Bauen mit Massivholz: Vorteile und Grenzen

Der heutige Fokus auf den Massivholzbau macht auch eine Auseinandersetzung mit (historischen) Alternativen notwendig.

Bauhistorisch dürfte die Blockbauweise in Nadelwaldgebieten die ursprünglichste Variante des Bauens mit Holz gewesen sein. Der Einfachheit wegen wurden Holzstämme übereinandergestapelt und mit vertikalen Pfosten, später mit Bändern oder durch formschlüssigen Zuschnitt gesichert.

Im Gegensatz dazu war in Gebieten mit Laubmischwäldern aufgrund der unregelmäßigen Struktur von Laubholz die Pfostenbauweise naheliegend. Die Pfosten wurden bis zu einen Meter in den Boden eingegraben, womit die Stabilität gegeben war, was allerdings zu Lasten der Dauerhaftigkeit ging.

Die Ständerbauweise war eine Weiterentwicklung, indem das Ständerbauwerk auf einen Schwellriegel gestellt wurde. Die Ständer werden in die Schwellen eingezapft. Da die Konstruktion, die jetzt nicht mehr in das Erdreich eingespannt ist, horizontal und vertikal ausgesteift werden muss, um konstruktiv ein bauliches Ganzes zu bilden, eröffnet sich eine Vielzahl an konstruktiven Schwierigkeiten.

Aus diesen historischen Umständen ergibt sich der Fachwerksbau, wobei zwischen älterem Ständerbau, bei dem die Wandständer von der Schwelle bis zur Traufe durchgehen, und zwischen dem Stockwerksbau, bei dem jedes Stockwerk ein konstruktives Ganzes darstellt, zu unterscheiden ist.

Die Rationalisierung des Bauens mit Holz führte grundsätzlich zu schlankeren Bauweisen, um im Mittelalter das zunehmend knappe Gut Holz restriktiver einzusetzen, wodurch sich nicht nur der Fachwerksbau, sondern auch das Bundwerk im Alpenraum durchsetzten.

Das Bauen mit Holzwerkstoffen eröffnet heute wieder Möglichkeiten zum Massivholzbau. Um gegenüber dem Massivbau mit Beton und dem Mauerwerksbau konkurrenzfähige Alternativen zu bieten, steht mit dem Brettsperrholz, das aus verklebten Lamellen besteht, eine leistungsstarke Möglichkeit im Holzbau zur Verfügung. Das kreuzweise Verkleben wirkt dabei den fasergerichteten Schwächen sowie dem Feuchteverhalten entgegen.

Allerdings trügt jeder Massivbau, indem dem Gestaltenden vermittelt wird, dass das massive Bauen scheinbar jede Form ermöglicht und der Kraftfluss schon irgendwie durch Masse und Steifigkeit geregelt wird. Bei einfachen Bauformen vielleicht, bei komplexen Bauformen dezidiert nein, weder im Stahlbetonbau noch im Massivholzbau. Aus statischer Sicht ist folglich die Stabbauweise gegenüber der Scheiben- oder Plattenbauweise immer stringenter. Das Bauen mit Scheiben oder Platten macht nämlich – je nach Werkstoff und Werkstoffmodell – ohnehin wieder Vereinfachungen in Richtung Stabwerkmodell notwendig, sodass die Annahme der Richtungsunabhängigkeit ein Trugschluss ist.

Gerade im Massivholzbau sind die flächigen Massivholzelemente zumeist nämlich punktuell gelagert. Die Zug- und Druckkräfte, die neben den Scherkräften punktuell übertragen werden müssen, stehen im groben Widerspruch zu der richtungsunabhängigen flächigen Annahme. Für den Tragwerksplaner ergeben sich ohnehin sowohl im Massivholzbau als auch im Stahlbetonbau mit der stabförmigen Bewehrungsführung Kraftflüsse, die nicht einfach nur pauschalisiert auf die Fläche verteilt werden können, vor allem dann nicht, wenn die Kräfte mehr oder weniger direkt vom First ins Fundament zu führen sind.

Die Annahme einer flächigen Lastabtragung, bei der man sich weder um Stabilität, Erdbebenkräfte, Windkräfte, Bauphysik und Brandschutz, Verformungen und Schwingungen oder Robustheit zu kümmern hat, sind ohnehin nur im Rahmen der wenig komplexen Planung zulässig und stoßen schnell an ihre Grenzen, wenn nämlich das Bauwerk größer wird und die Nachweise restriktiver werden.

Faktisch stellen sich beim Massivholzbau weitreichende Anforderungen an Bauphysik, Abdichtung, Schallschutz, Beschwerung, Detailausführung und Brandschutz.

Das Bauen mit Massivholz (Mass timber bzw. Cross laminated timber CLT) ist vielversprechend. Der hohe Vorfertigungsgrad im Werk mit standardisierten Verbindungen verspricht kurze Bauzeiten. Mit dem Furnierschichtholz und Brettsperrholz aus Laubholz sind zunehmend leistungsstarke Alternativen zum Stahlbau auf dem Markt. Letztlich sind Stahlbau sowie Stahlbetonbau im Sinne eines hybriden Bauens aber immer irgendwo komplementär zum Massivholzbau, wobei die Abtragung der Horizontalkräfte in Grenzen auch ein reiner Massivholzbau gewährleisten kann.

Durch innovative Holzbauverbinder wird heute die Unterscheidung zwischen Scherwinkeln und Zugwinkeln zunehmend obsolet und es kommen kombinierte Holzbauverbinder zum Einsatz, die das Bauen deutlich effizienter gestalten. Innovationen betreffen hierbei auch die Möglichkeit punktgestützter Flachdecken im Massivholzbau sowie eckgelagerter Verbindungen.

Abgesehen von den konstruktiven Möglichkeiten eröffnen sich durch moderne Verbindungen auch effiziente Tragwerksberechnungsmöglichkeiten, die von Beginn an an die Verbindung und an die Durchgestaltung und folglich an eine realistische Modellierung in Finiten Elementen denken, bei welcher die Nachgiebigkeiten berücksichtigt werden, sodass die Effizienz deutlich gesteigert und es mit pauschalisierenden Bemessungen nicht mehr getan ist.

Ästhetisch betrachtet erzielen flächige Massivholzelemente in Sicht eine große Wirkung. Aber auch nicht überall. Dort, wo der Massivbau den Kraftfluss verbirgt und dem prüfenden Geist mehr Fragen als Antworten übrig bleiben, entsteht ein Gefühl der reinen Imitation, sodass das Bauen in Stabwerken oftmals einen unmittelbareren Zugang zur Materie gewährt.

Negativ wirkt sich beim Massivholzbau der Umstand aus, dass viel zu viel Holz verwendet wird und Holz grundsätzlich ein natürlich limitierter Werkstoff ist. Ähnliche Hintergründe führten in der Geschichte zu filigraneren Bauwerken, zum Fachwerksbau und zum Bundwerk. Massivholzbau wird dann, wenn der Holzbau sich stärker gegenüber anderen Bauweisen durchsetzt, in Grenzen angewandt werden müssen. Filigranere Tragwerke, die mit weniger Material mehr Wirkung erzielen sind im Sinne der Effizienz im Vorteil.

Die Zukunft wird ohnehin hybrid: Holz in Stabwerksform, Massivholz, Nadelholz und Laubholz, Stahl und Stahlbeton, Verbundbauweisen, Kunststoffe und Membranen: Jeder Werkstoff hat seine Berechtigung, alle Werkstoffe haben ihre Vor- und Nachteile, das Planen läuft darauf hinaus, den „besten“ Werkstoff für das bauliche Anliegen zu finden. Und Holz hat immer auch Grenzen, die innovative Knotenpunktausführungen notwendig machen.

Letztlich sind Massivbauweise und Stabbauweise im Sinne eines hybriden Ansatzes komplementär, sie ergänzen sich und sind immer zum Zwecke des bestmöglichen Tragwerksansatzes zu prüfen. Ein kritischer Geist will auch den Kraftfluss erfassen und nicht im Sinne einer rein ästhetisierenden Oberflächlichkeit verbergen. In diesem Sinne erzielt eine klare Formensprache auch im modernen Holzbau die größte Wirkung.

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