Bauernstuben, Wohnkultur und Baukultur

Wenn von der intimen Nähe die Rede ist, die sich im Wohnen äußert, dann nährt sich diese Geborgenheit insbesondere dadurch, dass das Haus Wärme stiftet – physische Wärme als auch emotionale Wärme. Das ist im ursprünglichen Bauernhaus der Raum, in dem gekocht und gewärmt wird und der sich folglich als der zentrale Raum, um den sich alles herum abspielte, einprägte.

Von dieser vielleicht noch äußerst einfachen Raumausführung entwickelte sich – ausgehend von den Herrschaftshäusern – die so genannte Wohnkultur, die folglich mehr war als eine funktionelle Auslegung, sondern nach und nach entkontextualisiert wurde. Die Entwicklung des Wohnraumes und damit auch der Stube reicht in die Zeit der Romanik zurück und entstand erstmals in Herrschaftssitzen [1]. Die so genannte Stube wird zunehmend mit Holz ausgeführt und unterstreicht damit das Bedürfnis nach einem entsprechenden Komfort.

Insgesamt ist die Bedeutung des Holzes, das handwerkliche Geschick in der Bearbeitung desselben, aber auch die mehrhundertjährige Dauerhaftigkeit des Holzes allgegenwärtig.

Die Gotik entwickelt fortan auch das profane Bauen entscheidend weiter. „Zu den gotischen Häusern gehört auch der kreuzgewölbte Hausgang, welcher vielfach mit Putzrippen verziert wurde. Die Raumteilung war in den größeren Bauernhöfen vom Mittelflur, in den Hanglagen vom Seitenflur geprägt, wobei durch diesen breiten Gang die übrigen Räume wie Stube, Küche, Speisekammer und Schlafkammer der Eltern erschlossen wurden“ [1]. Türrahmen wurden zunehmend dekorativ als Eselsrücken ausgeführt. Die Gewölbe wurden mittels Putzrippen zusätzlich dekoriert und hervorgehoben.

Mit der Gotik steigen die gestalterischen Ansprüche zunehmend und der Ornamentschmuck in der Innenraumgestaltung nimmt zu. Tragende Bauteile werden dabei entsprechend ornamentiert. „Die Schnitzereien, Abfasungen, Rundstäbe oder Zopfornamente entlang des Balkens mit Verstärkungen an den Kopfenden betonen auch optisch die Tragfähigkeit des Holzbalkens“ [1]. Die gotische Stube wurde mit in den Wänden integrierten Halbstützen (so genannten Lisenen) ausgeführt.

Die Renaissance entwickelte den Gestaltungskatalog entscheidend weiter, bestand die Stilepoche doch in der Emanzipierung des norditalienischen Bürgertums, das durch den eigenen Stil nicht nur einen ästhetischen, sondern besonders auch einen politischen Anspruch erhob und die Privatheit scheinbar entdeckte [2].

Dementsprechend wesentlich war auch das Thema Wohnraumgestaltung, das bei Weitem nicht nur funktionell ausgelegt wurde. Die repräsentativen Palazzi der Renaissance wurden mit Empfangshalle, Haupt- und Nebenräumen, Hauskapelle und Innenhof ausgeführt. Das verstärkte Komfortbedürfnis fand in der großzügigen Belichtung sowie in der Gestaltung von Öfen seine Berücksichtigung. Die Täfelung wurde mehr und mehr auch dekorativ aufgefasst. Man konnte es sich nun auch leisten, die Innenräume mit Fresken zu versehen.

Die Renaissance erfasste dabei auch das alpine Bauen. Besonders an den Schnittpunkten zwischen italienischem und deutschem Kulturraum fanden dabei Elemente der Renaissance auch ihren Eingang in das ländliche Bauen, nämlich im Überetscher Stil. Charakteristisch ist bei Bauernhöfen die Ausgestaltung des Mittelflurs, der die Funktion eines bewohnten Raumes erhält und als Tonnengewölbe ausgeführt wird [1].

Weitere charakteristische Elemente sind Freitreppen, Terrassen, Loggien und Arkaden. Die Türen und Fenster wurden mit Gesimse ausgeführt.

Mit dem Heraufkommen der Renaissance werden Wände und Decken der Stuben zunehmend vertäfelt [1], womit wärmetechnische Vorteile, aber auch eine Vielzahl an dekorativen Möglichkeiten einhergingen. Die freie Sicht auf die Dachkonstruktion wurde zunehmend unterbunden und stattdessen flache Decken oder Gewölbe ausgebildet, die Möglichkeiten zur Dekoration boten. Im unteren, gemauerten Teil des Gebäudes sind die Böden aus Stein – und im prunkvolleren Ambiente – aus Marmor gestaltet.

Im Barock erhielt von Frankreich ausgehend die Raumgestaltung neue Einflüsse. Im Mittelpunkt stehen die höfische Gesellschaft und die Paläste [3]. Vorzimmer und repräsentative Räume, die so genannten Salons, wurden zum festen Bestandteil der Innenraumgestaltung, ebenso wie die Galerie, ein Verbindungsraum, der zur dekorativen Ausgestaltung genutzt wurde. Räume wurden häufig aneinandergereiht, um eine Raumflucht, die so genannte Enfilade, zu erzielen. Treppenhäuser wurden reich ausgestaltet, ebenso das Vestibül, die Empfangshalle. Die Möbel werden in allen nur denkbaren Verzierungen ausgeführt.

Die Innenraumgestaltung im Barock wird malerisch und verspielt, was durchaus auch auf Kosten der Eindeutigkeit und Klarheit geht. Stattdessen steht die sinnliche Erfahrung an vorderster Stelle.

Die reiche Dekoration während des Barock fand auch ihren Niederschlag im bäuerlichen Wohnen. Religiöse Elemente gehen stärker in die Innenraumgestaltung ein. Die Räume werden mit Stuckdecken ausgestattet, die Türen verziert und Öfen mit Kacheln ausgeführt. Die Möbel werden reichhaltig dekoriert, die Verzierungen werden feingliedriger und raffinierter, die Materialien edler.

Im Klassizismus wurde die Dekoration schließlich schlichter und der Rückgriff auf antike Muster und Symbolik naturgemäß stärker. Insgesamt vollzieht sich mit Beginn der Biedermeier-Zeit eine stärkere Ausprägung des privaten Raumes und des Freizeitbedürfnisses, womit Wohnräume entsprechend wohnlicher ausgestaltet werden, die Inneneinrichtung an Bedeutung gewinnt.

Bauernstuben verbinden uns mit der Geschichte. Sie sind purer und reiner Ausdruck des Umgangs mit dem Land, handwerklichen Geschick und Können, vor allem aber auch Wille zur Gestaltung, zum Stil und zur Ästhetik. Die moderne Einbauküche mit Essbereich kann nicht einmal funktionell mithalten. Das Dauerhafte ist alles, die kurzfristige Mode nichts.

Bei der Stube und beim ganzen Bauen ist es doch so: Das Historische ist das wertvollste. Mit Kultur, Können und Tiefgründigkeit ist es aber immer möglich, baukulturell an das Historische anzuknüpfen. Auch beim Neubau. Dazu bedarf es allerdings Kultuviertheit statt moderner Effekthascherei, die schnell verblüht und ein modernes Wrack übrig lässt.

Literatur:

[1] Konrad Bergmeister: „Natürliche Bauweisen – Bauernhöfe in Südtirol“, Spectrum Verlag, Bozen 2008

[2] Rolf Toman: „Die Kunst der italienischen Renaissance – Architektur, Skulptur, Malerei, Zeichnung“, Tandem Verlag, Potstdam 2007

[3] John Summerson: „Die klassische Sprache der Architektur“, Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden 1983

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