Die Bürggräfler Allgemeine Zeitung BAZ hat im November 2020 das Sonderthema Traumhaus behandelt. In diesem Rahmen ist das nachfolgende Experteninterview entstanden, das an dieser Stelle wiedergegeben wird. Geführt hat das Interview Jasmin Maringgele.
Was macht (m)ein Traumhaus aus?
Als Experten zum Thema „Mein Traumhaus“ haben wir mit Michael Demanega gesprochen. Demanega ist als Bauingenieur in Wien tätig und befasst sich umfassend mit Bauen und Baukultur. Eine Rückkehr nach Südtirol steht auf seiner persönlichen Agenda ganz oben.
Gibt es in Südtirol eine Tendenz zum „klassischen Traumhaus“?
Michael Demanega: Diese Tendenz gibt es in Südtirol genauso wie auch anderswo. Ich würde sogar von einem zentralen Bedürfnis des Menschseins sprechen, weil der Wohnraum unsere äußere Hülle ist, in die wir unser ganzes Leben hineinprojizieren – im besten Fall über Generationen hinweg. Das eigene Traumhaus ist trotz aller Schwierigkeiten und Hindernisse ein zentraler Traum von uns allen. Freilich ist dieser Bau in Traum nicht allen vergönnt und ob die Verwirklichung dann letztlich auch gelingt, ist eine gänzlich andere Frage.
Lassen sich heute noch regionale Unterschiede in der Architektur und Bauweise erkennen?
In Südtirol gibt es wie auch im sonstigen Alpenraum eine traditionelle Auslegung des Traumhauses. Genauso wie in Vorarlberg sind die hohen handwerklichen Fertigkeiten im Umgang mit dem Material sowie die Eingliederung in die Umgebung bemerkbar. Auf der anderen Seite nimmt ein Teil des Bauens modernistische Züge an, wo es offenbar erwünscht ist, dass regionale Gegebenheiten nicht mehr ablesbar sind und der Entwurf als solcher eigentlich überall auf der Welt stehen könnte. Zwischen diesen beiden Polen spielt sich das Bauen in seinen zahlreichen Facetten ab.
Welche Tipps geben Sie angehenden Bauherren mit auf den Weg?
Wir sprechen heute sehr viel über Nachhaltigkeit, es ist aber nicht wirklich nachhaltig, wenn wir Häuser nach 30 – 40 Jahren abreißen, weil diese weder gestalterisch noch funktionell ihre ureigensten Anforderungen erfüllen. Wenn ich an die Wiener Gründerzeithäuser denke, dann sind diese auch nach 120 Jahren funktionell, qualitativ hochwertig, erfüllen ästhetische Bedürfnisse und sind an moderne Bauanforderungen anpassbar. Ich erachte es als wichtig, dass wir Gebäude verwirklichen, die uns über lange Zeit hinweg und nicht nur für den Moment glücklich machen. Dazu ist es meines Erachtens immer ratsam, sich an Planer und Handwerker zu richten, die unsere Ideen vom Wohnen verstehen und teilen.
Ihr persönliches Traumhaus: Wie würde dieses aussehen?
Ich denke, die besten Gebäude entstehen dort, wo man nicht nur eine hübsche Oberfläche produziert, sondern wo der Entwurf – von der Fassade bis zur Konstruktion – gesamtheitlich aufgefasst wird, wo das Bauen folglich eine sinnliche Beziehung mit uns eingeht und wo wir an den gesamten Lebenszyklus denken. Wenn ein Gebäude uns den Eindruck vermittelt, es sei der unverfälschte Ausdruck einer Umgebung und nicht mehr aus der Umgebung wegzudenken, weil es fast schon mit dem Boden und mit unserem Leben verwachsen ist – so wie bei historischer Bausubstanz –, dann macht uns das über lange Zeit hinweg glücklich. Mein Traumhaus würde ich als moderat modern, klassisch elegant und regional verwachsen bezeichnen.
Im Bild: Ausschnitt aus dem Buch „Ike Kligerman Barkley Houses“ des amerikanischen Architekturbüros Ike Kligerman Barkley Architects, das sich durch die unorthodoxe Rezeption traditioneller Ästhetik in zeitgemäßen Gebäuden mit hoher Bauqualität einen internationalen Namen macht.