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Das Jagdrecht in Südtirol

In Südtirol besteht ein soziales Jagdprinzip, sodass Inhaber des Jagderlaubnisscheins gemäß Ansässigkeitsfristen in ihrer Heimatgemeinde das Recht zur Jagdausübung erlangen.

Die Jagd wird in Südtirol seit dem Zweiten Autonomiestatut autonom geregelt. Das Land Südtirol verfügt über die primäre Gesetzgebungsbefugnis. Allerdings stoßt sich diese primäre Gesetzgebungsbefugnis im Bereich Jagd mit anderen, zentralen Befugnissen, für die der Staat zuständig ist, etwa Umweltschutz, Waffenrecht, Zivilrecht und Strafrecht.

Der Adel definierte seine soziale Stellung im historischen Kontext aus Besitz und Rechten gegenüber dem Territorium. Es war folglich Territorialität, die den Adeligen vom Nicht-Adeligen unterscheiden sollte. „Der Reichtum eines Adeligen bestand in aller Regel überwiegend in Grund und Boden bzw. Den darauf ruhenden Herrschaftsrechten“ [1]. Als im 19. Jahrhundert die Vorrechte des Adels zur Disposition standen und das Bürgertum auf Rechte drängte, sollte auch das Jagdwesen neu geordnet werden.

Das Kaiserliche Patent von 1949 bindet die Jagd in Österreich an Grund und Boden, erweitert das Jagdrecht folglich über den Adel hinaus, schränkt dieses Jagdrecht gleichzeitig aber auch ein, indem die Jagdausübung in Eigentumsflächen von mindestens 115 Hektar zulässig sind. Daraus resultieren bis heute hin die Eigenjagden in Südtirol. Die Jagdausübung war an die Pacht eines Eigenjagdrechts oder einer Gemeindejagd gebunden. Grundsätzlich ist die Jagdausübung auf einen elitären Kreis reduziert.

Im Germanischen wird Grund und Boden traditionell durch die Gemeinschaft an ihre Mitglieder aufgeteilt: „Jedem freien Familienoberhaupt wurde ein Stück bebaubares Land zugeteilt und mit dem für den Unterhalt der Familie samt Dienstleuten erforderlichen Zubehör ausgestattet (Wald, Weide usw.)“ [4]. Demgegenüber wurde im römischen Recht das Eigentum auf die Nachkommen aufgeteilt und es konnte sich die Konzeption der „öffentlichen Sache“ heranbilden.

Die Reviersysteme sind [3]:

• Das klassisch deutsche Reviersystem: Die Jagd ist an Grund und Boden gebunden. Daraus ergeben sich entweder hauptsächlich Eigenjagdreviere, Genossenschaftsreviere und Gemeindereviere. Das Wild gilt rechtlich als herrenlos (res nullius).

• Das Schweizer Reviersystem: Die Jagd ist nicht an Grund und Boden gekoppelt. Die Reviergrenzen folgen Gemeindegrenzen oder behördlich festgelegten Grenzen, verpachtet wird an Jagdgesellschaften. Das Wild ist Eigentum des Staates (res communis).

• Das italienische Jagdsystem: Die Jagdausübung ist ifrei und gilt auch auf fremdem Territorium, insofern nicht umzäunt. Die Jagd ist auf Ebene der Provinzen geregelt. Das Wild gehört dem Staat.

In Südtirol ergeben sich durch die Annexion durch Italien weitreichende Konsequenzen, die auch das Jagdrecht betreffen. Im Nachkriegsitalien wurde das Jagdrecht in Südtirol nicht angetastet. Im italienischen Faschismus sollte die Jagd allerdings als Volkssport ausgeübt werden. Mit dem Einheitsgesetz von 1923 ist die Jagdausübung frei. Dadurch, dass das inidividuelle Mobilitätsverhalten physisch begrenzt war, konnte die Jagdausübung auf das gesamte Territorium ausgedehnt werden. Eine Ausnahme bildete umzäunter Großgrundbesitz.

Das Einheitsgesetz von 1931 sollte Schongebiete (bandite) und Reviere (riserve) schaffen. Womit die freie Jagdausübung eingeschränkt wurde. Der Nationalpark Stilfser Joch entstand 1935 als Revier. Mit dem Jagdrecht von 1939 entstanden Schutzregelungen für gefährdetes Wild, Vögel wurden grundsätzlich geschützt und die Schonzeiten eingeführt.

Mit dem Ersten Autonomiestatut wurden Südtirol Zuständigkeiten im Bereich Wild und Jagd übertragen. Die Durchführungsverordnung zum Regionalgesetz 30 aus 1964 sah bereits eine eigene Südtiroler Landesjagdordnung sowie die Ansässigkeit in Revieren des Rechts wegen (als Gegenkonzept zur Eigenjagd) vor.

Aus der Geschichte Südtirols ist bekannt, dass die effektive primäre Gesetzgebungsbefugnis in zahlreichen Bereichen erst mit dem Zweiten Autonomiestatut 1972 umgesetzt war. Nationale und internationale Bestimmungen, etwa der Natur- und Tierschutz, sollten allerdings immer stärker relevant werden.

Mit einem staatlichen Rahmengesetz von 1977 war das Wild nicht mehr herrenlose Sache, sondern es wurde zum unverfügbaren und geschützten Vermögen des Staates deklariert. Zudem entstand ein Paradigmenwechsel: Es war nicht mehr das Bejagen allen Wildes erlaubt, das nicht verboten war, sondern es war alles Wild geschützt, das nicht explizit bejagbar war, womit nur noch 56 Vogelarten und 12 Säugetiere bejagbar waren. Ausgenommen waren das Murmeltier oder Marderartige. Insgesamt wurde der Naturschutz restriktiver gehandhabt, so auch im Nationalpark Stilfser Joch. Ebenso wurde das autonome Jagdrecht durch Entscheidungen des Verfassungsgerichtes eingeschränkt.

Mit dem aktuellen Jagdgesetz 14 vom 17. Juli 1987 werden die „Bestimmungen über die Wildhege und die Jagdausübung“ in Südtirol festgelegt und es folgten Durchführungsverordnungen, zuletzt das Dekret des Landeshauptmannes 18 von 2000. Infolgedessen herrscht in Südtirol ein soziales Reviersystem vor.

1988 erfolgt die Übertragung der Verwaltung aller Reviere kraft Gesetzes an die in Südtirol am stärksten vertretene Jägervereinigung.

Die aktuell 51 existierenden Eigenjagdreviere stammen aus voritalienischer Zeit. Die restliche Fläche Südtirols ist mit Ausnahme des Nationalparks Stilfser Joch in Jagdreviere kraft Gesetz unterteilt, die mehr oder weniger mit den Gemeindegrenzen übereinstimmen. Diese Reviere werden nicht verpachtet, sondern es besteht ein soziales Prinzip, sodass Inhaber des Jagderlaubnisscheins gemäß Ansässigkeitsfristen in ihrer Heimatgemeinde das Recht zur Jagdausübung erlangen. Das System ist folglich in ein Reviersystem gegliedert, wobei die Jagdausübung im Revier frei ist.

Provinzfremde haben in Südtirol folglich nur die Möglichkeit, als Jagdgäste zu jagen, insofern diese über die Voraussetzungen für den Jagderlaubnisschein verfügen. Der Revierleiter überprüft das Vorliegen der Voraussetzungen. Allerdings gibt es keinen entsprechenden Rechtsanspruch. Grundsätzlich haben Südtiroler Jäger aus Gemeinden mit einer hohen Anzahl an Jägern das Vorrecht.

Die Jagd ist eine besondere Form der Landbewirtschaftung. Ohne Jagdwirtschaft ist unsere heutige Kulturlandschaft nicht denkbar, ergeben sich nämlich weitreichende Konsequenzen für Forstwirtschaft, Landwirtschaft, aber auch für die biologische Vielfalt und nicht zuletzt für Schutzwälder.

Literatur:

[1] Walter Demel: „Der europäische Adel – Vom Mittelalter bis zur Gegenwart“, Verlag C.H. Beck, München 2005

[2] Heinrich Erhard: „Die Entwicklung es Jagdrechtes im südlichen Teil Tirols vom 19. bis Anfang des 21. Jahrhunderts“, Amt für Wildtiermanagement, Bozen 2006

[3] Markus Richard Deißler: „Jagdgesetze Mitteleuropas aus wildbiologischer Sicht“, Universität für Bodenkultur, Wien 2019

[4] Edoardo Mori und Werner Hintner: „Der geschlossene Hof – Geschichtliche Entwicklung und geltende Bestimmungen“, Autonome Provinz Bozen, Bozen 2013

[5] Edoardo Mori e Andrea Antolini: „ La caccia – il diritto della caccia, le leggi, la giurisprudenza commentata, note di balistica venatoria”, Scala Editore, Milano 2011