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Wellness: Weniger ist mehr – Minimale Ästhetik, maximales Wohlbefinden

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Leben und Reform

Das so genannte Wohlbefinden – als „Wellness“ übersetzt – ist heute allgegenwärtig. Im Englischen ist von „Spa“ die Rede, das sich von der belgischen Stadt Spa in den Ardennen ableitet, welche bereits im 18. Jahrhundert als populäre Heilquelle und als Treffpunkt der Prominenz gilt, wird unter anderem aber auch mit dem Lateinischen „Sanus Per Aquam“ in Verbindung gebracht. Umso stressiger der Alltag, umso wichtiger wird scheinbar das gezielte und auferlegte Abschalten. Faktisch muss der heutige „Wellness“-Trend zwangsläufig mit der Lebensreformbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Verbindung gebracht werden.

Reform, das war ein kulturpessimistischer Zugang zu Moderne und Fortschrittsgläubigkeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts, geprägt durch Nietzsche und Schopenhauer. Die Lebensreform äußerte sich in allen gesellschaftlichen Bereichen als eine beabsichtigte Umkehr in Bezug auf Industrialisierung und Zivilisationskrankheiten der Moderne. Im Bauen kommt die Reform im Jugendstil und in der Wiener Moderne, aber auch im Traditionalismus als Gegenentwurf zur Revolution zutage.

Das vermeintlich „wahre“ und „echte“ Leben stand im Mittelpunkt [1]. Daraus resultieren Reformhaus, Naturheilkunde, biodynamische Landwirtschaft und Freikörperkultur. Mit letzterer ist der so genannte „Wellness“-Begriff erreicht.

Das Zurück zur Natur hatte viele Formen. Einerseits die Rückkehr zu einfachsten und ursprünglichsten Strukturen. Diese Rückkehr war allerdings keine bedingungslose, sondern eine assoziative. Die ursprüngliche Behausung diente als Vorbild für die zeitgenössische Gestaltung. Statt individueller Willkür ging es um die Verankerung im Ursprünglichen, allerdings um ein Weiterdenken und Weiterentwickeln im Geiste der Zeit aus den Ursprüngen heraus.

Darüber hinaus ging es aber auch das Zugänglichmachen natürlicher Schönheit, die „heilen“ sollte, wobei der Ausblick in die Natur und die Wahrnehmbarkeit der Natur das entscheidende im Sinne der Gestaltung waren. Bauwerke sollten zwischen dem Innenraum und dem Außenraum, also zwischen der menschlichen Welt und dem Naturraum, kommunizieren. Es ging um nicht weniger als um die Verknüpfung von Architektur und Natur, wie man diese im vernakulären Bauen, aber auch im klassischen Zeitalter scheinbar nachvollziehen konnte. Dazu gehörten überdachte Außenflächen und Terrassen, Pergolas und Bepflanzungen. Die „heilende“ Sonne und die frische Luft standen im Mittelpunkt.

Schönheit und Wahrheit wurden grundsätzlich als eine Wesenseinheit verstanden, waren nicht voneinander zu unterscheiden. Hier klingt das klassische Menschenbild durch. Dieses äußerte sich nicht nur im Bauwerk, sondern ebenso im unverfälschten, nackten Körper, der diese Wahrhaftigkeit ausdrücken sollte.

Körper, Materie und Geist

Weniger ist meistens mehr. Wenn die Dinge um uns herum auf das Minimalste reduziert sind, können wir uns auf uns selbst, unseren Körper und unser Gefühl konzentrieren. Wir sind nicht abgelenkt. Wir sind im Hier und Jetzt. Bewusst. Davon ausgehend vollzieht sich – aufbauend auf dem Lebensreformgedanken – die Einheit von Körper und Geist, wenn die Künstlichkeit minimal ist. Jedes Stück Textil ist folglich „unecht“. Wir nehmen die Umgebung sinnlich und leiblich wahr.

Zweifellos stößt dabei der Ausspruch Heinrich Tessenows, der der Reformarchitektur angehörte, in Erinnerung, dass die Landschaft am schönsten sei, wenn gar nicht gebaut wird.

Das Minimalste ist die Natur selbst. Ein Weiher im nebeligen Tannenwald. Wir sind im Wasser. Die Sicht ist begrenzt, reduziert unseren Blick auf die unmittelbare Umgebung. Der Lärmpegel ist ebenso beschränkt. Wir werden eins mit dem Wasser , mit der Umgebung und mit der Natur. Unsere Haut nimmt die Umgebung auf, reagiert darauf. Die Immersion im Wasser steht mehr noch als alles andere für die Auflösung der Seele und des Körpers. Wir sind in einem Medium, wir schweben scheinbar, alles ist aufgehoben. Alle Sorgen und alle Lasten.

Die Elemente kommen ins Spiel, das Wasser, die Luft und das Feuer in Form der Wärme.

Dass die moderne Wellness-Architektur gezielte Inspiration von der sakralen Architektur übernimmt, mag angesichts der angestrebten spirituellen Erfahrungen nicht überraschen [2]. Gerade in der sakralen Architektur ist die gesamte Atmosphäre auf ein spirituelles Erlebnis ausgerichtet, das in Stille, Kontemplation und Meditation, aber auch Askese und Reinigung besteht. Dieses Erlebnis ist Gott. Im Rahmen der Wellness-Architektur wird Gott durch das eigene Ich ersetzt. Vielleicht fühlen wir uns aber auch wie griechische Gottheiten, wer weiß.

Erdverbundenheit

Wesentlich ist, dass das alles nicht in Richtung modernem Disney-Zirkus tendiert. Deshalb kommt das Element der Erde ins Spiel, weil alles erdgebunden und erdverwachsen, rückgebunden und naturverwurzelt sein soll, ansonsten die Künstlichkeit, die Willkür, die menschliche Anmaßung und die Ablenkung dominieren. Umso elementarer, umso zeitloser.

Peter Zumthor beherrscht die Kunst des Elementaren hervorragend. Valerio Olgiati aber auch.

Minimalismus bedeutet, dass das Gebaute in den Hintergrund rückt. Es geht dann um so viel Technik wie notwendig, um Komfort und Atmosphäre zu erzeugen, doch so wenig Technik wie irgendwie möglich. Es geht um die nackte Natur.

Wie immer geht es dabei letztlich um Konsequenz und Ehrlichkeit: In Zeiten der Nachhaltigkeit geht es um die Frage, woher die Ressourcen kommen, wohin sie verschwinden und wie der ökologische Fußabdruck letztlich aussieht. Aber auch um die Übereinstimmung von Oberfläche und Substanz. Der biodynamische Wein, der das Terroir bestens verkörpert und durch den mindesten Einsatz von Technik erzeugt wird verblüht im High-Tech-Palast aus Stahl, Glas und Beton.

Nichts ist das Gefälschte, alles das Echte.

Literatur:

[1] Nils Aschenbeck: „Reformarchitektur: Die Konstituierung der Ästhetik der Moderne“, Birkhäuser Verlag, Basel 2016

[2] https://bellevue.nzz.ch/design-wohnen/wellness-architektur-spas-sehen-heute-aus-wie-kirchen-ld.1624822

Stichwörter: Wellness, Dolomiten, Südtirol, Alpen, Tirol, Urlaub, Wellness-Architektur

7 Antworten zu „Wellness: Weniger ist mehr – Minimale Ästhetik, maximales Wohlbefinden”.

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    […] und Geist zu schätzen. Die skandinavischen Völker kultivieren den Sauna-Gang. Heute stehen im Wellness-Bereich in Form von warmem Wasser im Innen- und Außenbereich sowie der Sauna-Landschaft alle möglichen […]

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  3. Avatar von Therme Meran – Genussland Südtirol – Demanega

    […] dass sie eine Verbindung zwischen der Natur und der Architektur herstellt. Die Glasfassade der Therme gibt den Blick frei auf die umliegende Landschaft und schafft so eine Verbindung zwischen Innen und […]

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