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Karl von Terzaghi

Karl von Terzaghi gilt zu Recht als Begründer der modernen Bodenmechanik. Keine wesentlichen Fundierungsprojekte oder Erdarbeiten können heute ohne die von Terzaghi geschaffene Wissenschaft geplant und ausgeführt werden.

Dem Begründer der modernen Bodenmechanik

Karl von Terzaghi gilt zu Recht als Begründer der modernen Bodenmechanik. Heinz Brandl schreibt zum Werk Terzaghis: „Es werden heute keine wesentlichen Fundierungsprojekte oder Erdarbeiten ohne die von ihm geschaffene Wissenschaft geplant und ausgeführt“, womit das Lebenswerk mehr als deutlich auf den Punkt gebracht wird.

Die Anfänge

Allem Anfang wohnt ein Zauber inne. Geniale Ingenieure treibt in den meisten Fällen nicht so sehr ein mathematisch-physikalisches Interesse an, sondern die Freude an der materiellen Wirklichkeit. Die Zahlen sind dann eher Beiwerk und Mittel zum Zweck. Bei Fritz Leonhardt war es die ausgesprochene Liebe zur Natur. Bei Pier Luigi Nervi die Liebe zur formalen Stringenz der klassischen Antike. Bei Karl von Terzaghi war es hingegen die Polarforschung. Aus der Faszination wird ein tiefergehendes Interesse, eine Leidenschaft und ein Lebenswerk.

Karl von Terzaghi wurde 1883 in eine Offiziersfamilie in Prag geboren. Noch bis 1860 war Prag eine mehrheitlich deutsche Stadt. Terzaghi studierte sodann an der Technischen Hochschule Graz Maschinenbau, Geologie, Philosophie und Astronomie und war Mitglied des Corps Vandalia Graz, wovon mehrere Schmisse zeugen.

Die Genialität einer Persönlichkeit formt sich nicht in reiner akademischer Pflichterfüllung. Es sind gerade die Bummeljahre, die disziplinübergreifend den Blick auf die Welt richten und die Schönheit der Dinge abseits von fachlicher Einseitigkeit und mitunter auch Kleinlichkeit erst begreiflich machen. Es kommt nicht von ungefähr, dass Terzaghi um ein Haar wegen akademischer Nachlässigkeit von der Technischen Hochschule Graz geflogen wäre.

Nach Abschluss der Hochschule trat Terzaghi in das Bauunternehmen Pittel ein und wurde Projektingenieur. Nach 3-jähriger Tätigkeit war Terzaghi in Russland und Kroatien an Bauwerken beschäftigt, befasste sich in diesem Zuge tiefgehend mit der Geologie und den Grundwasserformen. 1910 verfasste er in Graz seine Dissertation und war 1911 erstmals in den Vereinigten Staaten, bevor er im Ersten Weltkrieg gemeinsam mit den namhaften Größen der Strömungsmechanik in der Luftwaffe diente.

Die moderne Bodenmechanik

Als Terzaghis Lehrer, Philipp Forchheimer, der ein angesagter Ingenieur im Wasserbau war, Terzaghi 1916 nach Istanbul lockte, folgte dieser dem Ruf. Terzaghi wurde dort Professor für Grundbau-, Straßen- und Eisenbahnbau und fasste erstmals den Entschluss, eine Festigkeitslehre für Böden zu entwickeln. Bis dato glaubten die namhaften Größen im Grundbau daran, dass die Problemstellungen der Geotechnik nur durch Erfahrung und nicht durch mechanische Modelle zu lösen wären. Terzaghi war dezidiert anderer Meinung. Allerdings verlor Terzaghi als Angehöriger einer besiegten Nation den Lehrauftrag und nahm in der Folge in Istanbul eine Stelle am amerikanischen Robert College an.

In Sinne seiner Intention, eine Festigkeitslehre für Böden zu entwickeln, baute Terzaghi ein Erdbaulaboratorium in Istanbul auf und befasster sich mit der inneren Erosion von Dämmen auf Sanduntergrund sowie mit der Zeitsetzung von Bauwerken auf Ton. Dabei entdeckte Terzaghi den Mechanismus der Konsolidierung von Tonen, welche er sodann in dem 1925 erschienen Werk „Erdbaumechanik auf bodenphysikalischer Grundlage“ veröffentlichte. Mit Konsolidierung ist grundsätzlich die zeitlich verzögerte Zusammendrückung von Böden bezeichnet, welche bei feinkörnigen Böden wie Tönen, durch den Wasserhaushalt charakterisiert ist.

Im Jahre 1925 erhielt Terzaghi eine Gastprofessur am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge. Terzaghi wirkte folglich bei zahlreichen Großbaustellen als Konsulent mit. Das Wirken Terzaghis war mehr als umstritten. Durch den revolutionären Ansatz stellte er die Etablierten in den Schatten. Jede Veränderung ruft erst einmal Widerstände hervor, weil mit jeder etablierten Ordnung vor allem auch Machtpositionen zusammen hängen. Indem Terzaghi bei fast allen Großprojekten in Nordamerika als Berater wirkte, konnte die bodenmechanische Theorie effizient und rasch in der Baupraxis erprobt werden.

Im Werk „Theoretische Bodenmechanik“ schreibt Terzaghi [4]:

Die elastischen Größen der Baustoffe Stahl oder Stahlbeton sind nur wenig veränderlich, und die Gesetze der angewandten Mechanik können für die praktische Anwendung ohne Einschränkung übertragen werden. Demgegenüber stellen die theoretischen Untersuchungen in der Bodenmechanik nur Arbeitshypothesen dar, weil unsere Kenntnisse über die mittleren physikalischen Eigenschaften des Untergrundes und über den Verlauf der einzelnen Schichtgrenzen stets unvollkommen und sogar oft äußerst unzulänglich sind. Vom praktischen Standpunkt aus gesehen, sind die in der Bodenmechanik entwickelten Arbeitshypothesen jedoch ebenso anwendbar wie die theoretische Festigkeitslehre auf andere Zweige des Bauingenieurwesens.

Der Star-Ingenieur

Karl von Terzaghi, Bildmitte, mit Ehefrau und Mitarbeitern in Wien 1933

Durch die Berufung Terzaghis an die Technische Hochschule Wien im Jahre 1929 konnte dieser sich akademisch verwirklichen. Das Erdbaulaboratorium in Wien sowie die Vorlesungen wurden international wahrgenommen, sodass Wien „zum geistigen Mittelpunkt aller an der Bodenmechanik interessierten Kreise in der ganzen Welt wurde“ [1] und Anhänger aus aller Welt anlockte.

Terzaghi etablierte bodenmechanische Methoden wie den Triaxialversuch, befasste sich mit den elastischen Eigenschaften von Sanden und Tonen und mit den Setzungen auf Ton-Böden. Terzaghis Grundsatz war es, auf möglichst einfache Apparatur zurück zu greifen, weil die Komplexität von den eigentlichen Gesetzmäßigkeiten ablenke. Ein früher Wink in Richtung heutiger dreidimensionaler, digitalisierter Berechnungsmethoden.

Terzaghi wirkte als Berater in Europa, Afrika, Nordamerika und Zentralasien und war Gastprofessor in Berlin-Charlottenburg und in Massachusetts. An der Technischen Hochschule Berlin sollte der Bauingenieur Fritz Todt, der im Dritten Reich Generalinspektor für das Straßenwesen war, Terzaghi vergebens für eine Professur in Deutschland anwerben.

Terzaghi unterstrich bereits damals, dass das Problem in der Geotechnik längst nicht mehr in den unzureichenden Berechnungsmethoden liege, sondern in der „Wirkung der geologischen Einzelheiten, die der Beobachtung unvermeidlicher Weise entgehen“ und längst wesentlicher seien als die Genauigkeit der Berechnung [1]. Auch darin mag man einen Wink in Richtung moderner Berechnungsmethoden erkennen, die zwar mathematisch „richtig“ sind, wo allerdings jedes Resultat von der Qualität der Eingangsparameter abhängt. In Wien folgten zahlreiche Veröffentlichungen.

Terzaghis Widersacher reagierten mit heftiger Kritik auf die neuen Ansätze in der Bodenmechanik sowie auf die Berechnung von wesentlichen mechanischen Bodeneigenschaften auf der Grundlage von Laborwerten. Dass es möglich sei, die zulässige Baugrundbelastung abseits der reinen Erfahrung durch Parameter vorherzusagen, wurde mit totaler Ablehnung konterkariert. Eine „gute Baumwurzel“ sei in der Lage mehr zu erreichen, als jeder im Labor bestimmte Scher- und Reibungskoeffizient, so die Kritiker.

Amerika

1938 sollte Terzaghi aus privaten und nicht aus politischen Gründen, wie die Biographen unterstreichen, in die Vereinigten Staaten übersiedeln. Terzaghis Frau war Amerikanerin. Hinzu kommen wohl auch karrieretechnische Überlegungen. Ab 1939 war Terzaghi in Harvard als Professor für Bodenmechanik beschäftigt und schuf zahlreiche Veröffentlichungen und Standardwerke von internationalem Renommee. Terzaghi befasste sich mit Erddämmen, Staudämmen, Rutschungen, Fundierungen, Brücken, Industriebauten, Wasserbauten, Flughäfen, Stollen- und Tunnelbauten und U-Bahnen. Für sein Wirken zur Begründung der Bodenmechanik erhielt Terzaghi höchste Ehrungen.

Heinz Brandl schreibt zum Lebenswerk: „Die Anwendung der Theorie ohne Naturbeobachtung und ohne gleichwertige praktische Erfahrung verurteilte er und war diesbezüglich ein ständiges Vorbild: So wie er sich nächtelang in theoretischen Problemen vertiefen konnte, war er gleichermaßen häufig auf Baustellen und scheute bis ins hohe Alter keine körperliche Anstrengung“ [1].

Und weiter: „Als Begründer eines neuen Zweiges der technischen Wissenschaften bemühte er sich stets um die entsprechende Ausbildung des Nachwuchses und die Schulung junger Ingenieure, die er mit seiner beruflichen Begeisterung mitriss. Seine Vorlesungen, Vorträge und Diskussionen waren meist mit erfrischendem Humor gewürzt, der auch in beißenden Witz übergehen konnte. Neben seiner Sprachgewandtheit zeichnete ihn auch ein schriftstellerisches sowie graphisches Talent aus und ein Allgemeininteresse, wie es nur die Großen besitzen. Bereits zu Lebzeiten stellte Terzaghi eine derartige Kapazität dar, dass ihn schon damals viele als den größten Bauingenieur dieses Jahrhunderts bezeichneten„.

Weiterführende Artikel:

Alois von Negrelli: Verkehrsplaner und Eisenbahnpionier von europäischem Format

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In den Salons dieser Welt: Ästhetizismus und Dandytum

Literatur:

[1] Heinz Brandl: „100 Jahre Karl v. Terzaghi“, Mitteilungen für Grundbau, Bodenmechanik und Felsbau, Technische Universität Wien, Heft 2 1983

[2] Heinz Brandl: „Die Geschichte des Instituts für Grundbau und Bodenmechanik der Technischen Universität Wien“, Mitteilungen für Grundbau, Bodenmechanik und Felsbau, Technische Universität Wien, Heft 2 1983

[3] Heinz Brandl: „Vom Grundbau zur Bodenmechanik – von der Bodenmechanik zur Geotechnik“, Tagungsband zur 2. Deutschen Bodenmechanik Tagung Bochum, Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

[4] Karl von Terzaghi: „Theoretische Bodenmechanik“, Springer Verlag, Berlin / Göttingen / Heidelberg 1954

Bildnachweis: Wikipedia, gemeinfrei (Schutzfrist abgelaufen)

Stichworte: Geomechanik, Bodenmechanik, Geotechnik, Grundbau, Felsbau, Felsmechanik, Baugrund, Ingenieurgeologie, Ingenieurgeologe, Boden, Baugeologie, Bodenerkundung, Felsuntergrund, Geologie

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