Persönlichkeiten: Mies van der Rohe

„Baukunst ist nicht Gegenstand geistreicher Spekulation, sie ist in Wahrheit nur als Lebensvorgang zu begreifen, sie ist Ausdruck dafür, wie sich der Mensch gegenüber der Umwelt behauptet und wie er sie zu meistern versucht“ (Mies) [1].

Über Mies van der Rohe weiß man, dass er – wie auch andere Größen der Architektur – ansatzweise auch in Südtirol gewirkt hat. Dies alleine ist allerdings eher eine Randnotiz in der schillernden Vita dieser herausragenden Persönlichkeit der Architekturgeschichte. Dass Mies zu den Größen der Architekturgeschichte zählt, ist unbestritten. Die Auseinandersetzung mit der Persönlichkeit Mies van der Rohe zahlt sich aber in allen Fällen aus und verändert den Blick auf das zeitgenössische und moderne Bauen grundlegend. Auch und vor allem aus Bauingenieur-Sicht.

Selbstverständlich kann man zum Bauhaus, in dessen Rahmen Mies als Direktor wirkte, stehen, wie man will. Unbestritten ist das Wirken des Bauhauses auf das Bauen, das die Art und Weise, wie wir heute bauen, wesentlich verändert hat. Wenngleich der Ansatz vielfach einseitig und ideologisch war und die Weichenstellungen nicht alleine durch das Bauhaus gestellt wurden. Die Bewertung ist letztlich eine ästhetische und subjektive.

Im Bauhaus vereint sich die deutsche Avantgarde des 20. Jahrhunderts mit teils sozialreformatorischen Zügen, die in Richtung sozialistischer Gesellschaftsordnung zeigen. Das Bauhaus versteht man allerdings nicht ohne den Werkbund sowie die Reformbewegung, die vorausgehend sind. Allein der Bezug auf diese beiden Richtungen unterstellt, dass die architektonischen, künstlerischen und baulichen Bewegungen jener Zeit vielfältiger waren, als die Konzentration auf das Bauhaus postuliert. Und so stellt sich selbst das Bauhaus als nuancenreiche Bauschule dar, deren Nuancen oftmals in der Konzentration auf Flachdach und weiße Fassade ohne Ornament nicht ausreichend erfasst werden.

Während Walter Gropius als Direktor des Bauhauses in den Jahren 1919 bis 1928 funktionalistisch und avantgardistisch, aber auch elitär und ästhetizistisch bis dandyidstisch ausgerichtet war und eine „internationale Architektur“ anpeilte, folgte mit Hannes Mayer ab 1928 eine Leitung, die die wissenschaftliche Ausrichtung suchte, grundsätzlich allerdings ein „neues Bauen“ für einen „neuen Menschen“ im Sinne einer sozialistischen Gesellschaftsordnung im Sinn hatte.

Ludwig Mies van der Rohe erachtete das Bauen ab 1930 als Direktor nüchterner. Seine Führung war unpolitisch und politisch ausgleichend. Reine Zweckerfüllung, Typisierung und Normung seien nicht alles beim Bauen, so Mies. Stattdessen ging es Mies um die Beziehungen zwischen „Material, Raum, Geistigkeit, Tradition und Technik“ [2]. War für Hannes Meyer der wissenschaftliche Zweck des zu Bauenden das Endziel der Planung, so plädierte Mies van der Rohe dafür, dass nach der erfolgten Zweckoptimierung die gestalterische Qualität, sowie die ästhetische Erfahrung das Bauwerk auf eine höhere Stufe heben würden.

Insbesondere der Begriff der Struktur bestand für Mies in der Reduktion des Bauwerkes auf die innere Ordnung der Konstruktion – und hier wird es für den Bauingenieur interessant. „Struktur hat für uns eine geistig-philosophische Bedeutung. Die Struktur ist das Ganze, von oben bis unten, bis zum letzten Detail – beseelt von der gleichen Idee. Das nennen wir Struktur“ [1].

Mies war in letzter Konsequenz an „unbedingter Wahrhaftigkeit und Verzicht auf allen formalen Schwindel“ gelegen. „Zur Struktur, die das Wesen des Baus reflektierte, gesellte bei Mies sich nun die Form als Ausdruck des Willens des Künstlers“ [1].

Geht es nicht um diese Wahrhaftigkeit wenn wir Gebäude konzipieren, die nicht nur Schein sind und hinter denen sich ein verstecktes Sein verbirgt, sondern wo Erscheinung und Konstruktion, etwa beim Fachwerk, bei der Brücke, beim Bundwerk oder beim Gewölbe, eine untrennbare und unverfälschte Einheit bilden? Ist es nicht die reizvollste Form des Bauens, wenn wir keine Verkleidung benötigen, sondern die Ästhetik der Konstruktion erleben?

Charakteristisch wirkt in der Vita von Mies die Neue Nationalgalerie in Berlin. Das Bauwerk ist reine Konstruktion, ästhetisch in Form gebracht. Es handelt sich um eine Stahlkonstruktion mit einem quadratischen Grundriss von je 64,8 Metern Seitenlänge, die die Lasten zweiachsig über ein Deckengitter oder eine orthotrope Platte abträgt und auf nur 8 Stützen gründet. Statische Optimierung war Programm.

Die Konstruktion wirkt schwebend, schlicht, zeitlos und klassisch – und die Verbindung zu den Größen der deutschen Bautradition und deren Annäherung an den Industriebau mit einem klassischen Ansatz – Karl Friedrich Schinkel und Gottfried Semper sind dabei die hellsten Sterne – klingt durch.

Der Architekt David Chipperfield hat die Nationalgalerie für 2021 neu saniert und in Glanz gebracht, die heute wieder präghtig glänzt.

Mies van der Rohe selbst avancierte nach seiner politisch bedingten Emigration in die Vereinigten Staaten (wenngleich er sich selbst im Dritten Reich um Bauaufträge bemüht hatte) endgültig zum Star-Architekten von Weltrang und prägte den „International Style“.

Literatur:

[1] Zimmermann, Claire: „Mies van der Rohe“, Taschen-Verlag, Köln 2006

[2] Droste, Magdalena: „Bauhaus 1919 – 1933“, Taschen Verlag, Köln 2019

Bild: Bild von Hartwig Dobbertin auf Pixabay

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