Wenn massige Baumaterialien wie Steine in Form eines Gewölbes den Raum überspannen, geraten wir selbstverständlich ins Staunen. Schier unglaublich erscheint es uns, dass Steine mit ihrem erheblichen Gewicht in die Höhe ragen und einen Bogen dauerhaft spannen.
Es war die Meisterleistung der römischen Baukunst, im Gegensatz zu der griechischen Baukunst, von der monolithischen Bauweise, also vom Bauen mit ganzen Steinblöcken, abzurücken und mit dem Fügen von Mauerwerk aus Naturstein und gebranntem Ziegel, plastische Formen anzustreben. Der Wiener Bauingenieur Alfred Pauser sieht darin eine „Entmaterialisierung“ des Bauens, weil das natürliche Material in eine handwerkliche plastische Form überging [1].
Der Mensch machte sich durch das Fügen der Werkstoffe architektonisch zum Schöpfer. „Architektur“ bedeutet vom Griechischen übersetzt nichts anderes als „erste Kunst“. Erst durch die Weichenstellung, die das römische Bauen nahm, war es möglich, den Raum in Form von Viadukten und Aquädukten aus Steinbögen zu überwinden und eine weltumspannende Infrastruktur, die die Grundlage für das Imperium und die Zivilisation bildete, zu verwirklichen.
Die Römer perfektionierten die Steinbauweise sowie die Wölbkunst und haben diese in den romanischen Ländern im ländlichen Bauen hinterlassen. Während die germanische Baukunst in der Regel im Bauen mit Holz bestand, ermöglichte es das mediterrane Klima, in Stein zu bauen – auch weil weitaus weniger Bauholz zur Verfügung stand. Glaubt man dem römischen Baumeister Vitruv, der im 1. Jahrhundert vor Christus zur Zeit von Kaiser Augustus lebte, so ist der griechisch-römische Steinbau dem Holzbau nachempfunden. Die Römer bauten hauptsächlich Tonnengewölbe, führten aber auch Kreuzgewölbe aus.
Im Mittelalter sollte das Bauen mit Stein im Wehrbau, aber auch im Sakralbau neue Bedeutung erlangen. Stein galt als dauerhaft und brandbeständig. Während in der Romanik der Rundbogen künstlerisch kennzeiechnend war, strebte die Gotik mit dem Spitzbogen in den Himmel. Die steile Bogenführung ermöglichte es, den horizontalen Gewölbeschub zu minimieren. Vielfach steiften externe Strebepfeiler die filigranen Gewölbe aus. Statt statischer Berechnung arbeitete man nach Versuch, Scheitern und gewonnener Erfahrung. Zu unterschlagen ist dabei natürlich nicht der außereuropäische Einfluss auf das Bauen.
Mit der Renaissance orientierte sich das Bauen wieder neu nach dem Vorbild der Antike, womit der Rundbogen selbstverständlich gegenüber dem Spitzbogen an Relevanz gewann. Nicht zufällig bedeutet der Begriff „gotisch“ – durch die Renaissance-Künstler geprägt – so viel wie „barbarisch“. Torbögen, Arkadengänge und repräsentative Eingangshallen werden in der Renaissance nach antikem Vorbild zu gestaltenden Elementen der Baukunst. Es entspringt der Genialität der Renaissance-Künstler, Bauwerke dreidimensional und komplex nach antikem Vorbild zu bauen und dabei die Ordnung sowohl im Grundriss als auch im Aufriss zu verwirklichen. Mit dem Barock beginnt die Form zu tanzen.
Statisch betrachtet wirken in einem Seil nur Zugkräfte, während in der umgekehrten Seillinie, der Stützlinie – je nach Lastgegebenheiten – nur Druckkräfte wirken. In einem Biegebalken wirken hingegen Zug- und Druckkräfte gemeinsam im Querschnitt. Die Stützlinie ist jene Form unter den möglichen Formen des Bogens, bei welcher bei einer bestimmten Belastung die Druckkräfte – und nur Druckkräfte – konzentriert wirken.
Im statischen Sinne ist das Gewölbe aus Mauerwerk mit einem Dreigelenkbogen assoziierbar. Der häufigste Versagensfall für den Lastfall Gleichlast resultiert aus einer Widerlagerverschiebung durch den Horizontalschub, sodass sich im Kämpferbereich als auch im Scheitel Risse bilden, die als Gelenke darstellbar und berechenbar sind [3]. Ein viertes Gelenk würde in einer kinematischen Kette und im Ungleichgewicht münden. Somit ist der Dreigelenksbogen der obere Grenzwert für das Bogenproblem. Es handelt sich um ein statisch bestimmtes System.
„Die Gewölbeberechnungen nach der Grundidee der Plastizitätstheorie bauen somit auf einem angenommenen, eventuell eintretenden Bruchmechanismus auf, der ein statisch bestimmtes Tragsystem bildet. Ein dreifach statisch unbestimmtes System wandelt sich zwar erst ab dem Vorhandensein von vier Gelenken in einen kinematischen Mechanismus, doch bieten die Berechnungen am Dreigelenkbogen ein gewisses Sicherheitspotential. Es ist noch eine Laststeigerung möglich, bis es zum Versagen des gesamten Systems kommt und dies ist erst der Fall, wenn die Stützlinie sich nicht mehr vollständig innerhalb des Mauerwerksbogens befindet“ [4].
Das Bogenproblem ist durch die Stützlinien berechenbar, die sich zwischen den drei Gelenken und je nach Versagensfall – in den Extremfällen der Stützweitenvergrößerung oder Stützweitenverkleinerung mit gegensätzlichen Gelenken – bilden. Es handelt sich folglich um eine Berechnung nach der Plastizitätstheorie, da eine elastische Berechnung die vorhandenen Traglastreserven nicht berücksichtigt. Die Rissbildung bedeutet ja effektiv eine Anpassung der Form an die Lasten.
Jede Abweichung der Gewölbeform von der Stützlinie bewirkt Biegemonente respektive potentielle Zugkräfte im Querschnitt. Gewöhnlicherweise ist der Bogen für die Stützlinie aus ständigen Lasten geformt.
Insofern im Bogen effektiv nur Druck wirkt, reduziert sich das Problem auf die Druckfestigkeit des Steinmaterials. Faktisch entsteht das Problem allerdings eher in den Fugen, weil der Mörtel auf Querzug – aufgrund der Dehnung rechtwinklig zum Druckverlauf im Bogen -, auf Schub oder aufgrund der räumlichen Spannungsverhältnisse versagt. Der Fugenmörtel ist das schwache Glied. Wesentlich ist folglich die Fugenausbildung, die Neigung, das Mörtelmaterial und damit auch die Steinform.
Gewölbe: Formen und Epochen
Baukulturell erzählen Gewölbe faszinierende Geschichte in Stein und bezeugen die handwerkliche Fähigkeit des Menschen, aufsehenerregende und schwindelerregende Flächentragwerke in Gewölbeform zu errichten [2]. Das Pantheon in Rom, das aus römischem Beton (Opus caementicium) besteht, lässt bis heute hin, ebenso wie die Kathedralen dieser Welt, staunen und rätseln.
Die unterschiedlichen Gewölbeformen stehen für die charakteristischen Epochen und lassen Rückschlüsse über bauliche Wirklichkeiten und menschlichen Repräsentationsdrang zu. Sie lassen uns die Baukultur auf diese oder jene Art „lesen“.
Das Tonnengewölbe ist als einfach gekrümmtes Gewölbe die einfachste Form der Überwölbung. Bautechnisch sind Tonnengewölbe durch Vorrücken eines Lehrgerüstes einfach herzustellen. Zieht man die Diagonalen durch das Tonnengewölbe, ist von Wangen und Kappen die Rede. Die Dreiecke zwischen Widerlager und Scheitel sind die Wangen, während die Dreiecke zwischen den Schild- oder Gurtbögen und dem Scheitel Kappen genannt werden. Den Übergang zwischen Kappen und Wangen vollziehen die Grate.
Werden dem Tonnengewölbe seitlich noch kleinere Tonnengewölbe eingeschoben, spricht man vom Stichkappengewölbe. Die seitlichen Gewölbe lassen Öffnungen zu oder gliedern den Raum. Auf ähnlichen Prinzipien, allerdings auf gleichartigen Bögen, beruht das Kreuzgewölbe.
Entsprechend aufwändiger ist die Herstellung von Kreuzgewölben als doppelt gekrümmte Gewölbe. Kreuzgewölbe sind über jeder Vielecksform des Grundrisses ausführbar. Die Kämpfer sind die Auflagerpunkte des Gewölbes auf der Mauer. Wesentlich ist, dass die Kämpfer stark genug ausgeführt werden, um den Gewölbeschub aufzunehmen. Die Bögen zwischen den einzelnen Gewölben werden Gurtbögen genannt. Die Schildbögen sind hingegen die Bögen, die an der Längswand verlaufen. Die Diagonalbögen bilden die Grate des Gewölbes. Die Scheitellinie verbindet die höchsten Punkte des Gewölbes. Die Gewölbekappe ist begrifflich das flächige Schalenbauteil am Gewölbe.
Das Kreuzgewölbe besteht aus vier Kappen. Das Klostergewölbe hingegen aus vier Wangen. In beiden Fällen ist der Grundriss quadratisch.
In der Romanik verfügen die Kreuzgewölbe über halbkreisförmige Schild- und Diagonalbögen beziehungsweise halbkreisförmige Schildbögen und Diagonalbögen in Form von überhöhten Ellipsen. Daraus folgt, dass die Scheitellinien steigend und nicht wie beim römischen Kreuzgewölbe waagrecht sind. Beim römischen Kreuzgewölbe sind die Scheitel der Gurt- und Schildbögen mit gleicher Pfeilhöhe ausgeführt.
Beim gotischen Kreuzgewölbe sind die Schildbögen spitzbogig, während die Diagonalbögen spitzbogig oder halbkreisförmig sind.
Der Spitzbogen als solcher ist statisch eine Weiterentwicklung des Rundbogens. Durch die weniger flache Form ist der Seitenschub geringer. Die Form kommt der Stützlinie, also der umgekehrten Seillinie näher, welche die zusammengefassten Normalkräfte bezeichnet.
Jede Abweichung von der Stützlinie bewirkt im Gewölbe grundsätzlich die Gefahr von Biegemomenten und in der Folge von Zugkräften im Querschnitt, welche gefährdend wirken, da weder Steine, noch der Mörtel auf Zug wirken können und sich in der Folge Fugen und Risse öffnen, womit sich der Querschnitt des Lastabtrages entzieht und statisch nicht mehr wirkt.
Beim Kreuzrippengewölbe sind die Grate zusätzlich verstärkt, was nicht nur eine dekorative, sondern besonders auch eine statisch-konstruktive Erfordernis ist, die lokal verstärkend wirkt.
Unterscheiden könnte man hierbei zwei „Schulen“: Die eine versucht bei Laststeigerung das Gewölbe massiver auszuführen. Die andere verstärkt das Gewölbe lokal durch Rippen. Beim Pantheon sind entsprechend letzterer Variante die lokalen Verstärkungen in Form von Kassetten ausgeführt.
Kreuzgratgewölbe bestehen hingegen aus zwei sich durchdringenden Tonnengewölben. Durch die zusätzliche Unterteilung der Gewölbekappen entstehen Stern- oder Netzgewölbe.
Grundsätzlich verfügen massive Gewölbe über ein extrem hohes Eigengewicht, sodass die Nutzlasten, die darauf wirken, zu keiner relevanten Lasterhöhung führen. Effektiv handelt es sich im Falle einer Bogenbrücke, die aus mehreren Bögen besteht, um keine filigranen Bogentragwerke, sondern um ein komplexeres statisches System, bei dem die Bögen durch enorme Auflasten aus Eigengewicht und Aufschüttung, welche lastverteilende und dämpfende Wirkung haben, unter Druck gesetzt sind, während die Bögen sich horizontal gegenseitig abstützen [2].
Die Auflast wirkt als Vorspannung, während die Widerlager als horizontale Feder wirken. Daraus ergibt sich die hohe Belastbarkeit derselben in einem komplexen statischen System.
Problematisch wird es, wenn sich die Kämpfer, horizontal aufweiten, weil der Horizontalschub zu groß wird oder der Baugrund nachgibt, sodass sich im Scheitelbereich Risse bilden.
Das Problem des erhöhten Horizontalschubes wusste man im Mittelmeerraum bereits ab dem Mittelalter durch Zuganker im Kämpferbereich zu lösen, während man in nördlicheren Gegenden nach wie vor auf massive Strebepfeiler zurückgriff.
Die Methode der Zuganker fand im nördlichen Europa erst im 19. Jahrhundert Anwendung. In Südtirol, diesem baukulturellen Schnittpunkt, entsprechend früher.
Der Umgang mit der Sanierung alter Gewölbe und Bögen kann potentiell auf diversen Wegen erfolgen. Von der reinen Gewölbesanierung einmal abgesehen, wird der häufigste Weg in der Verstärkung der Widerlager durch Stahlbeton bestehen. Vielfach ist das Gewölbe letztlich nur noch Schein, wenn nämlich darüber eine Stahlbetondecke oder ein Stahlbetongewölbe konzipiert wird, die die Lasten aufnimmt, während das Gewölbe „nur“ noch sich selbst trägt. Das Gewölbe wird dann zur Zier degradiert. Gerade bei Gewölben, die nicht als massive Decke wirken – etwa bei einem Kirchenbau – ist es filigraner, das Gewölbe im Sanierungsfall über ein Seilsystem aufzuhängen.
Es zeugt bei historischer Baukultur in allen Fällen von Qualität, die strukturellen Eingriffe auf ein Minimum zu reduzieren. Damit die historische Bausubstanz nicht nur Schein, sondern Sein ist.

Weiterführende Artikel:
Alpines Bauen: „Suche den Grund der Form auf“!
Literatur:
[1] Alfred Pauser: „Gedanken über 2000 Jahre Bohenbrücken“, Denkmalpflege in Niederösterreich – Band 11, Wien 1993
[2] Erwin Heinle und Jörg Schlaich: „Kuppeln aller Zeiten, aller Kulturen“, Deutsche Verlags-Anstalt, München 1996
[3] Andreas Kolbitsch: „Altbaukonstruktionen – Charakteristika, Rechenwerte, Sanierungsansätze“, Springer-Verlag, Wien 1989
[4] Jenny Hermann: „Tragverhalten von Bögen und Gewölben aus Mauerwerk auf Grundlage der Plastizitätstheorie“, Staatliche Studienakademie Glauchau, Glachau 2013