Der Landschaftsgarten und die historische Gartenbaukunst

Das ökologische Bauen, das Werkstoffe aus der Natur entnimmt, sich selbst allerdings auch als Teil dieser Natur versteht, verlangt nach einem tieferreichenden Verständnis für die Natur und die kultivierte Natur, wie sie sich nicht nur in der Forstwirtschaft, sondern auch in der Gartenbaukunst äußern.

Gärten sind gestalterische Elemente, weil sie den Raum gliedern. Dem Übergangs- und Schwellenbereich vom Haus ins Freie kommt ein immens großer Stellenwert bei der Beurteilung von Lebensqualität bei. Dieses Zwischendasein kommt auch dem Grün bei, das wir uns in Form von Pflanzen, Sträuchern, Kränzen oder dem sonntäglichen Blumenstrauß ins Haus holen. Wir stellen unseren Wohnraum damit in den Dialog zum Natürlichen.

In der antiken Architektur waren es das Peristyl oder das Atrium, die den Außenbereich in das Hausinnere integrierte. Die Römer legten ihre Gärten im Atrium an, womit die kultivierte Natur direkt zugänglich war. Die Benediktiner befassten sich im Mittelalter mit der Verbreitung von Pflanzen und Samen in Europa. Heilkräuter, Gemüsearten und veredelte Obstarten finden ihre Verbreitung. Gärten werden strukturiert angelegt.

Vom reinen Bauerngarten, der uns mit der Natur verbindet und die Natur gewinnbringend in unseren Alltag holt, ist es ein bestimmter Schritt zu den Ziergärten, die in allen Fällen eine menschliche Natur ausdrücken. Natur wird nachgeahmt und geformt. Gärten dienen sowohl der Bewirtschaftung, haben aber vor allem auch eine ästhetische Komponente, die jene Gärten umfasst, die zur Zier und Erholung da sind.

In der Renaissance wurde aus der Gartenbaukunst eine architektonische Formgebung. Die Römer bauten bereits Lustgärten an. In der Renaissance sollte auch im Gartenbau an die Antike angeknüpft werden. Es vollzieht sich so etwas wie eine „dritte Natur“: Der Renaissancegarten entsteht „in Abgrenzung zu einer ersten „unberührten“ und bearbeiteten zweiten“ [1] Natur: „Das Konzept einer dritten Natur meint die Kreation eines dritten Zustandes, eine Art Kunst-Natur oder Natur-Kunst“. Demgegenüber waren Barock-Gärten – der Barock war die Stilrichtung des Absolutismus – zentralistischer, repräsentativer, mit öffentlichkeitswirksamer Ausrichtung.

Man muss sich die Raumabfolge in der Renaissance wie folgt vorstellen: Die äußere Fassade symbolisiert Macht und Einfluss. Zwischenräume zwischen außen und innen, nämlich Portale und Arkaden, vereinen Innenraum- und Außenraum. Der Innenhof ist schließlich der private Raum, der in der Renaissance zunehmend an Bedeutung gewinnt. Angeordnet sind im Innenhof antike und mystische Elemente. Noch intimer war der Garten. Nach Carlo Cresti wurde im Garten die „Vereinigung von Natur und Kunst erprobt“ [2].

Die Gärten waren „Orte des Vergnügens“ und der Lust und als solche eigentlich erst durch Aquädukte zu unterhalten. Demgemäß stellt sich der Brunnen symbolisch in das Zentrum: „Die Brunnen als Ausdruck formaler Virtuosität im Zusammenspiel von Architektur und Skulptur, als stärkender „Lebensquell“, als Sinnbild des Eros, in seinen vielfältigen Erscheinungsformen und seiner die Natur belebenden Wirkung sowie als Symbol der Fruchtbarkeit, wurde zum zentralen Element der Gartengestaltung und markierte die Achsen und Symmetrien der Grünanlagen mit ihren geometrisch verwebten Bändern aus Buchsbaum und Lorbeer“ [2].

Ähnlich beschreibt es Géza Hajós, der in der Gartenkunst die Erprobung einer Vereinigung von Natur und Kultur sieht: „Die Gartenkunst bedeutet nicht nur eine botanische Beschäftigung mit Pflanzen, sondern auch – und vielleicht in erster Linie – eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Naturraum. Allgemeine Philosophie und gesellschaftliche Ordnungsvorstellungen können in den verschiedenen Gartenstilperioden besonders klar erfasst und zum Ausdruck gebracht werden“ [3].

Die Renaissance war mit ihrem Mensch- und Weltbild durch die praktizierte Idealisierung der Antike der Beginn: „Der Renaissancegarten der Humanisten war z.B. ein Wunderkabinett des damaligen Wissens; Früchte und Pflanzen wurden im 16. und beginnenden 17. Jahrhundert in kosmischen Zusammenhängen zur Schau gestellt, um mit ihnen die Weltordnung zu symbolisieren. Sie waren in streng konstituierten Kompartimenten präsentiert, die mittels geometrischer Perspektive zur Integration von Mensch und Natur dienten. Zu dieser Zeit war Nützlichkeit und Dekoration noch ein einheitliches Prinzip, im Blumengarten des Fürsten wurden Heilkräuter in ornamentaler Ordnung gezüchtet, Obstbäume wurden in architektonischer Komposition als Gliederung des Freiraumes gepflanzt. Der Renaissancegarten war überdies politische Schaubühne für die fürstliche Repräsentation, er war aber auch ein Antiquarium humanistischer Geschichtsverehrung. Der Garten war außerdem zu Beginn der Neuzeit zugleich Theater, Museum, Stätte von Vergnügen und Wissbegierde“.

Was in der Renaissance vielleicht noch dezent ist, wird im Barock ins Ausschweifende gesteigert. Damit hängt natürlich auch eine politische Ordnung zusammen, die sich selbst als Maß aller Dinge erachtet. Der gestaltete Naturraum wird theatralisch.

„Der später heftig bekämpfte Barockgarten führte die Ideen der Renaissance fort; in ihm wurden die kosmischen Naturzusammenhänge ins Unendliche verlängert, die beschnittenen Bäume und Hecken sollten die Ordnung der Welt in allegorischer Form noch einheitlicher zum Ausdruck bringen als vorher. Damals war die wilde Natur noch eine Gegnerin der Zivilisation, von der der menschliche Lebensraum mit Mühe und Kampf abgerungen werden musste. Deshalb empfand man die Welt hinter den Gartenmauern als „Unordnung“ oder sogar Bedrohung. Religiöse und hierarchische Vorstellungen, dass der Garten als „paradiesischer“ Raum die verlorengegangene Ordnung präsentieren musste. Mit heutiger Naturauffassung einen Barockgarten zu verstehen, ist gewiss nicht einfach; man darf aber nicht vergessen, dass z.B. die Begrünung der Städte durch Baumalleen zu dieser Zeit begonnen wurde und dass die botanische Wissenschaft auch in einem Barockgarten ihren integrierenden Platz hatte“.

Mit der barocken Repräsentationskunst sollte es im bürgerlich-romantischen 19. Jahrhundert allmählich vorbei sein. In Anlehnung an die romantische Verherrlichung von Natur und Wildnis und dem Versuch, der Verstädterung und Industrialisierung durch die gezielte Anlegung von Stadtparks und Naherholungsgebieten zu begegnen, wurde die Gartenbaukunst völlig anders ausgelegt. Wesentlich war nicht mehr die mystische Selbstdarstellung, wie sie sich im Barock abzeichnet, sondern der Ausgleich zu einer modernen Welt, die immer offensichtlicher Probleme und Defizite zutage brachte. Philosophisch setzt sich ein naturalistischer Zugang durch.

„Im Landschaftsgarten des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts wurde diesen kosmischen Gartenprinzipien erstmals der Krieg erklärt. Mit Shaftesbury und Rousseau wurde zuerst in England, dann auch in Frankreich die Natürlichkeit der Landschaft zum ästhetischen Prinzip der Gärten erhoben. Die geometrische Ordnung der beschnittenen Baumreihen konnte nicht mehr als geeignetes Mittel der Weltentdeckung und Welterfahrung akzeptiert werden, im Gegenteil, sie wurde zum Symbol der Tyrannei und der Unterdrückung der Menschen. Man darf jedoch nicht vergessen, dass die Natürlichkeit der englischen Gärten mit den malerischen Szenerien raffiniert konzipiert wurde. Nichts wurde dem Zufall überlassen. Die früher als unordentlicher Naturraum betretene Landschaft wurde ab diesem Zeitpunkt als „schöne Gegend“ erwandert, und zwischen Garten und Landschaft sollte keine sichtbare Grenze mehr vorhanden sein“.

Die Gestaltung des Gartens als „wilde“ Natur stand in Konkurrenz zur eigentlichen Natur, die grundsätzlich konkurrenzlos ist und nicht im Verdacht steht, „künstlich“ zu sein. Daraus ergibt sich das antagonistische Verhalten, doch wieder auf Ziergärten zurück zu greifen.

„Dieser Wunsch, den Garten als „Landschaftsgarten“ herzurichten, verursachte dann im Verlauf des 19. Jahrhunderts die erste Krise des Gartens, und die „tatsächliche“ und immer mehr erforschte Naturlandschaft rang ihm seine ursprüngliche Bedeutung ab. Deshalb kehrte man um die Jahrhundertwende zum Formalgarten zurück, im Jugendstilzeitalter wollte man im Garten mit der „echten“ Landschaft nicht mehr konkurrieren. Man legte mehr Gewicht auf die Symbolik der Pflanzen, auf die Künstlichkeit der Blumenarrangements. Auch der Garten zur Zwischenkriegszeit blieb ein architektonischer Formalgarten, in dem die ornamentalen Formationen untergeordneten Pflanzen ein strenges Ensemble bildeten“ [3].

Es entwickelte sich der englische Landschaftsgarten: Die zu jener Zeit entstehenden Gebäude stellen eine Vermittlerrolle zwischen Innen und Außen, zwischen Architektur, Garten und Landschaft dar. Stilistisch sollte nichts den Eindruck erwecken, es sei inszeniert, sondern einer zwanglosen und natürlichen Selbstverständlichkeit entsprungen, wofür das britische „Understatement“ steht.

Daraus resultiert die oftmals „wild“ anmutende Anordnung der Pflanzen, die es erlaubt, einen Blumenstrauß zu pflücken, der den Anschein der Zufälligkeit erweckt. Allerdings ist an dieser Anordnung gar nichts zufällig.

Irgendwo steht der englische Landschaftsgarten – ob gewollt oder ungewollt – aber immer im Kontrast zur englischen Natur.

Das an Bedeutung gewinnende Bürgertum schloss an die Lebensweise des englischen Adels auf. Der so genannte „Landhausstil“ entstand aus dem Bewusstsein heraus, sich selbst im einfachen Leben zu verwirklichen, auch und vor allem, was die Freizeitbeschäftigungen, nämlich „Hunting“, „Shooting“ und „Fishing“, betraf. Darin nahm das Bürgertum seine Anleihen vom Adel, der die Vorrechte am Land ursprünglich beanspruchte.

Zwischen dem Haus und dem Garten gibt es noch viele Stufen und Übergänge. Ihre gekonnte Anordnung macht die eigentliche Lebensqualität aus. Als Menschen sind wir Naturwesen. Als Kulturwesen schützen wir uns vor der äußerlichen Natur, die Gefahren und auch Unannehmlichkeiten birgt. Das gute Leben ist ein Kompromiss und besteht wohl darin, die Natur zu erfassen, ohne ihren nachteilig wirkenden Schlagseiten ausgesetzt zu sein.

In der bedachten Gestaltung des Gartens äußern sich Stil und Kultiviertheit. Es geht um die Kultivierung der mehr oder weniger wilden Natur. Die moderne Villa aus Stahl, Glas und Beton mit dem industriellen Rollrasen auf der Stahlbetondecke, verziert mit dem völlig überteuerten, importierten und entwurzelten Olivenbaum kennzeichnet eher die moderne Gesichtslosigkeit.

Persönliches Fazit: Die Gartengestaltung erreicht dann ihren Höhepunkt, wenn sie es vermag, alle Jahreszeiten im Garten abzubilden. Die ersten Tulpen im Frühling, die Farbenpracht und Fülle des Lebens im Sommer, die verfärbten Blätter im Herbst und das Immergrüne im Winter. Ein Bezug zum Regionalen und Lokalen ist unabdingbar. Aber auch – der Geist der Romantik ruft – das Exotische als Anklang an das Paradies und die ewigen Plätze an der Sonne. Letztlich: Das Leben in Form des Nutzgartens. Es geht um den gehaltvollen, bedachten und bewussten Bezug, nicht um den teuren, modischen Allerwelts-Garten ohne Sinn und Referenz. Das Echte ist alles, die reine Dekoration nichts.

Literatur:

[1] Hoefer, Natascha & Ananieva, Anna: „Der andere Garten. Erinnern und Erfinden in Gärten von Institutionen“, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2005

[2] Cresti, Carlo & Rendina, Claudio: „Römische Villen und Paläste”, Ullmann Verlag, Potsdam 2013

[3] Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, „Denkmalpflege in Niederösterreich – Gärten zwischen Kunst und Natur“, Band 5, Wien 1989

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