Proaktives Claim-Management im Bauprozess – Dokumentieren, kommunizieren, intervenieren

Mit „Claim“ wird im Englischen ein Rechtsanspruch bezeichnet. Das „Claim Management“ bezeichnet hingegen die Überwachung und Beurteilung von Abweichungen, Änderungen oder Mängeln mit der Durchsetzung von rechtlich-vertraglichen Ansprüchen.

Mit einem aktiven „Claim Management“ sollen Mängel, Mehrzeiten und Mehrkosten bereits im Bauablauf laufend kontrolliert, dokumentiert, aufgezeichnet und gegebenenfalls kommuniziert werden. Der Ansatz ist ein proaktiver.

Durch kürzere Planungszeiten, kürzere Bauzeiten, geringere Honorare und folglich geringer werdende Ressourcen auf Seiten der Planung, komplexere und kompliziertere Bauabläufe, den allfälligen Kostendruck, eine Grundtendenz, dass niemand mehr Verantwortung übernehmen will und die Verantwortungen gegenseitig zugschoben werden, allfällige Streitigkeiten zwischen „Stand der Technik“ und der normativen Kraft des Faktischen und des „Üblichen“, welche Planer und Ausführende gegenseitig aufreibt, durch mangelhafte Kommunikation und fehlerhafte Annahmen, nicht zuletzt durch zunehmende natürliche Gefahren, die auf die „höhere Gewalt“ zurück zu führen sind, werden die potentiellen Konflikte zahlreicher. Irgend jemanden verklagen ist letztlich eine scheinbar „gute“ Option, die nicht erfüllte Erwartungen wieder gut machen soll.

Grundsätzlich stellt sich bei feststellbaren Mängeln immer die Frage, ob diese der Sphäre des Auftraggebers oder jener des Auftragnehmers zuzuordnen sind.

Ein Teil der Kosten, die durch mangelnde Voruntersuchung verursacht werden, sind als Sowieso-Kosten des Auftraggebers zu verbuchen, die dieser – bei sorgfältigem Projektmanagement – ohnehin hätte tragen müssen. Wird beim Aushub ersichtlich, dass der Boden nicht den Planungsannahmen entspricht, dann holt den Auftraggeber das Versäumnis ein, keine Baugrunduntersuchungen in Auftrag gegeben zu haben. Wurden etwa im Vorfeld umfangreiche Baugrubensicherungsmaßnahmen versäumt, die ohnehin notwendig gewesen wären, entkommt der Auftraggeber diesen Kosten nicht.

Sind die Baumängel hingegen auf mangelnde Sorgfalt der Ausführenden und Planer zurück zu führen, dann liegt die Sache in deren Sphäre. Erkennt der Bauausführende einen schlechten Baugrund und handelt nicht, so liegt sein Verschulden bei Auftreten eines Schadens vor.

Auf Seiten des Auftragnehmers besteht eine Prüf- und Hinweispflicht. Diese Hinweispflicht ist allerdings zu beweisen, unterstellt diese nämlich eine mangelhafte Planungsvorbereitung.

Durch das Claim Management wird bereits im Bauablauf zur Erreichung des Projektzieles sowie zur Behebung aller Mängel, die im Bauwesen kaum zu verhindern sind, beigetragen, indem diese festgestellt, dokumentiert und kommuniziert werden. In diesem Sinne hat jene Partei, die in einem Streitverfahren ein aktives Claim Management betreibt, einen entscheidenden strategischen Vorteil im Falle eines Streitfalles, weil eine transparente Dokumentation bereits vorliegt und sich nicht selten auch vor Gericht bewährt.

Faktisch ist es jedem, der am Bau wirkt, ob Bauherr, Planer oder Ausführender, geraten, solide Dokumentationen anzufertigen und Mängel und Schäden proaktiv anzugehen. Mehrkosten, die aus einem zusätzlichen Planungsaufwand, welcher der Sphäre des Auftraggebers zuzuordnen ist und die vertraglich vereinbarten Leistungen überschreitet, werden gegebenenfalls kostenwirksam. Dies trifft ebenso auf unterlassene Untersuchungen des Baugrundes sowie des baulichen Bestandes zu, aus welchen sich Mehrkosten und Mehrzeiten ergeben. Eine vertragliche Klarheit zahlt sich in jedem Fall aus.

Die Frage ist natürlich, in welcher Form die Hinweispflicht an den Auftraggeber zu übermitteln ist und wann von einer Zustimmung durch konkludentes Handeln die Rede sein kann. Gerade im Falle einer erfolgten direkten oder indirekten Abnahme der Leistung fragt sich, inwiefern dadurch nicht bereits die Gewährleistungsfristen ticken und eine Wertminderung durch Nutzung gegeben ist. Tatsächlich eröffnen sich daraus eine Vielzahl an Streitfällen. Stillschweigen und stilles Schweigen zahlen sich häufig nicht aus.

Es empfiehlt sich grundsätzlich die schriftliche Absicherung, um im Streitfall die notwendige Klarheit zu erlangen und um keine unnötigen Aufwände in das Krisenmanagement und Konfliktmanagement zu investieren.

Selbst im Sinne der schriftlichen Absicherung ist allerdings immer die Frage nach der Zumutbarkeit wesentlich, weil natürlich nicht jede Verantwortlichkeit durch schriftliche Absicherung aus der Welt geschaffen werden kann. Über diese Zumutbarkeit entscheidet letztlich ein Gericht.

Im Falle der Krise gilt immer: Schnelles Handeln zahlt sich aus, um die Deutungshoheit zu behalten. Unter den Tisch kehren folglich eher nicht.

Literatur:

Katharina Müller und Rainer Stempkowski: „Handbuch Claim-Management“, Linde Verlag, Wien 2015

Axel Wirth, Cornelius Pfisterer: „Privates Baurecht praxisnah“, Vieweg + Teubner, Wiesbaden 2011

Abbildung: Pixabay

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