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Erkenne die Lage! Praktische Bodenbestimmung

Selbst als Bauingenieur, vielleicht auch als Geologe, ist es alles andere als einfach, einen bindigen Boden klar im Feld zu erkennen, ohne über praktische Erfahrung oder praktische Kennwerte zu verfügen.

Die Theorie zur Bodenmechanik klassifiziert die Böden zwar eindeutig nach ihrer Korngrößenverteilung und leitet die mechanischen Kenngrößen von dieser Klassifizierung ab. Abseits von Laborversuchen ist es allerdings um einiges schwieriger, Böden eindeutig zu klassifizieren.

Selbst als Bauingenieur, vielleicht auch als Geologe, ist es alles andere als einfach, einen bindigen Boden klar im Feld zu erkennen, ohne über praktische Erfahrung oder praktische Kennwerte zu verfügen. Die Klassifizierung ist allerdings wesentlich, hängen von ihr nicht nur die mechanischen Parameter wie Reibungswinkel und Kohäsion ab, in der Folge Belastbarkeit und Stabilität ab, sondern ebenso das Verhalten des Bodens in Kontakt mit Wasser. Vielfach besteht darüber hinaus keine Möglichkeit, Laborversuche zu unternehmen, weil schnelle Entscheidungen notwendig werden.

Grundsätzlich ist zwischen Festgestein und Lockergestein zu unterscheiden. Ersteres bezeichnet den Felsen, letzteres das, was wir gemeinhin als „Boden“ bezeichnen.

Das Lockergestein ist sodann weiter zu unterscheiden: „Böden, deren einzelne Körner mit bloßem Auge erkennbar sind (Sande, Kiese, Schotter usw.), werden „grobkörnig“ und vereinfachend „nichtbindig“ oder „rollig“ genannt (…) Böden, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sich ihre einzelnen Körner nicht mehr mit bloßem Auge erkennen lassen (Tone, Schluffe usw.), werden als „feinkörnig“ und, bei Korngrößen der Böden von unter 0,02 mm, vereinfachend als „bindig“ oder „kohäsiv“ bezeichnet“ [1].

Böden werden je nach Korngröße eingeteilt in:

  • Sehr grobkörnige Böden, dazu gehören Blöcke (>200 mm Korngröße) und Steine (63 – 200 mm).
  • Grobkörnige Böden, dazu zählen Kiese (2 – 63 mm) und Sande (0,063 – 2 mm).
  • Gemischtkörnige Böden, dazu gehören Kies-Schluff, Kies-Ton, Sand-Schluff und Sand-Ton. Bei gemischtkörnigen Böden kann das Verhalten des Bodens je nach Masseanteil bindig oder nichtbindig sein.
  • Feinkörnige Böden, dazu gehören Schluffe (0,002 – 0,063 mm) und Tone (<0,002 mm).
  • und organische Böden, die nicht als Baugrund geeignet sind.

Bei bindigen Böden, welche die geringste Korngröße haben – dazu zählen Tone und Schluff sowie Lehm als Ton-Schluff-Gemisch -, ist die Oberflächenspannung – und nicht die Reibung und Gewichtskraft – die zentrale Größe, die den Boden in Form bringt, weshalb das Wasser diese Anziehungskraft aufhebt und den Boden verflüssigt. Feinkörnige Böden sind als Baugrund problematisch und machen spezielle Anforderungen an den Baugrund erforderlich.

Der Begriff „Ton“ bezeichnet zweierlei Dinge. Einerseits feinkörnige Böden mit einer Korngröße, die geringer als 0,002 mm ist. Andererseits Tonminerale aus Silizium und Sauerstoff, sowie Wasserstoff und meist Magnesium und Aluminium. Nicht immer bestehen Tone aus Tonmineralien. „Lehm“ bezeichnet hingegen ein Bodengemisch aus Sand, Schluff und Ton, welches aus Verwitterung oder Ablagerung entsteht und „schleimig“ ist. Lehm ist sowohl ungebrannt als auch in Ziegelform als Baumaterial verwendbar.

Trockenfestigkeitsversuch

Der Versuch besteht im Erkennen des Widerstandes, den eine getrocknete Bodenprobe zwischen den Fingern entwickelt. Zerfällt die Bodenprobe ohne oder bei geringstem Widerstand, verfügt der Boden über keine Trockenfestigkeit, und es handelt sich um Kies, Sand oder Kies – sandig. Zerfällt der Boden hingegen erst bei leichtem bis mäßigem Fingerdruck, verfügt der Boden über geringe Trockenfestigkeit, handelt es sich um Schluff, feinsandigen Schluff – feinsandig, Feinsand – stark schluffig, Kies – stark schluffig. Zerbricht die Bodenprobe bei erheblichem Fingerdruck und es verbleiben noch zusammenhängende Bruchstücke, verfügt der Boden über mittlere Trockenfestigkeit und es handelt sich um Kies – stark tonig, Sand – stark tonig oder Schluff – stark tonig. Ist die Bodenprobe hingegen durch Fingerdruck nicht zerstörbar, besitzt der Boden eine hohe Trockenfestigkeit und es handelt sich um Ton, Ton – schluffig, Ton – sandig, Kies – stark tonig – sandig.

Reibeversuch

Beim Reibeversuch wird eine kleine Probemenge, eventuell unter Wasser, zwischen den Fingern gerieben. Toniger Boden fühlt sich seifig an, klebt an den Fingern, lässt sich auch im trockenen Zustand nicht ohne Abwaschen entfernen. Schluffiger Boden fühlt sich weich und mehlig an, Bodenteile an den Fingern lassen sich durch Fortblasen im trockenen Zustand oder durch Klatschen problemlos entfernen. Sandkörner sind durch bloßes Auge erkennbar und sind über das Rauhigkeitsgefühl feststellbar.

Schneideversuch

Beim Schneideversuch wird eine erdfeuchte Bodenprobe mit einem Messer durchgeschnitten. Eine glänzende Schnittfläche ist charakteristisch für Ton, während eine stumpfe Schnittfläche den Schluff oder tonig, sandigen Schluff mit geringer Plastizität kennzeichnet.

Schüttelversuch

Schluffige Böden sind gegen Schütteln empfindlich. Beim Schüttelversuch wird eine feuchte, nussgroße Probe auf flacher Hand hin- und hergeschüttelt. Ermittelt wird die Geschwindigkeit, mit der das Wasser beim Schütteln verschwindet. Eine schnelle Reaktion charakterisiert Feinsand, Feinsand – schluffig, Schluff – feinsandig und Kies – schluffig. Eine langsame Reaktion kennzeichnet Schluff – tonig, Schluff und Sand – tonig. Keine Reaktion zeigen Ton – schluffig und Ton.

Konsistenzbestimmung und Plastizität bindiger Böden

Bei bindigen Böden sind die Zustandsformen des Bodens und in der Folge die Bodenparameter vom Wassergehalt abhängig. „Konsistenz“ bezeichnet die Beschaffenheit bindiger (feinkörniger) Böden in Abhängigkeit vom Wassergehalt. Daraus lässt sich die Verdichtbarkeit ableiten, während bei nicht-bindigen Böden die Lagerungsdichte die Verdichtbarkeit bezeichnet.

„Breiig“ ist ein bindiger Boden, der beim Pressen durch die Faust quillt. „Weich“ ist ein Boden, der sich kneten lässt. „Steif“ ist ein schwer knetbarer Boden, der in der Hand in 3 mm dicke Walzen ausrollbar ist ohne zu zerreißen oder bröckeln. „Halbfest“ ist ein Boden, der bröckelt und beim Ausrollen in 3 mm dicke Walzen bröckelt, sich aber erneut zum Klumpen formen lässt. „Fest oder hart“ ist ein ausgetrockneter Boden, der meist hell aussieht und sich nicht mehr kneten, sondern nur zerbrechen lässt. Aus der Konsistenzbestimmung lassen sich in der Folge Bodenparameter ableiten.

Beim Knetversuch wird die Plastizität bestimmt. Eine feuchte Bodenprobe wird zu Walzen von ca. 3 mm ausgerollt, daraus werden Klumpen geformt, die erneut zu Walzen ausgerollt werden. Dieser Vorgang wird wiederholt bis sich die Bodenprobe wegen des Wasserverlustes nicht mehr ausrollen und nur noch kneten lässt. Damit ist die Ausrollgrenze des Bodens erreicht, welche den Wassergehalt von halbfestem zu steifem Bereich bezeichnet. Dementsprechend bezeichnet die Fließgrenze den Wassergehalt beim Übergang zwischen flüssiger und breiiger Form und die Schrumpfgrenze den Wassergehalt, bei welchem das Volumen bei Austrocknung nicht mehr abnimmt.

Weiterführende Artikel:

Literatur:

[1] Gerd Möller: „Geotechnik – Bodenmechanik“, Ernst und Sohn Verlag, Hoboken 2013

[2] Karl Josef Witt: „Grundbau-Taschenbuch“, Ernst und Sohn Verlag, Hoboken 2018

Stichworte: Bodenmechanik, Grundbau, Geotechnik, Böschung, Baugrubensicherung, Baugrube

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