Bauen mit der Natur und in der Natur hat viele Vorbilder und Vordenker.
Der Schweizer Landschaftsarchitekt Enzo Enea gilt als Doyen der Szene, plante und gestaltete wichtige grüne Projekte und prägte den Landschaftsbau. Im Jahr 2010 eröffnete Enea in der Nähe von Zürich ein Baum-Museum. Wie könnte ein Landschaftsarchitekt besser und einfühlsamer seine gestalterische Vielfalt und seine Produktpalette darlegen als durch so einen lebenden und grünen Katalog?
Enzo Enea selbst hat Industriedesign und Landschaftsarchitektur studiert. Der Garten, der ihn am meisten geprägt hatte, war der Garten seines Großvaters in Italien: „Den Duft der Kräuter, den Geschmack der Früchte und die sonnendurchflutete Erde unter meinen Füßen werde ich nie vergessen. Die Erfahrung, mit der Natur zu arbeiten, sie zu lesen, sie zu verstehen, sie zu kultivieren, war lebensverändernd. Mit meiner Arbeit versuche ich, dieses Gefühl weiterzugeben“ [1].
Enzo Enea geht es in seinen Werken darum, außen und innen verschmelzen zu lassen. Der Hausinnenraum geht fließend in den Außenraum über, die Natur ist ein gestalterisches Element erster Klasse und Kennzeichen der guten Planung, dass nämlich die Integration von Bauwerk und Natur, aber auch die Annahme des Bauwerks durch die Natur erfolgt.
Wenn wir bauen, dann stellen wir uns immer in den Dialog mit dem Territorium und dem so genannten Genius Loci. Der Ansatz, den Enea wählt, ist ein biologischer, aber auch ein überzeitlicher: „Wir folgen bei all unseren Projekten immer dem Genius loci: Der Ort bestimmt, was wir tun. Für mich ist ausschlaggebend, was mir der Ort gibt, und wie ich dies mit meiner Arbeit verbinden kann, sodass daraus ein nachhaltiger Mehrwert für Mensch und Biodiversität mit Sicht auf die kommenden 80 bis 100 Jahre entstehen kann. Das bedeutet auch, sich für Ideen zu öffnen und etwas zu planen, dass man vielleicht selbst nicht mehr in Fülle erleben wird“ [2].
Im zeitgenössischen Bauen ist die Tendenz zum so genannten „Greenwashing“ zentral. Das Bauwerk ist ein modernes „Monster“ aus Beton, Glas und Stahl, das in keinster Beziehung zur Umgebung und zur Tradition steht und erhält dann durch Rollrasen und Olivenbaum, der irgendwo – jahrhundertealt – aus seinem Boden gerissen und neu verpflanzt wird, sein grünes „Gewissen“. Das kann kaum ein Ansatz für ein natürliches Bauen sein.
Wenn die Biodiversität, also die Pflanzenwelt, aber auch die Tierwelt, in Form von Vögeln, Bienen, Hummeln, ihren Eingang in ein Projekt finden wollen, dann müssen die Ansätze elementarer sein. Es geht im wahrsten Sinne des Wortes um das Land, um den Grund, um die Bodenbeschaffenheit, um die natürlichen Baustoffe, um den Wasserhaushalt, um die Sonneneinstrahlung, um den Winter und um das Ganze, um den ganzen Kreislauf.
Der authentische ökologische Blick auf die Dinge wird in der Auseinandersetzung mit den Pflanzen und ihrer Bedeutung im natürlichen Kreislauf bewusst: „Wir werden nie genügend Zeit haben, einen Baum in seiner vollen Pracht zu erleben. Das ist ein Punkt, den ich relativ früh erkannt habe. Bislang mangelt es vielen von uns an Bewusstsein darüber, welcher Wert in einem alten Baum steckt: Fälle ich eine 200-jährige Buche, müsste ich für sie 2.000 Jungbäume nachpflanzen, um ihre Kraft – jährlich sechs Tonnen CO 2 zu filtern – ersetzen zu können. Das macht keiner – nicht einmal ein Bill Gates. Wären mehr Menschen sich dieser Kraft bewusst, würden sie entweder weniger Bäume fällen oder Mittel und Wege finden, diese zu er – halten. Um Geld dürfte es an dieser Stelle jedenfalls nicht mehr gehen. Letztlich geht es nämlich um Zeit: Zeit, die ein Baum benötigt, um zu wachsen und seine Kraft zu entwickeln. Und genau die können wir uns nicht kaufen. Da ist uns die Natur weit voraus“ [2].
Es geht um das Ganze. Das ist auch der Ansatz, wenn wir von „Bio-Engineering“ sprechen. Es geht um den Berg mit seinen Felsformationen, um den Wald, um die Natur, um unsere Eingriffe in die Natur, um die Werkstoffe, die wir aus der Natur entnehmen, um unsere Bauwerke, die im Dialog mit der ursprünglichen Natur stehen müssen, um das Bestandsmanagement, um die Außengestaltung unserer Gärten, um grüne Dächer und um grüne Fassaden. Das Leben ist ein natürliches Ganzes.
Literatur:
[1] Netzauftritt Enea Landscape Architecture, https://www.enea.ch/
[2] “Jenseits von Raum und Zeit”, Magazin Polis – Urban Development 01/2023