Holzbau fristete lange Zeit ein Randdasein im Bauwesen. Das „Bauhaus“, das sich auch als „international Style“ titulierte und das moderne Bauen wesentlich prägte, präferierte Beton, Glas, Stahl und weiße Oberflächen. Alles sollte – überall auf der Welt – gleich aussehen. Mit einem natürlichen, regionalen und bodenständigen Werkstoff, wie ihn Holz darstellt, war eine derartige Weltsicht nicht zu vereinbaren. Zu „provinziell“, zu „kleinlich“, zu wenig industriell und standardisiert, zu sehr von der Natur abhängig, die im Sinne einer rationalistischen Weltauffassung eigentlich wenig berücksichtigt werden sollte.
Die Zeiten, in denen der Holzbau einen Triumph über die Schwerkraft darstellte und in Handwerkskunst die Spannweiten sowie die Höhen zu überwältigen versuchte, waren vorbei. Vorbei waren auch die Zeiten, in denen Architekten im fernen Jahre 1908 wie Friedrich Ostendorf in mühsamer Kleinarbeit Holztragwerke untersuchten.
Der Werkstoff Holz fand folglich vor allem bei nebensächlichen Bauteilen seine Verwendung und wurde erfahrungsgemäß eingesetzt. Für wichtige Tragstrukturen mussten es Stahlbeton und Stahl sein. Entsprechend wenig befasste man sich mit Holzbaustatik. Die Wahl der Verbindungsmittel wurde ohnehin dem Zimmermann überlassen.
Dieser Umstand sollte sich mit modernen Holzwerkstoffen ändern. Durch die Homogenisierung des Holzquerschnitts durch die Entwicklung von Holzwerkstoffen, etwa Brettschichtholz, sollten die Möglichkeiten ins Ungeahnte explodieren: Form, Spannweite, Querschnittsabmessungen, teilweise auch die mechanischen Fähigkeiten sowie das Feuchtigkeitsverhalten sollten auf ein Niveau gehoben werden, das mit anderen Werkstoffen mithalten kann.
Hinzu kommen die typischen Stärken des Holzbaus: Die Natürlichkeit, die Beschaffenheit, die emotionale Nähe, die Wärmedämmfähigkeiten sowie die Leichtigkeit. Gerade die Leichtigkeit vereinfacht den Transport, aber auch die Statik ungemein. In diesem Sinne ist der Holzbau vor allem dort stark, wo geringe Masse wesentlich ist, etwa bei Gebäudeaufstockungen oder in Erdbebengebieten.

Hinzu kommen heute aber auch Umwelt- und Klimagründe. Der Klimaschutz ist ein gesellschaftlich verankertes Ideal. Holz ist ein nachhaltiger Rohstoff, der Kohlenstoffdioxid bindet. Es ist teilweise absurd, in Zeiten zunehmender Lufttemperatur und extrem heißer Sommer, Paläste aus Stahl und Glas zu bauen, die ohne Gebäudekühlung nicht mehr auskommen. Im Gegenzug wird die Begrünung, wie sie in vergangener Zeit noch in Form von schattenspendenden Bäumen, selbstverständlich war, eingespart. Der Energiebedarf für Bau, Betrieb – und Recycling – steigt ins Unermessliche. Klimaschutz ist dann nur noch eine Floskel.
Demgegenüber bietet Holzbau eine strukturelle Alternative. Der Energiebedarf wird für die Fertigung sowie für den Betrieb wesentlich minimiert.
Der moderne Holzbau ist in der Folge ein High-Tech-Produkt: Durch den hohen Vorfertigungsgrad im Werk sowie durch maschinengesteuerte Bearbeitung, insbesondere aber auch als Hybrid-Werkstoff im Verbund mit Beton, Stahl oder Glas oder mit Vorspannung, entwickelt der moderne Holzbau ungeahnte Möglichkeiten. Die Bemessung ist dann keine Erfahrungsangelegenheit mehr, sondern im Sinne des Ingenieurholzbaus eine wissenschaftlich fundierte Methode.
Und doch bleibt der Holzbau vor allem eines: Zurückgebunden an der Natur. Und das ist auch das Wesentliche für uns Menschen im 21. Jahrhundert: Die Natürlichkeit unserer Umgebungen!
Der Holzbau ist ein ganz großer Kreis, der sich in langen Zeiträumen vollzieht: Von einer nachhaltigen Forstwirtschaft über den aktiven Umweltschutz bis hin zur Holzverarbeitung muss die Betrachtung ganzheitlich erfolgen. Entgegen einer Zeit, in der der Fichtenwald das Non-plus-Ultra war, geht die Tendenz ohnehin in Richtung Mischwald, womit eine höhere Resilienz gegenüber Umwelteinwirkungen erzielt werden kann, sodass sich der Holzbau daran anpasst: Die Tendenz geht Richtung Laubholzbau als Holzwerkstoff, womit höhere Festigkeiten erzielbar sind, die Druck, Zug und Biegung betreffen. Laubholz erlebt heute eine Renaissance.
Abseits vom Bauhaus: Wer heute „rebellisch“ sein will, setzt auf das Echte. Die Option für das Gewachsene ist ungemein rebellisch.