Wir hören es ständig und wir befassen uns – gewollt oder ungewollt – damit: Mit bewussten und unbewussten Veränderungen, mit der Notwendigkeit zu Veränderung und Innovation, mit Gegebenheiten und Krisen, die unser Verhalten, unser Denken und unser Bewusstsein grundlegend verändern, aber auch mit der Erfordernis, Strukturen und Organisationen zu verändern, um zeitgemäß zu bleiben oder zu werden.
Die derzeitige Aktualität des Veränderungsmanagements liegt an bestimmten Umständen [1]:
- Innovationssprünge in der Informatik und Telekommunikation
- Verknappung der Ressource Zeit
- Interkulturelle Zusammenarbeit in einer globalen Ökonomie
- Verknappung der Ressource Geld
- Dramatische Steigerung der Komplexität
Während herkömmliche Unternehmensformen sich durch Ausrichtung nach Funktionen und Teilung der Verantwortung definieren, verlange die Gegenwart Netzwerke und Prozessketten sowie lernende Unternehmen.
In meinem Studium an der Technischen Universität Wien war die Mobilität einer von zwei Schwerpunkten. Selbstverständlich ging es dabei auch um die konstruktiven Grundlagen für eine zeitgemäße Mobilität. Wesentlicher war allerdings die Auseinandersetzung mit „geistiger Mobilität“. Mobilität kann als physische Mobilität und als geistige Mobilität verstanden werden. Letztere bezeichnet eine Flexibilität, eine Anpassbarkeit an veränderte Gegebenheiten sowie eine kreative Lösungsfindung bei veränderten Rahmenbedingungen.
Geistige Mobilität ist die Grundlage für Veränderungsmanagement. Der offene Geist vermag es, Visionen in die Wirklichkeit umzusetzen. Mit dem „change management“ sollen die Veränderungen begleitet, bewirkt und laufend neu angeregt werden. Im Sinne von Mobilität verlangt das Veränderungsmanagement einen Anstoß, um mobil zu werden.
Wesentlich ist die Frage, was den Wandel auslöst. Die Auslöser sind [2]:
- Extern: Unternehmen stellen selbst offene Systeme dar, die Umwelt ist zunehmend dynamisch, das Umfeld wandelt sich;
- Intern: Geprägt durch menschliche Entwicklungen und Lebenszyklen.
Jeder Wandel wird allerdings durch Widerstände gebremst. Die akzelerierenden Kräfte konkurrieren mit den retardierenden Kräften. Vielleicht ist es wie beim Film „Inception“: Veränderungsgedanken, die von oben kommen, erzeugen Widerstände, während echter Wandel sich als Vision und Gedanke in den Beteiligten selbst breitmachen muss.
Vor der Vision kommt allerdings vielleicht erst einmal das Bewusstsein, überhaupt etwas verändern zu können. Die Vorstellung, in einer „alternativlosen“ Wirklichkeit ohnehin nichts ändern zu können, lähmt, schränkt ein und verhindert jede Innovation. Kein großes Unternehmen beruht auf dem Gedanken, ohnehin nichts ändern zu können. So läuft es übrigens auch in der „echten“ Politik, die nicht nur Verwaltung der Gewohnheiten ist.
Der „Harvard Business Manager“ schreibt: „Der Klub des Möglichen ist ziemlich cool. Sie wollen da rein“.
Die entscheidende Frage ist immer und überall: Was kann ich gestalten, was bewegen, was verändern?
Erfolgsfaktoren für die Veränderung sind natürlich die Personen selbst, die Teil der Veränderung sind oder sein sollen [2]. Dabei ist es wesentlich, dass Wandlungsbereitschaft erzeugt wird, während des Wandlungsprozesses ausreichend Orientierung vermittelt wird, die Motivation im laufenden Prozess aufrechterhalten wird und der Wandlungsprozess aktiv gesteuert wird.
Orientierung und Motivation entstehen durch starke Visionen, welche sich durch die folgenden Eigenschaften auszeichnen:
- Prägnanz und Individualität;
- Motivationale Wirkung auf die Beteiligten;
- Kohärenz;
- Klare, einfache und strukturierte Formulierung: Letztlich ist alles auf eine einfache Formel herunterzubrechen;
- Konkrete Umsetzbarkeit, gleichzeitig aber auch Flexibilität.
Gerade die Flexibilität ist wesentlich. Die Ziele dürfen folglich nicht als starr wahrgenommen werden, sondern als beweglich. Der Fokus auf ein einziges Ziel schränkt den Handlungsspielraum ein, während es um ein „Zielfeld“ gehe [3]. Die Anpassungsfähigkeit entscheidet über den Erfolg. Die Anpassung ist keine Assimilation. Die Anpassung ist der Aufruf, veränderten Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen, dabei die eigene Strategie anhand der bleibenden Werte zu evaluieren und der eigenen Gestaltungsfähigkeit nachzukommen.
Der „Harvard Business Manager“ widmet im November 2022 das Magazin der Anpassungsfähigkeit als wichtigster Fähigkeit für Führungskräfte: „Die Kunst ist es, die Komplexität und Dynamik eines Projekts- das große Ganze – im Blick zu haben und gleichzeitig die Aufgaben so herunterzubrechen, dass wir fokussiert und Schritt für Schritt vorgehen können“.
Grundsätzlich hängt die Innovationskraft einer Organisation von anpassungsfähigen Individuen ab.
Die Methoden sind: Eine offene und offensive Kommunikation, die Beharrlichkeit und „letzte Konsequenz“ [1], ein prozessorientiertes Projektmanagement, Führen durch Ziele, der Wille zur Gestaltung.
In einer Welt, die sich ständig in Veränderung befindet und in welcher es darauf ankommt, laufend diesen Veränderungen Rechnung zu tragen, ist Veränderung letztlich kein abgeschlossener Prozess, sondern im Sinne der Evolution ein permanenter Wandel. Der permanente Wandel und das permanente Lernen haben direkten Einfluss auf die Gestaltung von Unternehmen [2], welche die folgenden Charakteristika haben muss und soll:
Erstens: Schaffung einer Adhocracy-Culture: Unter „Adhokratie“ wird eine Organisationsform verstanden, die im Gegensatz zur Bürokratie steht. In bürokratischen Strukturen wird jede Innovation durch die Kontrollwut mangels Frischluft und Freiheit zu eigenen Gedanken regelrecht erstickt. Von „ad hoc“, also „aus dem Moment heraus“ stammend, meint der Begriff der Adhokratie eine Verkleinerung der operativen Kerne von Unternehmen, die sich stattdessen über flexible und anpassungsfähige Projektteams definieren, die wertschaffend wirken.
Gemeint ist also eine Unternehmenskultur, die vor allem das Hervorbringen von Neuem fördert durch: Risikoorientierung, Fehlertoleranz, Kooperationsbereitschaft, offene Information und Informationsaustausch. Immanent ist dem Prinzip, dass Austausch zu Fortschritt führt.
Zweitens: Dezentralisation und Autonomie: „Diese beiden Aspekte sorgen für große Reaktionsflexibilität. Dezentralisation bedeutet das Einräumen von Handlungskompetenzen an die Ebenen, die mit einem Problem oder einer neuen Situation direkt konfrontiert werden“ [2].
Drittens: Vielfalt: Durch Vielfalt werden unterschiedliche Stärken abgerufen und genutzt. Vielfalt äußert sich in unterschiedlichen Meinungen, Haltungen, Ansichten, Vorgangsweisen, Hintergründen.
Wir fragen uns dann immer, worauf oder auf wen wir in Krisen zählen können? Die Veränderungsmanagerin Constanze Buchheim meint im „Harvard Business Manager“ im November 2022, es komme darauf an, denjenigen zu vertrauen, die menschliche Reife beweisen. Dazu gehöre auch der Umgang mit der Trauer: „Unglück und Trauer gehören zum Leben und zu jeder Entwicklung dazu. Wir müssen nicht immer glücklich sein, wir müssen gestalten„.
Constanze Buchheim meint, dass es grundsätzlich auf Führungskräfte ankomme, die über menschliche Reife verfügen würden. Diese sind der Garant für erfolgreiche Prozesse und Veränderungen. Menschliche Reife stelle sich in mehreren Stufen dar. Erstens: Der Weg zum Wir führt über das Ich, es geht um eine Reflexion über das eigene Ich. Zweitens: Bewusstseinsbildung für die Bedürfnisse des anderen. Und drittens: „Die größte Perspektive ist, sich selbst in Bezug zur Gesellschaft zu sehen. Wenn jemand in der Lage ist, sein Verhalten mit dem großen Ganzen in Kontext zu setzen, dann erkenne ich, dass er oder sie wirklich tief reflektieren kann“ meint Constanze Buchheim [3].
Literatur:
[1] Klaus Doppler: „Der Change Manager – Sich selbst und andere verändern“, Campus Verlag, Frankfurt 2011
[2] Thomas Lauer: „Change Management – Grundlagen und Erfolgsfaktoren“, Springer Gabler Verlag, Heidelberg 2014
[3] Harvard Business Manager, November 2022
Kommentar verfassen