Demanega

#ingenieurbaukultur

Naturgefahren in den Alpen – Vorsorge und Schutz durch bauliche Maßnahmen

Published by

on

Naturgefahren in den Alpen - Salurn Südtirol Gefahrenzonen Bauen

Geht es nach dem Geographen Werner Bätzing, dann sind Naturgefahren in den Alpen durch die folgende Gegebenheit gekennzeichnet:

Das zentrale Charakteristikum des Naturraums Alpen ist jedoch seine sprunghafte Naturdynamik. Diese gründet darin, dass die Alpen ein junges Hochgebirge sind, dessen Gebirgsbildung noch nicht beendet ist, so dass es sich in einem steten Wandel befindet (Abtragungsprozesse in den oberen, Ablagerungsprozesse in den unteren Höhenstufen). Auf Grund labiler Gesteinsschichtungen, steilem Relief, hohen Niederschlägen, kurzer Vegetationszeit und ausgeprägten Temperaturextremen laufen viele Naturprozesse in Form einer sprunghaften Dynamik als Bergstürze, Muren, Hochwasser, Lawinen, Stürme, usw. ab. Biologen bezeichnen diese Ereignisse als Störungen und sprechen davon, dass praktisch alle Vegetationsgesellschaften im Alpenraum durch Störungsregimes geprägt seien.

Bätzing, Werner: „Die Alpen: Geschichte und Zukunft einer europäischen Kulturlandschaft“, C.H.Beck, München 2005

Trotzdem machen sich derzeit klimatische Extreme verstärkt bemerkbar, die in zunehmender Trockenheit sowie zunehmender Niederschlagskonzentration münden, sodass diese extremen Ereignisse die gebaute Infrastruktur in besonderem Maße bedrohen.

Die Folge sind Hochwasserereignisse, Rutschungen, Muren, Murgänge, Steinschlag, Felssturz, Lawinen.

Das Wesentliche ist und bleibt das Schutz- und Sicherheitsbedürfnis des Menschen. Ein Bedrohungsszenario hängt immer mit dem zu schützenden Gut und dessen Wert zusammen. Eine vollständige Sicherheit kann es nicht geben und wäre auch nicht wirtschaftlich zumutbar. Wesentlich sind Gefahrenanalyse, Risikobewertung und in der Folge das Risikomanagement.

Das Gefährdungspotential durch hydrogeologische Einflüsse wird durch Gefahrenzonenpläne klassifiziert. Ein Gefahrenzonenplan bildet die Grundlage für Bauordnung, Bauweise und Sicherheit.

Legistisch ist der Gefahrenzonenplan in Südtirol ein dem Bauleitplan der Gemeinde übergeordneter Fachplan.

Die Gefahrenzonen resultieren aus Geländebefund, Modellierung sowie Ereigniskataster und ist folglich semiempirisch.

Die Gefahrenzonenplanung dient als Grundlage für die Raumordnung, andererseits aber auch zur Festlegung der Maßnahmen, die auf die Schadensbeschränkung sowie auf die Gefahrenverminderung hinauslaufen können.

Eine Gefahr ist gekennzeichnet durch die Intensität sowie die Eintrittswahrscheinlichkeit. Sind beide hoch, ist von roter Zone die Rede, sind beide niedrig, handelt es sich um eine gelbe Zone. Dazwischen ist die blaue Zone angesiedelt.

Die Gefahrenzonen sind auf eine Wiederkehrwahrscheinlichkeit von 300 Jahren ausgelegt und beinhalten selbstverständlich ein Restrisiko. Die Gefahrenzonenpläne ersetzen auch nicht die geologisch-geotechnische Baugrundanalyse.

Rote Zonen (Verbotsbereich) sind Zonen mit sehr hoher Gefahr. In roten Zonen besteht Bauverbot. Entsprechende Zonen werden folglich baulich gemieden. Dies betrifft allerdings nicht die Bestandsgebäude in entsprechenden Zonen.

Blaue Zonen (Gebotsbereich) sind Zonen mit hoher Gefahr. Hier ist eine Kompatibilitäsprüfung notwendig, um ein mittleres spezifisches Risiko Rs2 zu gewährleisten.

Das mittlere Risiko Rs2 bedeutet geringe Schäden an Gebäuden, Infrastrukturen und an der Umwelt. Das spezifische Risiko definiert Gefahrenstufen je nach Schadensanfälligkeit (Vulnerabilität) und dem Restrisiko.

Für blaue Zonen sind grundsätzlich Schutzmaßnahmen erforderlich, die eine Einstufung des Gebietes in die mittlere Gefahrenzone legitimieren.

Grundsätzlich zählen hierzu neben technischen Maßnahmen wie Verbauungen, Erdbau, hydrologische Maßnahmen oder Stützbauwerke auch ingenieurbiologische Methoden zur Erhöhung der Hangstabilität. Die Vegetation kann im Falle erhöhter Niederschlagsereignisse den Wasserhaushalt im Boden ausgleichen sowie die Standsicherheit des Geländes verbessern.

In gelben Zonen (Hinweisbereich) ist Bauen mit baulichen Auflagen möglich (Objektschutz). Hier ist es notwendig, im Rahmen der Planung die zu erwartenden Risiken richtig zu berücksichtigen. Grundsätzlich resultiert aus dem Bauen in Zonen, die durch Naturgefahren bedroht sind, die Verantwortung, Schutzmaßnahmen vorzusehen.

Eine Studie der Universität für Bodenkultur sieht entsprechend in der Bauvorsorge eine weitere wesentliche Stütze. Es geht dabei um die Eigenvorsorge und Eigenverantwortlichkeit des Bauherrn, sodass bei der Planung des Gebäudes spezifische Gefahren in der Objekt- und Tragwerksplanung berücksichtigt werden.

Derartige Objektschutzmaßnahmen sind: Ausführung der Gründung und entsprechende Sicherungsmaßnahmen, Maßnahmen zur Hangstabilisierung, Anordnung und Ausführung der tragenden Bauteile in Gefahrenrichtung, Anordnung und Ausführung der Öffnungen.

Graue Zonen sind schließlich untersucht und als nicht gefährlich eingestuft.

Bei Bauvorhaben in nicht untersuchten Gebieten ist eine Gefahrenprüfung durch freiberufliche Ingenieure, Geologen oder Agronomen und Forstwirte notwendig.

Insgesamt geht es bei der Gefahrenzonenkartierung weniger um eine genaue Vorhersage der Gefahren. Eine derartige Vorhersage ist weder möglich, noch sinnvoll. Vielmehr geht es um eine Bewusstseinsbildung für das dynamische Verhalten von Grund und Boden und um eine richtige Einschätzung, die jedes Bauvorhaben betrifft.

Im Bild: Steinschlag in Salurn am 7. Februar 2021 – Fotonachweis Freiwillige Feuerwehr Salurn Südtirol (Link)

27 Antworten zu „Naturgefahren in den Alpen – Vorsorge und Schutz durch bauliche Maßnahmen”.

  1. Avatar von Salurn – ein wesentliches Stück Südtiroler Unterland – Michael Demanega

    […] Gelände ist immer eine dynamische Angelegenheit und erfordert eine besondere Sensibilität für Risiken und Gegenstrategien. Vielfach sind es die steilen Hänge, die durch größere Wassermassen instabil werden und […]

    Like

  2. Avatar von Straßenplanung und Umweltschutz – Michael Demanega

    […] um die Ingenieurbiologie und um die Vegetation, in der Folge um Risikomanagement bei potenziellen Naturgefahren, um den Boden und um den Wasserhaushalt, um Grundbau und Geomechanik, um die Verwendung der für […]

    Like

  3. Avatar von Welttag des Ingenieurwesens – Demanega

    […] in Bereichen Ernährung, Wasser, Energie, Umwelt, smart cities, Widerstandsfähigkeit gegen Naturkatastrophen und anderen Bereichen entscheidende Hilfe zum Wohle aller Menschen. Sie ist auch entscheidend für […]

    Like

  4. Avatar von Alpines Bauen – Demanega

    […] als im Dialog mit der natürlichen Umgebung zu stehen. Dazu gehören zu allererst einmal die alpinen Gefahren. Bauen im Hang bedeutet besondere hydro-geologische Bedingungen, die im Rahmen einer sicheren und […]

    Like

  5. Avatar von Naturgefahren, Ingenieurbiologie und Schutzwälder – Demanega

    […] Naturgefahren in den Alpen – Vorsorge und Schutz durch bauliche Maßnahmen […]

    Like

  6. Avatar von Alles fließt! Wasserwirtschaft und Wasserbau – Demanega

    […] immer wieder auch zur Gefahr. Temporär extreme Wassermassen bedrohen den Siedlungsraum, bedingen geotechnische Gefahren und zerstören unsere gebaute und gelebte […]

    Like

  7. Avatar von Freiheit oder Sicherheit? – Demanega

    […] Naturgefahren in den Alpen – Vorsorge und Schutz durch bauliche Maßnahmen […]

    Like

  8. Avatar von Hochwasser und Hochwasserschutz: Maßnahmen im Hier und Jetzt! – Demanega

    […] Naturgefahren in den Alpen – Vorsorge und Schutz durch bauliche Maßnahmen […]

    Like

  9. Avatar von Unwetter, Hangrutschungen und Murgänge – Demanega

    […] Einschränkungen durch die Raumordnung und die Gefahrenzonenpläne gilt es in der Folge, technische Schutzbauten zu realisieren. Dazu […]

    Like

  10. Avatar von Wie viel Sicherheit beim Bauen? – Demanega

    […] Hochwasser und Hochwasserschutz: Maßnahmen im Hier und Jetzt! Naturgefahren in den Alpen – Vorsorge und Schutz durch bauliche Maßnahmen […]

    Like

  11. Avatar von Gefahrenzonen und Risikomanagement – Demanega

    […] Gefahr festlegen. Trotz dieser stochastischen Basis ist es vielfach äußerst schwierig, natürliche Ereignisse mit einer ausreichenden Zuverlässigkeit vorherzusagen. Zwar sind die Einwirkungen selbst […]

    Like

  12. Avatar von Das konkrete Risiko von Hangrutschungen – Demanega

    […] Intensität und Häufigkeit natürlicher Gefahren nimmt offenbar und sichtlich zu. Andererseits sind auch die Schutzziele, also unsere gebauten […]

    Like

  13. Avatar von Wasserversorgung und Wasserknappheit: Maßnahmen und Strategien in Zeiten des Klimawandels – Demanega

    […] Wasserkraft bleibt zentrale Technologie im Energiesystem Hochwasser und Hochwasserschutz: Maßnahmen im Hier und Jetzt! Naturgefahren in den Alpen – Vorsorge und Schutz durch bauliche Maßnahmen […]

    Like

  14. Avatar von Zum Unglück an der Marmolata: Technischer Lawinenschutz und Klimaerwärmung – Demanega

    […] Maßnahmen und Strategien in Zeiten des Klimawandels Gefahrenzonen und Risikomanagement Naturgefahren in den Alpen – Vorsorge und Schutz durch bauliche Maßnahmen Das konkrete Risiko von Hangrutschungen Hochwasser und Hochwasserschutz: Maßnahmen im […]

    Like

  15. Avatar von Zahl der Extremwetter-Katastrophen steigt stark an: Strategien und Gegenstrategien bei Naturgefahren – Demanega

    […] Naturgefahren in den Alpen – Vorsorge und Schutz durch bauliche Maßnahmen Hochwasser und Hochwasserschutz: Maßnahmen im Hier und Jetzt! […]

    Like

  16. Avatar von Überleben am Berg: Technischer Lawinenschutz und natürliche Risiken – Demanega

    […] Maßnahmen und Strategien in Zeiten des Klimawandels Gefahrenzonen und Risikomanagement Naturgefahren in den Alpen – Vorsorge und Schutz durch bauliche Maßnahmen Das konkrete Risiko von Hangrutschungen Hochwasser und Hochwasserschutz: Maßnahmen im […]

    Like

  17. Avatar von Modernes Erdbebeningenieurwesen: Bauwerksdynamik unter Höchstlasten – Demanega

    […] viel Sicherheit beim Bauen? Naturgefahren in den Alpen – Vorsorge und Schutz durch bauliche Maßnahmen Freiheit oder Sicherheit? Hochwasser und Hochwasserschutz: Maßnahmen im Hier […]

    Like

  18. Avatar von Sicher Bauen: Gefahrenzonenpläne – Demanega

    […] und im Newplan abgerufen werden kann. Zudem beinhaltet der Plan Berichte, die die hydrogeologischen Gefahren, die Siedlungen und Infrastrukturen bedrohen, sowohl zusammenfassend als auch detailliert […]

    Like

  19. Avatar von Entrückter Wasserhaushalt: Zwischen Trockenheit und Hochwasser – Demanega

    […] Zahl der Extremwetter-Katastrophen steigt stark an: Strategien und Gegenstrategien bei Naturgefahren Extreme Wetterereignisse werden zur (teuren) Zukunftsherausforderung Hochwasser und Hochwasserschutz: Maßnahmen im Hier und Jetzt! Naturgefahren in den Alpen – Vorsorge und Schutz durch bauliche Maßnahmen […]

    Like

  20. Avatar von Konstruktiver Brandschutz: Bautechnische Planung – Demanega

    […] Hochwasser und Hochwasserschutz: Maßnahmen im Hier und Jetzt! Modernes Erdbebeningenieurwesen: Bauwerksdynamik unter Höchstlasten Zahl der Extremwetter-Katastrophen steigt stark an: Strategien und Gegenstrategien bei Naturgefahren Wie viel Sicherheit beim Bauen? Naturgefahren in den Alpen – Vorsorge und Schutz durch bauliche Maßnahmen […]

    Like

  21. Avatar von Widerstand gegen die Naturgefahr: Wildbäche und Wildbachgefahr – Demanega

    […] Widerstand gegen die Naturgefahr: Aktiver und passiver Schutz gegen Felssturz Zahl der Extremwetter-Katastrophen steigt stark an: Strategien und Gegenstrategien bei Naturgefahren Unwetter, Hangrutschungen und Murgänge Naturgefahren in den Alpen – Vorsorge und Schutz durch bauliche Maßnahmen […]

    Like

  22. Avatar von Widerstand gegen die Naturgefahr: Hochwasser und Hochwasserschutz – Demanega

    […] Risikomanagement bei Naturgefahren: Bauen in exponierter Lage Widerstand gegen die Naturgefahr: Aktiver und passiver Schutz gegen Felssturz Naturgefahren in den Alpen – Vorsorge und Schutz durch bauliche Maßnahmen […]

    Like

  23. Avatar von Führen in der Krise – Wenn es hart auf hart kommt – Demanega

    […] natürliche Katastrophe, die unsere gesamte gebaute Umgebung betrifft, ist in der Pyramide nach Maslow ganz unten […]

    Like

  24. Avatar von Technischer Lawinenschutz: Naturgefahren im Schnee – Demanega

    […] Maßnahmen und Strategien in Zeiten des Klimawandels Gefahrenzonen und Risikomanagement Naturgefahren in den Alpen – Vorsorge und Schutz durch bauliche Maßnahmen Das konkrete Risiko von Hangrutschungen Hochwasser und Hochwasserschutz: Maßnahmen im […]

    Like

  25. Avatar von Extreme Wetterereignisse: Überschwemmungen, Erdrutsche und Erosion – Demanega

    […] Zahl der Extremwetter-Katastrophen steigt stark an: Strategien und Gegenstrategien bei Naturgefahren Extreme Wetterereignisse werden zur (teuren) Zukunftsherausforderung Hochwasser und Hochwasserschutz: Maßnahmen im Hier und Jetzt! Naturgefahren in den Alpen – Vorsorge und Schutz durch bauliche Maßnahmen […]

    Like

  26. Avatar von Grüner Straßenbau und grüne Verkehrsplanung – Demanega

    […] um die Ingenieurbiologie und um die Vegetation, in der Folge um Risikomanagement bei potenziellen Naturgefahren, um den Boden und um den Wasserhaushalt, um Grundbau und Geomechanik, um die Verwendung der für […]

    Like

  27. Avatar von Strategische Entscheidungen zur Trinkwasserversorgung – Demanega

    […] Wasserkraft bleibt zentrale Technologie im Energiesystem Hochwasser und Hochwasserschutz: Maßnahmen im Hier und Jetzt! Naturgefahren in den Alpen – Vorsorge und Schutz durch bauliche Maßnahmen […]

    Like

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..