Wiener Moderne | 1

Die Anfänge: Von Otto Wagner zu Adolf Loos

Modernes Bauen wird vielfach nur mit dem Bauhaus assoziiert. Diese Assoziation ist verkürzend und verzerrend. Auch und vor allem, weil das „Bauhaus“ eine äußerst einseitige Angelegenheit war, die die Vielfalt und Komplexität des Bauens zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht abbilden kann. Weiße Kuben ohne Bezug zur Umgebung mögen für einen Teil des modernen Bauens prägend gewesen sein, nur nicht für die gesamte Moderne.

Abseits vom Bauhaus nahm die so genannte „Wiener Moderne“ die modernen Bezüge im Bauen vorweg. Manche mögen zu Recht behaupten, dass die „Wiener Moderne“ die bessere Moderne war, wenngleich die Geschichtsschreibung sich heute vorwiegend auf Bauhaus, Avantgarde und sonstige Bewegungen konzentriert, denen ein Mangel immanent ist: Der Bezug zur Umgebung, zur Tradition, zu den Lebenswirklichkeiten, zu den Menschen, die nicht nur „Konsumenten“ im Sinne eines Industriedesign sind.

Der Wiener Stadtbaumeister Otto Wagner personifiziert gewissermaßen die veränderten Anforderungen an das Bauen im beginnenden 20. Jahrhundert. Ursprünglich im Historismus beheimatet, schwenkt Wagner auf den Jugendstil um und prägt in der Folge die Wiener Moderne nicht nur ästhetisch, sondern besonders auch technologisch – und das bis heute hin.

Otto Wagner machte Wien zur modernen Weltstadt. Die Kopfbahnhöfe dienten dem österreichischen Kaiserreich zur schnellen Mobilisierung der Truppen in alle nur denkbaren Richtungen hin. Es ist hier dem Tiroler Alois von Negrelli zu verdanken, dass die Eisenbahninfrastruktur sich in Österreich durchsetzte. Diese Kopfbahnhöfe mussten in Wien verbunden werden. Hier kommt die Genieleistung Otto Wagners durch die Hochbahn zum Tragen. Darüber hinaus war Wien drum und dran, an die anderen europäischen Metropolen heranzurücken, womit die Ringstraßenarchitektur ihr Gesicht erhält.

Abseits vom Infrastrukturbau war Otto Wagner ein Architekt von Rang, der die Moderne in Wien einleitete. Die Postsparkasse, die Kirche am Steinhof, das Schützenhaus am Donaukanal oder das Otto-Wagner-Spital stehen auch heute noch für das Genie Otto Wagners.

Darüber hinaus war Wagner Architekturtheoretiker. Otto Wagner fasst die Forderungen der Wiener Moderne wie folgt zusammen:  „Vorrang des Zwecks, ehrliche Verwendung moderner Materialien, antihistorische Formensprache“ [1]. Die Verwendung moderner Materialien sollte sich auch in einem veränderten Stil niederschlagen. Insbesondere die Verwendung von Stahl ermöglichte mehr Flexibilität sowie Transparenz in der Fassendengestaltung. Wagner befürwortete einen so genannten „Nutzstil“, der sich aus den Anforderungen von Funktion und Konstruktion in Form einer Sachlichkeit ergeben würde.

Die Monumentalität, die diese Gebäude erzeugen, wird besonders über Materialität und die Abkehr kleinstrukturierter Ornamentik erzielt. Stattdessen werden die Formen plakativ und plastisch, die Fassaden sind flächig.

„Wagners Werk umfasst den Abschluss einer Epoche, die Vollendung und Zusammenfassung der Ringstraßenzeit und den Anfang einer neuen Zeit. In der Kombination von Elementen aus beiden Epochen entstanden Architekturen, die die Tradition nie negierten, gleichzeitig aber »den Fortschritt, die Zukunftsperspektive repräsentierten und den Architekten zu einem Vorläufer von Konstruktivismus und Funktionalismus machten.«“ schreibt Arne Ehmann [2].

Abseits vom Bauhaus: Tradition und Fortschritt sind möglich, vielleicht auch notwendig.

Adolf Loos distanzierte sich wohl am radikalsten von der bisherigen Formensprache. Loos war zweitweise Mitglied der Burschenschaft Cheruscia Dresden. Das Ornament sollte bei Adolf Loos gänzlich verschwinden, die Form auf elementare und zeitlose Grundformen reduziert werden, dabei edelste Materialien eingesetzt werden. Das „Looshaus“ am Michaelerplatz in Wien ist in Skelettbauweise gebaut und im unteren Bereich mit Marmor ausgekleidet. Der Marmor, das Material, übernimmt die Dekoration.

Parallel dazu muss man vielleicht auch den Blick in die Vereinigten Staaten wagen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden in den USA erstmals Hochhäuser. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang die „Chicagoer Schule“. Der Modernismus bestand in der Hinwendung zum Stahlskelettbau. Das Leichtmateriel Stahl ermöglichte äußerst schlanke Strukturen. Zwischen Stahlstützen und Stahlträgern war nun aber andererseits auch Raum übrig, der für Glasflächen nutzbar wurde. Damit änderte sich die Erscheinung der Gebäude entscheidend.

Adolf Loos besuchte die Vereinigten Staaten und auch Chicago und ließ sich durch das, was er dort vorfand, nachhaltig begeistern.

Die Loos-Häuser in Wien charakterisieren sich nicht durch die Ornamentik, die weitgehend fehlt, sondern vielleicht eher durch die eingesetzten Materialien und eine entsprechende Monumentalität, die durchaus dem Anspruch des Gebäudes entspricht. Die „American Bar“ oder Loos-Bar in Wien signalisiert vor allem eines: Dass Adolf Loos ein Dandy war. Und dass man dann, wenn man klassisch baut, zeitlos baut und das Gebaute in die Ewigkeit reicht.

Teil 2 von 3: Die Gründung der „Wiener Werkstätte“… demnächst!

Literatur:

[1] Heidrun Prodinger: „Die Wiener Moderne- Ornament und Experiment“, Diplomarbeit an der Universität Graz, Graz 2014

[2] Arne Ehmann: „Traditionalismus um 1910 in ausgewählten Beispielen – Betrachtungen zur Ästhetik, Typologie und Baugeschichte traditionalistischen Bauens“, Dissertation an der Universität Hamburg, Hamburg 2005

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