Die stetige technische Weiterentwicklung und die damit einhergehende Lösbarkeit von bis dato unüberwindbaren Herausforderungen in der Bauwirtschaft treibt die Planer zu immer neuen Höhenflügen an. Die dabei auf dem Papier entstehenden Skizzen und Bestreben sind jedoch oft zu eindimensional gedacht, beziehen sie in vielen Fällen nicht die soziokulturellen Eigenschaften der betroffenen Bevölkerung mit ein. Es bedarf daher einer Erweiterung des gesamten Planungsprozesses im Sinne von partizipativer Einbindung der Bürger, um nicht nur die technisch beste Lösung zu erarbeiten, sondern ein für das gesamte Lebensumwelt befriedigendes Ergebnis hervorzubringen.
Ein aktuelles Beispiel im negativen Sinne ist dabei in Südtirol und über die Grenzen hinaus das Jahrhundertprojekt des Brennerbasistunnels. Das Infrastruktur-Großunterfangen weißt nicht nur einen Mangel in der gesamten Ausrichtung in Bezug auf die alpine Verkehrsplanung auf, wie Michael Demanega erörtert, sondern birgt in sich auch einen großen Interessenskonflikt mit der heimischen Bevölkerung. Diese wurde nämlich nicht in die Planung und damit in eine aktiv verantwortliche Rolle mit eingebunden, was zu Verständnislosigkeit bis hin zu Ablehnung für Bauabschnitte führte. Beispielhaft hierbei sind die Bürgerproteste im Südtiroler Unterland gegen die Ablagerung von Aushubmaterial in der direkten Nähe des Siedlungsgebietes, aber auch in Bezug auf Risiken, die Boden und Wasserhaushalt betreffen. Dabei ist es, gleich der im kleineren Rahmen vonstattengehenden Raumplanung, essentiell, die Einheimischen als einen weiteren Akteur mit ins Boot zu holen.
Das Schaffen von Beteiligungsangeboten bietet dabei für die Bürger eine Möglichkeit, ihr grundsätzliches Verlangen nach Informationen zu befriedigen. Zudem kann im Fortgang der Gespräche eine gemeinsame Basis geschaffen werden, in welcher persönliche Betroffenheiten und Belastungen gesammelt und gebündelt werden, um so frühzeitig in der Planung entsprechende Änderungen bzw. Ausgleichsmaßnahmen vorzunehmen. Zur Erreichung dieser Vorteile ist es jedoch essentiell, dass ein hohes Maß an Professionalität und Transparenz an den Tag gelegt wird. Bleibt dies aus, werden bestehende Bedenken zusätzlich verfestigt und die gesellschaftliche Akzeptanz weiter geschwächt.
Mit der grundsätzlichen Idee dahinter, sprich, zusammen mit den Menschen bessere und gesamtheitlichere Lösungen zu finden, zeigen sich auch für die Projektträger Vorteile auf: Es ergibt sich ein Wissensgewinn und damit eine Qualitätszunahme bei Bildung einer Entscheidungsgrundlage, die Transparenz des Verfahrens wird verbessert und führt zu einer Steigerung der Objektivität des Planungsprozesses. Durch das „Konsultationsangebot erhalten Verfahrensführer eine Übersicht von unüberwindbaren lokalen Widerständen, sogenannte NIMBYs (Not In My Backyard) oder BANANAs (Build Absolutely Nothing Anywhere Near Anything)“[1].
Durch das so generierte Wissen kann von Seiten der Planer schneller reagiert und Konflikten samt Verzögerungen vorgegriffen werden. In unserer schnelllebigen und digitalen Zeit ist dies der einzige zeitgemäße Zugang, der jedoch heute weitgehend ausbleibt. Es wäre heute einfach, sinnvoll und modern, die Bürger über digitale Applikationen in den Planungs- und Entscheidungsprozess einzubinden und den Fortgang der Ausführungen auch transparent darzulegen. Damit entsteht Rückhalt.
Essentiell an der gesamten Thematik ist zudem, dass der Bürgerbeteiligungsprozess zu einem verbindlichen Ergebnis kommt, sprich die erarbeiteten Vorschläge auch effektiv in das Infrastrukturprojekt einfließen. Bleibt dies aus, so gestaltet sich der gesamte partizipative Anspruch nur als ein inhaltsleeres Vorhaben und die Akzeptanz für das gesamte Bauvorhaben wird nicht nur bei den Bürgern schwinden, welche mitgewirkt haben, sondern durch Multiplikatoreffekte auch bei einer Vielzahl weiterer Menschen. Es zeigt sich, dass die betroffenen Bürger von Infrastrukturgroßprojekten einen großen Mehrwert in der Planung bieten können, die Schaffung der nötigen Rahmenbedingungen ist dafür jedoch essentiell. Demokratische Partizipation ist ein Gewinn und keine Beeinträchtigung.
Quellen:
[1] Bertelsmann Stiftung. Mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung. Prozessschritte und Empfehlungen am Beispiel von Fernstraßen, Industrieanlagen und Kraftwerken. Seite 31. Abrufbar unter: https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/GP_Mehr_Transparenz_und_Buergerbeteiligung.pdf. Gütersloh 2013.
Weiterführender Artikel: Straßenplanung und Umweltschutz