Der Begriff des Mangels
Was ist ein Mangel? Als Mangel bezeichnet wird eine Dysfunktion, die sich in Relation zur beauftragten Leistung definiert. Abseits dessen gelten die „Regeln der Technik“. In diesem Sinne weichen IST-Situation von der SOLL-Situation ab.
Eine Bauausführung, die zwar den „Regeln der Technik“, aber nicht der vereinbarten Ausführung entspricht, geht folglich als Mangel durch. Was konkret als „Regeln der Technik“ zu definieren ist, ist wiederum ein Fall für sich: Stand der Technik & Stand der Wissenschaft. Grundsätzlich sind die anerkannten und üblichen Ausführungsweisen als „Regeln der Technik“ zu bezeichnen.
Es stellt sich dabei die Frage, wo und wie die Bauausführung baurechtlich definiert wird? Dazu zählen die konkreten Festlegungen in den folgenden Bereichen (Stufe 1):
- Festlegungen im Leistungsverzeichnis;
- Festlegungen in Bauplänen;
- Vereinbarungen, die stillschweigend und konkludent erfolgen können.
Insofern Leistungsverzeichnis, Baupläne und Vereinbarungen unklar, intransparent und unvollständig sind – was häufig der Fall sein kann -, empfiehlt sich die „Betrachtung als sinnvolles Ganzes“ [1].
Insofern keine Vereinbarungen getroffen wurden, ist nur in jenem Fall eine Mangelfreiheit gegeben, insofern sich die Leistung für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung eignet (Stufe 2). Insofern auch die vorausgesetzte Verwendung nicht bekannt ist, gilt die objektive Üblichkeit als Kriterium (Stufe 3).
Von Bedeutung ist stets die Funktionstauglichkeit des Werks.
Die Haftung des Auftragnehmers besteht auch dann, wenn der Mangel nicht durch ihn verschuldet wurde, sondern durch einen Zulieferer.
Da der Mangel rechtlich an zeitliche Fristen gebunden ist, wird die Mangelfreiheit im Rahmen der Abnahme festgestellt. Verstreichen die gesetzten Fristen zur Mängelbebung respektive Nacherfüllung, sind rechtliche Schritte in Anspruch zu nehmen.
Die Nacherfüllung selbst, die der Mängelbehebung dient, kann nicht willkürlich festgelegt werden. Im Sinne der Mangelbeseitigung ist der Auftragnehmer vorleistungspflichtig und es ist diesem auch zumutbar, als Experte die Wirksamkeit der gewählten Maßnahmen zur Mangelbeseitigung einzuschätzen. Die Frage ist letztlich, ob die Maßnahme zur Mangelbeseitigung dem Auftraggeber „zumutbar“ ist.
Allerdings kann der Auftraggeber eine Maßnahme nicht willkürlich ablehnen, da ansonsten ein widersprüchliches Verhalten gegeben ist. Es obliegt dem Auftragnehmer, zwischen Mängelbeseitigung oder Neuherstellung zu entscheiden, insofern das Ergebnis angemessen und zumutbar ist. Insofern eine Neuherstellung notwendig ist, muss der Auftraggeber jedoch keine „Billiglösung“ akzeptieren, die von der beauftragten Leistung abweicht. Dabei handelt es sich allerdings um einen Ausnahmefall.
Eine Vergütung entspricht dem Wert der mangelhaften Leistung in Relation zur vereinbarten Leistung.
Der Begriff des Schadens und der Schadensersatz
Ein Mangel entspricht einer Abweichung vom Plan-Soll. Ein Schaden bezieht sich hingegen auf einen finanziellen Nachteil. Ein Mangel kann sich auf die Verwendung eines Materials beziehen, welches nicht beauftragt ist. Allerdings kann aus einem Mangel ein Schaden entwachsen. Die fehlerhafte Ausführung von Anschlüssen im Bereich der Gebäudehülle entsprechen einem Mangel. Entstehen daraus Beeinträchtigungen, ist von einem Schaden die Rede. Ein Mangel besteht folglich auch in der unsachgemäßen Ausführung, die von den Regeln der Technik abweicht, und aus der ein Schaden entstehen kann.
Schadensersatzforderungen werden möglich, insofern ein Verschulden, also vorwerfbares Verhalten des Auftragnehmers vorliegt. Dieses liegt auch dann vor, wenn der Mängelbeseitigung innerhalb der gesetzten Frist nicht nachgekommen wird.
Die Schadensersatzansprüche sind dann:
- Schadensersatz statt der Leistung bei Verstreichen der Mängelbeseitigungsfrist oder Verschulden des Auftragnehmers;
- Schadensersatz neben der Leistung bei Mängeln, Schäden oder Minderwert;
- Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung.
Insofern ein Planer falsch plant und das fertige Bauwerk folglich fehlerhaft ist, ist eine Mängelbeseitigung faktisch nicht mehr möglich. Nach [1] ist ein klarer Fall für Schadensersatz neben der Leistung gegeben, weil ein Abriss samt Neuerrichtung für den Auftraggeber unzumutbar wäre.
Der Verschleiß
Ein Mangel hat Ursachen, die zum Zeitpunkt der Übernahme bereits im Kern vorhanden waren, weil eine Dysfunktionalität gegeben ist. Der Verschleiß ergibt sich hingegen aus der Nutzung. Die klare Unterscheidung ist schwierig. Klar ist die Unterscheidung immer dann, wenn die Fristen für den Mangel verjährt sind.
Die rechtlichen Fristen
Nach der Abnahme des Werks gelten die rechtlichen Fristen. Diese Fristen werden nur dann unterbrochen, wenn unmittelbar nach Erkennen des Mangels eine Mangelrüge erfolgt.
In Italien endet die Gewährleistung für Mängel, die sich nicht auf tragende Bauteile beziehen, nach 2 Jahren. Nimmt ein Auftraggeber folglich die Leistung an und verstreichen die 2 Jahre, so wird es juridisch schwierig. Für grobe strukturelle Mängel, die sich auf tragende Bauteile beziehen, besteht laut ZGB Art. 1669 die Gewährleistung hingegen für 10 Jahre.
Recht und Rechtsspruch
Zwischen Recht haben und Recht bekommen bestehen Welten. Darüber hinaus ist die Frage, wie das „Rechtbekommen“ konkret ausgestaltet wird, eine schwierige Angelegenheit.
Während sich die eine klagende Partei eine Behebung des Mangels erwartet, will die andere klagende Partei eine monetäre Vergütung erreichen, die nicht nur den Schaden umfasst, sondern allfällige Wertminderungen und postulierte Schadensersatzforderungen. Die beklagte Partei, die hingegen für den vermeintlichen Schaden aufkommen muss, will den Schaden gar nicht erst erkennen, relativiert diesen, beansprucht eine Mitverantwortung oder gänzliche Verantwortung auf der Gegenseite und stellt sich dem Streit mit allen Mitteln entgegen. Das Gericht entscheidet letztlich irgendwo zwischen diesen Extrempositionen.
Literatur:
[1] Axel Wirth, Cornelius Pfisterer: „Privates Baurecht praxisnah“, Vieweg + Teubner, Wiesbaden 2011