige Niederschlagsereignisse, aber auch durch Seiten- und Tiefenerosion oder durch große Wassermassen ausgelöst, die in brechenden Verklausungen anfallen. Durch die hohen Geschwindigkeiten von bis zu 60 km/h sowie den hohen Wasseranteil werden auch große Gesteinsbrocken mitgeführt, sodass die kinetische Energie sowie das Zerstörungsrisiko extrem sind. Dort, wo das Gefälle wieder flacher wird, lagern sich die transportierten Feststoffe wieder ab.

Hangmuren entstehen an steilen Hängen und sind für viele Mittelgebirge typisch, bei denen an den Hängen 1 bis 4 Meter wenig durchlässiger, feinkörniger Boden, etwa Hanglehm oder tonige Moränen, aufliegen. Hanglehm stellt einen geologisch „jungen“ Boden dar, der in den letzten 10.000 bis 15.000 Jahren entstanden und wenig verdichtet ist. Weiters wirken Quellwasseraustritte und starke Niederschläge treibend. Es werden Prozessgeschwindigkeiten von bis zu 35 km/h erreicht.

Die Prozessentwicklung bei Hangmuren ist spontan und folglich kaum vorhersehbar, zunehmend werden allerdings auswertbare Datenbanken angelegt. Die Schäden betreffen die Verkehrsinfrastruktur sowie Siedlungen, die überschüttet werden.

Böden mit einer sehr gleichkörnigen Struktur, etwa Sande in Bachdeltas oder Lössböden sowie Lehmböden, die einen hohen Porenanteil und eine geringe Korn-zu-Korn-Reibung haben, tendieren bei Erhöhung des Porenwasserdrucks zur Verflüssigung (Liquefaktion). Die Liquefaktion betrifft kohäsionslose oder kohäsionsarme Böden und wirkt sich insbesondere auch bei Erschütterungen und Erdbeben drastisch aus.

Gefügeauflockerungen wirken bei Muren ebenso als auslösend, indem Gleitvorgänge das Gebundene Wasser aus der Struktur befreien und gemeinsam mit Niederschlagswasser oder fließendem Grundwasser eine fließfähige Masse entstehen lassen.

Vollziehen sich Rutschungen im Bereich von Gerinnen, ist der Übergang in einen Murgang im wahrsten Sinne des Wortes fließend. Massenbewegungen entstehen im Wildbach durch Seitenerosion und Tiefenerosion. In diesem Sinne wird durch die Fixierung des Bachbettes der Materialabtrag verhindert. Ein Betonbett oder Steinbett führt das Wasser sicher ab. Hervorstehende Steine können dabei bewusst die Fließgeschwindigkeit durch gezielte Richtungsänderung minimieren. Problematisch sind betreffend Erosion insbesondere locker gelagerte Sande.

Die Seitenerosion wird durch Leitwerke, die Tiefenerosion durch Grundschwellen, Holzbohlen, Beton oder Steine verhindert.

Sperren sind wesentlich, um die Schleppkraft zu vermindern. Sperren erhöhen die Talsohle, stabilisieren die Talflanken und verhindern den Geschiebetransport.

Bei Sperren sind drei Lastfälle maßgeblich:

  • Nach Fertigstellen, vor dem Hinterfüllen
  • Nach dem Hinterfüllen, nach Einstellen einer natürlichen Abdichtung in der Bachsohle und bei einem Murgangstoß auf die Sperrenflügel (dreifacher Wasserdruck)
  • Nach Hinterfüllen mit unterwasserseitig wegerodierten oder weggerutschten Talflanken (Katastrophenfall ohne passiven Erddruck).

Stabilisierungsmaßnahmen sind vor allem auch im Bereich des Schwemmkegels notwendig. Durch geringere Fließgeschwindigkeiten erfolgt eine Ablagerung und Versperrung. Das Fließwasser sucht sich neue Wasserwege, womit eine Gefahr entsteht.

Maßnahmen umfassen: Fixieren der Ablaufrinne, Einbau von Geschiebesammlern sowie Gestaltung der Mündung und gegebenenfalls Fixierung durch Sperren und Schwellen. Weiters erfolgt eine Herabsetzung der Fließgeschwindigkeit durch Querschnittsverbreiterung und Energieumwandlung in Tosbecken.

Zur Beurteilung der Lage ist eine Analyse der Teilstrecken nach Läufen mit Erosionscharakter, Läufen mit neutralem Charakter und Läufen mit Sedimentationscharakter notwendig. Dazu sind bodenmechanische und geotechnische Untersuchungen notwendig.

Literatur:

[1] Karl Josef Witt: „Grundbau-Taschenbuch – Teil 1: Geotechnische Grundlagen“, Ernst und Sohn Verlag, Hoboken 2017

[2] Helmut Prinz und Roland Strauß: „Ingenieurgeologie“, Springer Spektrum, Berlin 2017

[3] Jürgen Suda und Florian Rudolf-Miklau: „Bauen und Naturgefahren – Handbuch für konstruktiven Gebäudeschutz“, Springer, Wien New York 2011

[4] Wolfgang Dachroth: „Handbuch der Baugeologie und Geotechnik“, Springer Verlag, Berlin 2017

Antwort auf „Wildbäche und Naturgefahren: Bauen am dynamischen Naturraum”.

  1. Schlammlawinen: Hintergrund und Problematik – Demanega

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