Verhandlungen und Konfliktführung: Interessen und Strategie

Wovon hängt ein Verhandlungsstil ab? Auf jeden Fall von den Umständen, aber auch von den Wertsetzungen, vom Charakter, von der Empathie, von der Auffassungsgabe und von vielem mehr.

Verhandlungen können kooperativ oder kompetitiv gelagert sein.

Das kooperative Verhandlungsmodell, das im Wesentlichen durch die Methode der „Harvard Law School“ umrissen wird, verwirklicht sich im Suchen und Finden von Optionen, die für beide Verhandlungsparteien einen Mehrwert darstellen. Wesentliche Forderung ist die Trennung von Positionen und Interessen. Als Position wird der Standpunkt bezeichnet, den ein Verhandlungspartner in der Verhandlung einnimmt. Interessen oder Motive hingegen sind die Bedürfnisse, die hinter den Positionen liegen.

Häufig wird in Verhandlungen zwar über Positionen debattiert. Wesentlicher sind aber die Interessen oder Motive. Die Konzentration auf Motive ermöglicht eine Einigung abseits der als unverrückbar angenommenen Positionen, indem Positionen gefunden werden, die für beide Verhandlungsparteien zufriedenstellend sind. Vertrauen ist die Grundlage für kooperative Modelle. Wird Vertrauen zerstört und schlägt in Misstrauen um, ist der Weg in kompetitive (oder distributive) Verhandlungstypologien gesetzt.

In streitigen Angelegenheiten, die außerhalb der Win-Win-Phase gemäß der Eskalationsspirale nach Friedrich Glasl liegen, ist das kooperative (oder integrative) Verhandlungsmodell kaum noch zielführend. Gleiches trifft zu, insofern die Lose-Lose-Phase erreicht ist und ein Bewusstsein darüber besteht, dass ein weiteres Streiten für beide Seiten destruktiv endet. Riskant ist die angenommen kooperative Auseinandersetzung mit einer Streitpartei, die es auf eine kompetitive Auseinandersetzung anlegt, sodass sich die Offenlegung der Motive zum eigenen Nachteil auswirken kann.

Anwälte oder Sachverständige können in Konflikten eine unterstützende Rolle im Sinne der Verhandlung einnehmen. Erweist sich die Verhandlung allerdings nicht als zielführend, ist ein gerichtliches Verfahren ein Weg, um die involvierten Parteien mit dem Konflikt zu konfrontieren und um diesen schließlich zu bewältigen.

Verhandlungsstrategien sind darauf ausgelegt, Verhandlungen zu strukturieren:

  • Das Verhandlungsziel markiert das optimal zu erreichende Ergebnis
  • Das Eröffnungsangebot stellt die erste Position dar
  • Das minimale Verhandlungsergebnis steht in Konkurrenz zur besten Alternative zu verhandelten Einigungen

Für Verhandlungen ist ein Verhandlungsspielraum wesentlich. Ein Verhandlungsspielraum ist nur dann möglich, wenn sich die minimalen Verhandlungsergebnisse der Verhandlungsparteien überschneiden. Grundsätzlich sind die Verhandlungsspielräume allerdings unbekannt und dynamisch. Infolgedessen stellt die Beschaffung von Informationen vor und während einer Verhandlung eine wesentliche Aufgabe dar.

Urs Egli legt dar, dass die „beste Alternative zu verhandelten Einigungen“ die untere Grenze des eigenen Verhandlungsspielraumes darstellt und die Verhandlungsmacht setzt: Besteht eine gangbare Alternative zur Verhandlung, dann stellt der drohende Abbruch der Verhandlungen ein probates Machtmittel dar. In extremis kann damit sogar ein Ergebnis „diktiert werden“ [2]. Die Optionen für den Verhandlungspartner, der sich einem Gegenüber ausgesetzt sieht, der eine vermeintlich bessere Alternative zu Verhandlungen hat, ist: Harte Verhandlungsführung, Alternativen vortäuschen, Zeitdruck aufbauen, was mitunter riskant ist.

Für Anwälte und Sachverständige ist die klare Kommunikation in Verhandlungen selbstverständlich wesentlich. Aufgrund des Umstandes, dass es in Verhandlungen bedeutend ist, die Motive zu erkennen, sind das Fragestellen und das Zuhören und Analysieren bedeutend. Insbesondere der Fokus auf Emotionen lässt vielfältige Rückschlüsse über die Motivlage zu und es ist folglich vorteilhaft, reine Zuhörer zu Verhandlungen herbeizuziehen. Bedeutend ist, die Motive, Interessen und psychologischen Bedürfnisse der Gegenseite verstehen und ein Bewusstsein für psychologische Fallstricke und Verzerrungen, die das eigene Urteilsvermögen und das der Gegenseite beeinflussen können, entwickeln.

In kompetitiven Verhandlungen ist jede Wortmeldung – uns insbesondere jedes Schriftstück – ein potenzieller Nachteil.

Wovon hängt letztlich ein Verhandlungsstil ab? Auf jeden Fall von den Umständen, aber auch von den Wertsetzungen, vom Charakter, von der Empathie, von der Auffassungsgabe und von vielem mehr.

Das Eröffnungsangebot charakterisiert den Verhandlungsverlauf wesentlich. Harte Verhandler setzen das Eröffnungsangebot hoch an. Dieses wirkt verhandlungspsychologisch als Anker und signalisiert einen harten Verhandlungskurs. Zu harte Verhandlungsführungen verhindern allerding auch eine kooperative Abwicklung. Die Seite, die als erstes ein Angebot setzt, ist durch die Ankerwirkung im Vorteil. Angebote müssen allerdings im Sinne des Erfolgs konsistent sein uns Substanz haben. Für ein gutes Angebot ist es notwendig, die Motivlage des Gegenübers zu erahnen und einen Verhandlungsspielraum zu setzen. Eine Möglichkeit besteht auch darin, einen Ramen zu setzen mit einem oberen Anker und einem angenommenen minimalen Verhandlungsziel.

Ein Gegenangebot ist eine Kontraktion und signalisiert, dass Verhandlungen stattfinden. Andererseits setzt das Gegenangebot einen Gegenanker. Der Gegenanker soll sich nicht am Anker, sondern an der eigenen Verhandlungsposition orientieren.  Im Rahmen von Verhandlungen werden gegenseitig Konzessionen zugestanden. Mangelnde reziproke Konzessionsbereitschaft weisen auf das Ende des kooperativen Modells hin.

Abgelehnte Angebote sind in der Regel keine gescheiterten Verhandlungen, sondern das Signal, dass Alternativen notwendig werden, aber mitunter auch Verhandlungspausen und Perspektivenwechsel. Letztlich ergibt sich allerdings irgendwann einmal ein erfolgreiches oder gescheitertes Verhandlungsergebnis.

Harte Verhandlungen

Das Problem an harten Verhandlungen ist, dass diese Gegenreaktionen, etwa Vergeltungsmaßnahmen, bewirken können.

Ein beliebtes Mittel ist das Setzen eines übertriebenen Ankers, womit die Wahrscheinlichkeit einer konfrontativen Austragung besteht. Ein Anker signalisiert dem Verhandlungspartner, dass mit einem sehr negativen Verhandlungsergebnis zu rechnen ist.

Ein erhöhter Zeitdruck stellt ebenso eine Methode dar, um einen vermeintlichen Nachteil zu bewirken. Vermeintlich „letzte Angebote“ stellen ebenso eine Methode dar. Die fehlende Entscheidungsbefugnis ist hingegen ein vielfach opportunes Mittel, um die Dynamik der Verhandlungen durch vermeintlich externe Umstände zu beeinflussen.

Letztlich stellen emotionale Manipulation, Bluffs und Lügen fragwürdige Mittel dar. Die starke emotionale Manipulation hat im Sinne der schwarzen Rhetorik häufig den Zweck, das Gegenüber zu irritieren und infolgedessen emotionale Gegenreaktionen zu bewirken, die im Rahmen kompetitiver Verhandlungsführungen schonungslos ausgenutzt werden.

Lügen sind abseits der ethischen Bedenken rechtlich unzulässig und stellen Betrug dar. Einschüchterungen stellen aggressive Mittel dar, die am besten wenig beachtet werden, indem auf den immanent rationalen Charakter von Entscheidungsfindungen hingewiesen wird.

Ein heißer Konflikt kann dazu führen, dass die zugrunde liegenden Probleme und Missverständnisse deutlich sichtbar werden. Da die Beteiligten stark involviert sind, kommen oft unausgesprochene Gefühle und Bedürfnisse zum Vorschein, die in einem kalten oder unterschwelligen Konflikt verborgen bleiben könnten.

Die starke emotionale Beteiligung kann auch eine treibende Kraft für die Konfliktlösung sein. Wenn alle Parteien stark betroffen sind, ist die Motivation oft höher, eine Lösung zu finden, die für alle akzeptabel ist.

Heiße Konflikte haben das Potenzial, Spannungen und Frustrationen abzubauen, die sich sonst über längere Zeit aufgestaut hätten. Dies kann dazu beitragen, eine längerfristige Zusammenarbeit zu ermöglichen, nachdem der Konflikt gelöst wurde.

Allerdings gibt es auch erhebliche Risiken: Ein heißer Konflikt kann schnell eskalieren und destruktiv werden. Wenn die Beteiligten nicht in der Lage sind, ihre Emotionen zu kontrollieren oder konstruktiv zu kommunizieren, kann dies zu Verletzungen, Beleidigungen und einem Bruch der Beziehung führen.

Intensive emotionale Auseinandersetzungen können Narben hinterlassen und das Vertrauen zwischen den Parteien dauerhaft beschädigen. Dies kann besonders problematisch sein, wenn die Parteien weiterhin zusammenarbeiten müssen.

Damit ein heißer Konflikt vorteilhaft sein kann, müssen bestimmte Rahmenbedingungen erfüllt sein. Es braucht ein gewisses Maß an Selbstregulierung und die Bereitschaft, nach dem Konflikt konstruktiv weiterzuarbeiten. Mediation oder Moderation durch eine neutrale dritte Partei können hilfreich sein, um sicherzustellen, dass der Konflikt produktiv bleibt und nicht eskaliert.

Gerichtsverhandlungen

Dadurch, dass Sachverständige oder Anwälte sowohl mit den eigenen Klienten als auch mit der Gegenseite in Beziehungen stehen, sind die Beziehungen mitunter komplex. Sowohl die Beziehungen innerhalb einer Partei sowie auch mit der Gegenseite stellen Verhandlungen dar. Vielfach besteht aber die Meinung, dass die Beauftragung von Anwälten und Sachverständigen bereits den Schritt in ein kompetitives Modell darstelle. Der Fokus sollte allerdings stets auf Versachlichung und Objektivierung liegen.

Im Rahmen von Gerichtsverhandlungen sind Verhandlungsziele und minimale Verhandlungsergebnisse zu definieren. Verhandlungsmethoden wie das Setzen von Ankern wirkt auch in Bezug auf Richter. Richter haben laut Urs Egli darüber hinaus die Tendenz, Druck auf jene Seite auszuüben, von der angenommen wird, dass diese eher nachgibt. Folglich zahle es sich aus, einleitend unnachgiebige Haltungen einzunehmen.

Literatur:

[1] Roger Fisher, William Ury, Bruce Patton: “Das Harvard-Konzept: Die unschlagbare Methode für beste Verhandlungsergebnisse“, Deutsche Verlags-Anstalt, München 2018

[2] Urs Egli: „Anwaltliche Verhandlungsführung“, Jusletter.ch am 27. September 2021

[3] Friedrich Glasl: „Konfliktmanagement. Diagnose und Behandlung von Konflikten in Organisationen“, Haupt Verlag, Bern 1980

[4] Raymond Saner: „Verhandlungstechnik“, Haupt Verlag, Bern Stuttgart Wien 2008