Demanega

#ingenieurbaukultur

102 Jahre Bauhaus

Published by

on

Die Bauhaus-Ästhetik muss man nicht mögen. Zumindest dann nicht, wenn Ästhetik eine subjektive Angelegenheit ist, zu der man diese oder jene Haltung haben kann. Wobei sich eingangs die Frage stellt, ob der Bauhaus-Stil überhaupt „Ästhetik“ oder nicht doch nur „Funktion“ ist. Anfangs eher Funktion, müsste man sagen; später Ästhetik, die sich „Funktionalismus“ nennt und sich mehr und mehr von der eigentlichen Funktion trennt.

Unbestritten ist zweifelsohne das Wirken des Bauhauses auf das Bauen, das die Art und Weise, wie wir heute bauen, wesentlich verändert hat. Wenngleich der Ansatz vielfach einseitig war und die Weichenstellungen nicht alleine durch das Bauhaus gestellt wurden. Abseits vom „Mainstream“ – und dort beginnt das eigentliche Leben ! – kann man die Dinge durchaus auch kritisch betrachten lernen.

Der Architekturtheoretiker Gerd De Bruyn unterstellt der Bauhaus-Moderne der Zwanziger Jahre, sich zwar in der Form „modern“ geäußert zu haben, jedoch – was die Bautechnologie betrifft – und im Gegensatz zu jenem Bauen, das formell als „traditionalistisch“ bezeichnet wurde, weniger modern gewesen zu sein. Es war – so kontrovers es auch klingt – der so genannte „Traditionalismus“, der vom Wesen her die zeitgemäßeren Bautechnologien anzuwenden wusste [1]. Das Bauhaus belegt: Vielfach ist Marketing alles.

Doch zurück zum Bauhaus. Im Bauhaus vereint sich die deutsche Avantgarde des 20. Jahrhunderts mit teils sozialreformatorischen Zügen. Geprägt wurde das Bauhaus wesentlich durch die frühe sowjetische Avantgarde, den Konstruktivismus, sowie durch die niederländische Gruppe De Stijl. Daraus resultiert ein internationaler Anspruch, der sich in die großen sozialen Bewegungen jener Zeit und in die so genannte „Weltrevolution“ eingliederte und für regionale bauliche Gegebenheiten kein Gespür haben konnte, ja diese als überwunden verstand. Flachdach und weiße Fassade als globaler Stil im Widerspruch zum bodenständigen Bauen.

Das Bauhaus versteht man allerdings kaum ohne Arts and CraftsWerkbund sowie Reformbewegung, die vorausgehend sind und eine Epoche prägen, bei der das Bauhaus höchstens ein Teil der Forstsetzung ist. Allein der Bezug auf diese vorausgehenden Richtungen unterstellt, dass die architektonischen, künstlerischen und baulichen Bewegungen jener Zeit vielfältiger waren, als die Konzentration auf das Bauhaus postuliert. Und so stellt sich selbst das Bauhaus als nuancenreiche Bauschule dar, deren Nuancen oftmals in der Konzentration auf Flachdach und weiße Fassade ohne Ornament nicht ausreichend erfasst werden.

Gegründet wurde das Bauhaus 1919 in Weimar als Kunstschule. Sinn und Zweck war es, das Handwerk gegenüber der Industrie zu behaupten und das künstlerische Moment im Bauhandwerk hervorzuheben. Ein Gedanke, der – vom Werkbund aus – alles andere als neu war. Und auch bei Weitem nicht konsequent verfolgt wurde, ganz im Gegenteil: Die industrielle und serielle Vorfertigung von Massenprodukten wurde im Bauhaus mehr und mehr als Grundlage für die soziale Revolution verstanden. Das traditionelle Handwerk konnte in dieser Weltordnung wahrlich keine große Rolle mehr spielen.

Im Bauhaus selbst treffen sich jene Vertreter, die einen eher klassischen Zugang zur Form haben und jene Vertreter, die sich eher an der gegenstandslosen Kunst orientieren.

Während Walter Gropius als Direktor des Bauhauses in den Jahren 1919 bis 1928 funktionalistisch und avantgardistisch, aber auch elitär und ästhetizistisch bis dandyidstisch ausgerichtet war und eine „internationale Architektur“ anpeilte, folgte mit Hannes Mayer ab 1928 eine Leitung, die die wissenschaftliche Ausrichtung suchte, grundsätzlich allerdings ein „neues Bauen“ für einen „neuen Menschen“ im Sinne einer sozialistischen Gesellschaftsordnung im Sinn hatte.

Ludwig Mies van der Rohe erachtete das Bauen ab 1930 als Direktor nüchterner. Seine Führung war unpolitisch und politisch ausgleichend. Reine Zweckerfüllung, Typisierung und Normung seien nicht alles beim Bauen, so Mies. Stattdessen ging es Mies um die Beziehungen zwischen „Material, Raum, Geistigkeit, Tradition und Technik“. War für Hannes Meyer der wissenschaftliche Zweck des zu Bauenden das Endziel der Planung, so plädierte Mies van der Rohe dafür, dass nach der erfolgten Zweckoptimierung die gestalterische Qualität, sowie die ästhetische Erfahrung das Bauwerk auf eine höhere Stufe heben würden.

Als das Bauhaus im nationalsozialistischen Deutschland in die Vereinigten Staaten emigrieren musste – obwohl sich verschiedene Vertreter, etwa Mies van der Rohe, durchaus um Bauaufträge bemühten – gelang der definitive Durchbruch. Insbesondere im Rahmen des kapitalistischen Aufbruchs der USA mit dem Symbol Wolkenkratzer sollte die Bauhaus-Moderne – obwohl anfangs sozialreformatorisch ausgerichtet – das bestimmende stilistische Maß sein und zum „International Style“ avancieren, auch und vor allem, was die Inneneinrichtung betrifft. Massenanfertigung und serielle Produktion trifft Kapitalismus.

Und was hat es letztlich mit dem so genannten „Funktionalismus“ auf sich? Die „Funktion“ war eigentlich eher ein intellektueller Vorwand. Sehr wohl war es Intention der verschiedenartigen Bewegungen jener Zeit, das Bauen insgesamt zu versachlichen. Im Endeffekt erzielte die Avantgarde allerdings keine Versachlichung, sondern durch Anlehnung an die gegenstandslose Kunst das exakte Gegenteil.

Der Design-Professor Bernhard Bürdek meint: „Dieser Ansatz wurde durch einen sehr engen Funktionsbegriff realisiert: Gemeint war immer nur praktische oder technische Funktion (Handhabung, Ergonomie, Konstruktion, Fertigung). Die Dimensionen der zeichenhaften oder produktsprachlichen Funktionen waren weitgehend tabu“. Dort ging es eher um Formalismus. An und für sich ist ein nicht-flaches Dach die funktionellste Konstruktion, die es gibt. Im Sinne einer intellektuellen „Funktion“ und künstlerischer Selbstverwirklichung musste dieses Symbol allerdings weichen.

Was bleibt zu 102 Jahren Bauhaus zu sagen? Dem Bauhaus verdanken wir eine radikale Versachlichung des Bauens. Das Wesen wurde wieder mehr gegenüber der äußeren Fassade in den Mittelpunkt gerückt; wenngleich diese Intention nicht alleine dem Bauhaus zuzuschreiben ist. Zudem gingen die Bauhaus-Vertreter technische Innovationen ein. Summa summarum verdanken wir dem Bauhaus einen veränderten Zugang zum Bauen, aber auch einen mangelnden Rückgriff auf das regional und lokal Tradierte. Im Sinne des International style sollte jeder regionale Bezug verschwinden. Ein Manko, das es heute auszugleichen gilt.

Literatur:

[1] Gerd de Bruyn: „Theorie der modernen Architektur: Programmatische Texte“, skript Verlag, Neuss 2017

[2] Bernhard E. Bürdek: „Design – Geschichte, Theorie und Praxis der Produktgestaltung“, DuMont Verlag, Köln 1991

Weiterführende Artikel:

Le Corbusier und die Ingenieure

Persönlichkeiten: Mies van der Rohe

Was Baukultur ist

Design Thinking: Auf Kreatvität und auf den Endnutzer kommt es an

17 Antworten zu „102 Jahre Bauhaus”.

  1. Avatar von Wiener Moderne | 1 – Demanega

    […] Bauen wird vielfach nur mit dem Bauhaus assoziiert. Diese Assoziation ist verkürzend und verzerrend. Auch und vor allem, weil das […]

    Like

  2. Avatar von Wiener Moderne | 3 – Demanega

    […] entstanden gerade aus dem Werkbund heraus die Grundlagen für die explizite bauliche Moderne im Bauhaus, wenngleich die Moderne längst geboren […]

    Like

  3. Avatar von Sozialistische Architektur als gebaute revolutionäre Praxis – Demanega

    […] 102 Jahre Bauhaus […]

    Like

  4. Avatar von Faschistisches Bauen (in Südtirol) – Demanega

    […] europäischen Moderne zeigt, aber auch deutliche Unterschiede bemerkbar macht. Mitunter sind es das Bauhaus und Le Corbusier, die prägend wirken. Es ist der mathematisch-geometrische Rationalismus, der bei […]

    Like

  5. Avatar von Fritz Leonhardt: Innovation und Ästhetik des Tragwerks – Demanega

    […] Fritz Leonhardt kultivierte in Stuttgart eine besonders innovative Schule des Ingenieurwesens. Man muss dazu auch wissen, dass die so genannte „Stuttgarter Schule“ der Architektur ein konservatives Pendent zur avantgardistischen Bauhaus-Bewegung war. Die Formen und die ästhetischen Ideen waren zwar an die Tradition angelehnt, die Technologien waren aber weitaus innovativer als jene des Bauhaus, meint Gerd de Bruyn. […]

    Like

  6. Avatar von Holzbau traditionell und modern – Demanega

    […] wie Beton und Stahl und Glas keinen leichten Stand, im Gegenteil. Gerade durch die bauliche Moderne bedingt, war der tradierte Holzbau ohnehin verpönt. Dafür sorgten die Größen der modernen […]

    Like

  7. Avatar von Lois Welzenbacher und das moderne, traditionelle Bauen in den Alpen – Demanega

    […] das sich von der sowjetischen Avantgarde beeinflussen ließ und nicht mehr unpolitisch sein wollte. Bauhaus und Stuttgarter Schule entwickelten sich in der Folge zu politischen und ästhetischen […]

    Like

  8. Avatar von Gion Caminada und das elementare Bauen, Wohnen und Leben – Demanega

    […] Differenz zu einem heutigen modernen Bauen, das sich in explizitem Bezug zur Bauhaus-Moderne bewusst vom Ort abkapselt und überall weltweit die gleichen weißen Kuben zu bauen versucht, […]

    Like

  9. Avatar von Capri, ein Platz an der Sonne und die Leichtigkeit des Seins – Demanega

    […] Moderne zeigt, aber auch deutliche Unterschiede bemerkbar macht. Mitunter sind es das Bauhaus und Le Corbusier, die prägend wirken. Es ist der mathematisch-geometrische […]

    Like

  10. Avatar von Postmodernes Bauen: Teil 1 von 4 – Strukturalismus – Demanega

    […] 102 Jahre Bauhaus Sozialistische Architektur als gebaute revolutionäre Praxis Traditionell und modern: Die „andere“ Moderne der Stuttgarter Schule Wiener Moderne | 1 Faschistisches Bauen (in Südtirol) […]

    Like

  11. Avatar von Postmodernes Bauen: Teil 2 von 4 – Dekonstruktivismus – Demanega

    […] 102 Jahre Bauhaus Sozialistische Architektur als gebaute revolutionäre Praxis Traditionell und modern: Die „andere“ Moderne der Stuttgarter Schule Wiener Moderne | 1 Faschistisches Bauen (in Südtirol) […]

    Like

  12. Avatar von Postmodernes Bauen: Teil 3 von 4 – Minimalismus – Demanega

    […] 102 Jahre Bauhaus Sozialistische Architektur als gebaute revolutionäre Praxis Traditionell und modern: Die „andere“ Moderne der Stuttgarter Schule Wiener Moderne | 1 Faschistisches Bauen (in Südtirol) […]

    Like

  13. Avatar von Postmodernes Bauen: Teil 4 von 4 – Post-Post-Moderne – Demanega

    […] 102 Jahre Bauhaus Sozialistische Architektur als gebaute revolutionäre Praxis Traditionell und modern: Die „andere“ Moderne der Stuttgarter Schule Wiener Moderne | 1 Faschistisches Bauen (in Südtirol) […]

    Like

  14. Avatar von Wiener Baukultur: Kernsaniert, modern, ästhetisch und zunehmend grün – Demanega

    […] aber auch grundsätzlicher Rationalisierungs-Zwänge sowie der ästhetischen Programme, die das Bauhaus postuliert -, die Formensprache der gegenstandslosen Moderne frühsowjetischer Prägung. Mit der […]

    Like

  15. Avatar von Die Gartenstadt gestern und heute: Lebensreform und grünes Bauen – Demanega

    […] das zeitgemäße Bauen. Die Entkopplung des Bauens vom Leben selbst führt zu einer anhaltenden Entfremdung, die mit Blick auf zahlreiche Großstädte zum Problem wird. Nein, der Mensch ist kein technisches […]

    Like

  16. Avatar von Flachdächer dauerhaft bauen: Grün und ästhetisch – Demanega

    […] sind vielfach baukulturell umstritten. Zu recht. Das Bauhaus führte einen rein ästhetischen Kampf für das Flachdach und gegen jene geneigten Dächer, die […]

    Like

  17. Avatar von Industriebau: Zwischen Bauwerk und Maschine – Demanega

    […] der architektonischen Moderne gilt und dabei gleichermaßen den traditionellen als auch den avantgardistischen Flügel der baulichen Moderne […]

    Like

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..