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Trachten, Volkskultur und Symbolik

Was die Tracht heute – abseits von Kitsch – ist: Das Teilhaben an Regionalität und an Bodengebundenheit, sowie ein Anknüpfen an größere zeitliche Zusammenhänge, abseits kurzfristiger Trends.

Wenn es um Stil und Ästhetik geht, kommt man am Thema Kleidung kaum vorbei. Der Begriff „Tracht“ bezeichnet die Art und Weise, vielleicht auch die Würde, eine bestimmte Konzeption von Kleidung zu tragen. Bis in das 19. Jahrhundert hinein war das Thema Tracht ständisch geprägt: Die Tracht ist keine Frage der persönlichen Selbstverwirklichung, sondern der ständischen Zugehörigkeit. Grundsätzlich war dem Bauernstand selbstgemachte Kleidung vorgeschrieben [1]. Kleidung hatte folglich mit handwerklichen Fertigkeiten, Verfügbarkeit von Stoffen und praktischer Nützlichkeit zu tun.

Mit dem, „was man so hat“ (Elsbeth Wallnöfer).

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde die Kleiderordnung unter Maria Theresia gelockert, sodass sich verstärkt regionale und lokale Unterschiede herausbilden konnten. Damit zog auch die Mode jener Zeit in die Tracht ein. Knielange Mäntel und geknöpfte Westen sind in Anlehnung an die höfische Tracht französischen Stils die Überbleibsel dieser Zeit, während die aus edlen Stoffen gefertigten Kniebundhosen im bäuerlichen Umfeld durch Lederhosen ersetzt wurden und die Trachtengurten mit ihrer Dekoration als Statussymbol gebräuchlich wurden [2]. In diese Zeit fallen parallel dazu auch ornamentale Ausgestaltungen an Möbeln und Gebäuden oder die Entwicklung des Bundwerkes. Diese ornamentalen und floralen Muster werden dabei auch zu Symbolen für Fruchtbarkeit und Status. Grundsätzlich wird ein Stilprogramm in die Gestaltung eingeprägt.

Bis in das 19. Jahrhundert hinein war das Thema Tracht ständisch geprägt. Mit der Romantik und der Mystifizierung des Ländlichen sollte auch das Thema Tracht anders aufgefasst werden. „Typisch“ ländliche Kleidung wurde „entfunktionalisiert, entkontextualisiert, neukontextualisiert, entzeitlicht und funktional neu zugewiesen“ [3]. Diese Attribute treffen übrigens auf klassisch geprägte Architektur bis heute hin zu, was dieser keinen Abbruch tut.

Beim Thema Tracht ist es besonders auch dem Adel im Rahmen der Jagd ein scheinbares Anliegen, Lederhose und Lodenjacke entsprechend zu kontextualisieren – man hat Erzherzog Johann bildlich vor Augen.

Mit dem Aufkommen des Alpentourismus wird die Tracht schließlich zum Klischee, zur „binnenexotischen Besonderheit“  (Elsbeth Wallnöfer) und schließlich zur bürgerlichen Projektion. Dass die Ausseer Tracht letztlich genauso wie diese oder jene Tiroler Tracht eine Konstruktion ist, wie auch sonst alles, was Menschen an Kulturgütern hervorgebracht haben, ist mehr als zweitrangig.

Elsbeth Wallnöffer fügt hinzu und hält begrifflich dagegen: „Ich versuche ja zwei Begriffe zu vermeiden: „Konstruktion“ und „Instrumentalisierung“. Tracht ist meines Erachtens keine Konstruktion, die Erzählung davon ist eine Konstruktion“.

Und weiter: „Eigentlich ist sie Ergebnis modischen und ästhetischen Begehrens, ein Spiel mit dem Eigenen – wie ich zu sagen pflege“.

Was die Tracht heute – abseits von Kitsch – ist: Das Teilhaben an Regionalität und an Bodengebundenheit, sowie ein Anknüpfen an größere zeitliche Zusammenhänge, abseits kurzfristiger Trends, abseits der Schnelllebigkeit des Alltages und fernab der geringen Halbwertszeit der konsumberauschten Moden.

Selbstverständlich ist – wie gesagt – alles eine Konstruktion. Konstruktionen gibt es gute und schlechte. Alles, was nicht direkt aus der Natur entstammt, ist menschliche Konstruktion. Stil und Kunst weichen stets von der Natur ab und sind ein Produkt der Kultur. Komstruktionen und Produkte gibt es viele mit dem Unterschied, dass manche sich über lange Zeit halten und andere nach kurzer Zeit bereits entbehrlich zu sein scheinen. Dadurch unterscheidet sich Qualität von Pfusch.

Letztlich ist es mit der Kleidung so wie mit einem Gebäude: Das Äußere entspricht bestenfalls einer bestimmten inneren Botschaft, einem bestimmten Bewusstsein und einer inneren Würde. Man kann dabei gar nicht nicht-kommunizieren. Auch formelle Gleichgültigkeit und Beliebigkeit sind eine Form von Botschaft und wo das Äußere nicht durch ein komplexes Inneres getragen wird, verliert es schnell seinen erotischen Reiz. Äußerlichkeit und Oberflächlichkeit alleine genügen auf Dauer nicht.

„Aber: Tracht und Kleidung können durchaus Mittel der Repräsentation und Symbol kultureller Erzählung sein. Tracht verfügt darüber hinaus noch über eine sozialdynamische Funktion, weil sie Gruppenleben befördert, die Leute zusammenhält“ sagt Elsbeth Wallnöfer.

Es geht beim Thema Tracht heute weniger um das unbewusste und unreflektierte Tragen des Trachtigen und stattdessen vielmehr um individuelles Bewusstsein für und Bekenntnis zum Boden und zur Herkunft. Freilich bedingt ein Bewusstsein ein bestimmtes Maß an Reflexion, an Weitblick und an Weltblick. Erst dadurch, im Dialog mit der Welt, gewinnt die Tracht ihren Wert und erst dann ist sie nicht nur eine unreflektierte und hohle Angewohnheit, sondern ein äußerliches Inneres.

Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit der namhaften Vinschger Volkskundlerin und Philosophin Elsbeth Wallnöfer entstanden, die in Wien und über Wien hinaus wirkt.

Literatur:

[1] Peter Fischer: „Die Entwicklung unserer Tracht“, Heimatkundliche Beiträge des Museums- und Kulturvereines Sankt Johann in Tirol, Nr. 15 / 2010

[2] Peter Fischer: „Die Entwicklung unserer Tracht“, Heimatkundliche Beiträge des Museums- und Kulturvereines Sankt Johann in Tirol, Nr. 15 / 2010

[3] Michael Wedekind: „Gutachten zu den vom Verein ›Institut für Tiroler Musikforschung‹ (Rum bei Innsbruck) vorgelegten Publikationen zu den Musikschaffenden der ›Arbeitsgemeinschaft Tiroler Komponisten‹ (1934-1938)“, Wien

[4] Elsbeth Wallnöfer: „Tracht Macht Politik“, Haymon Verlag, Innsbruck 2020