Demanega

#ingenieurbaukultur

Konfliktmanagement im Bauwesen

Published by

on

Wir alle kennen es: Konflikte am Bau sind vorprogrammiert. Bauherr streitet mit Handwerkern. Bauherr streitet mit den Nachbarn. Handwerker streiten mit dem Architekten. Architekt streitet mit dem Bauingenieur. Der Bauingenieur ist ohnehin der Prellbock für alle, weil sich Statik und Naturgesetze nun einmal nicht beliebig nach Wunschdenken umplanen lassen und weil die konstruktiven Erfordernisse in der Planung fälschlicherweise als „Beiwerk“ aufgefasst werden. Der Boden ist schlechter als erwartet. Die Baufirma erhebt überzogene Preisforderungen. Die Marktpreise steigen. Die Behörden legen Hürden aus. Letztlich: Die Finanzierung wackelt. Und dann: Anwälte und Gerichte kommen ins Spiel. Billig wird es dann nicht mehr.

Im Gegensatz zu anderen Ingenieur-Disziplinen, etwa im Gegensatz zum Maschinenbau, wo es um den Bau von Prototypen geht, welche auf Zuverlässigkeit erprobt werden und in der Folge in Serienproduktion gehen, stellt jedes Bauprojekt eine Sonderanfertigung dar, welche auf spezielle Kundenwünsche, regional verfügbare Baumaterialien und Bautechniken, lokale Bodenverhältnisse, hydrogeologische Gefahren, Abstimmung zwischen den Planern, Ausführenden, Behörden und Auftraggebern und dem einschränkenden Kostenrahmen anzupassen sind, der mit der Zeit ständig steigt.

Vielfach geht es aus Planer-Sicht darum, mit sehr begrenzten Vorab-Informationen eine vollständige Planung durchzuführen, die erst nach erfolgter Bauplanung, während der Ausführung, mit der Realität abzugleichen möglich ist. Konflikte sind in der Folge vorprogrammiert!

Die Probleme, die im Konkreten auftreten, können wie folgt zusammenfassend dargelegt werden [1]:

  • Unklares Bau-Soll
  • Mangelnde Abstimmung zwischen den Beteiligten
  • Fehlende Kompetenz der Beteiligten
  • Enormer Kostendruck und Mehrkostenforderung als „Methode“, um die angebotenen Preise zu „sanieren“
  • Falsche Projektannahmen
  • Planverzug
  • Mangelnde Entscheidungsfähigkeit
  • Mangelndes Projektmanagement
  • Mangelnde Konfliktprävention

Konflikte – und Kriege

Wesentlich ist das Stichwort „Konfliktmanagement“. Konflikte sind die Regel und nicht die Ausnahme. Trotzdem wird das Thema Konflikte in der Regel gemieden, um nicht den Konflikt als selbsterfüllende Prophezeiung heraufzubeschwören. Nur ist meistens die Vermeidung, die Probleme beim Namen zu nennen, keine Garantie, dass die Probleme nicht auftreten, ganz im Gegenteil. Ein seriöses Konfliktmanagement ist folglich wesentlich. Nur, wie?

Selbstverständlich kann man sich durch die Lektüre „Über den Krieg“ von Carl von Clausewitz oder durch die chinesische „Kunst des Krieges“ von Sunzi auf die kommende Baubesprechung vorbereiten. Oder nach Carl Schmitt jede Auseinandersetzung als Freund-Feind-Bestimmung auffassen. Vorteilhaft im Sinne eines erfolgreichen Projektabschlusses ist das allerdings nicht.

Besser ist es in den meisten Fällen, sich im Bewusstsein zu behalten, wie sich Konflikte wirklich verhalten, wie sie sich steuern lassen und worin die Konsequenzen bestehen können. Wobei die inhaltliche Auseinandersetzung mit kriegerischen Konflikten, ihren Ursachen, Motiven und ihrer Ökonomie selbstverständlich bereichernd wirkt. Zumindest, um sich im Bewusstsein zu behalten, ab wann konflikttechnisch der „Point of no return“ erreicht ist und es nur noch um den Kampf von jedem gegen jeden geht. Dieser Punkt, an dem alle verlieren, ist im Sinne des Konfliktmanagements zu verhindern.

Was auf jeden Fall gilt, ist, was Carl Schmitt meint mit den Worten: „Souverän ist, wer den Ausnahmezustand herbeiführt“. Um dieses Soverän-Sein geht es. Aber mit Weitsicht, Strategie und konstruktiver Einstellung, die dem gemeinsamen (!) Projektziel dient.

Modernes Konfliktmanagement und Konfliktkultur – Emotionen bleiben draußen

Der Klassiker der Konflikttheorie ist das Werk „Konfliktmanagement“ des österreichischen Ökonomen Friedrich Glasl [2]. Glasl liefert eine Konflikttheorie, welche die Dynamik von Konflikten und ihre Eskalation bis hin zum allseits vernichtenden Konflikt erläutert und dabei Strategien liefert, wie eine Deeskalation möglich ist – wenn diese denn nur gewollt ist. Glasl unterscheidet 3 Ebenen und 9 Stufen:

Ebene 1: „Win-Win“

Stufe 1: Verhärtung

Stufe 2: Debatte / Polemik

Stufe 3: Taten statt Worte

Ebene 2: „Win-Lose“

Stufe 4: Koalitionen

Stufe 5: Gesichtsverlust

Stufe 6: Drohstrategien

Ebene 3: „Lose-Lose“

Stufe 7: Begrenzte Vernichtungsschläge

Stufe 8: Zersplitterung und Vernichtungsaktionen

Stufe 9: Gemeinsam in den Abgrund

Wesentlich ist in jedem Konflikt die Hinterfragung der eigentlichen Motive. Viele Konflikte sind reine Stellvertreter-Kriege, während die eigentlichen Motive im Verborgenen bleiben. Dazu hat Roger Fisher mit der Harvard-Methode [3] methodische Ansätze geliefert, wie soziale Konflikte im Verhandlungswege beseitigt werden können.

Konflikte werden nicht vermieden oder bis ans Ende gekämpft, sondern „gelöst“. Dann und nur dann birgt der Konflikt ein kreatives Moment, weil Umdenken und Neudenken nicht ohne Anlass passieren. Und manchmal ein „reinigendes Gewitter“ notwendig ist, da ansonsten alles beim Alten bleibt und verkrustet. Auf jeden Fall gehören Konflikte und Verhandlungen geplant und vorbereitet. Es geht um eine lösungsorientierte Konfliktkultur. Wenn die Motive, Ziele und Positionen klar sind, wird und muss es auch möglich sein, eine Lösung zu finden, mit welcher sich alle Seiten zufrieden geben können. Das Chaos entsteht dort, wo weder Motive, Ziele, noch Positionen klar sind und die pure Emotion den Blick auf die Vernunft trübt. Leider ist letzteres die Regel.

Wesentlich ist der konstruktive Wille zum gemeinsamen Projekterfolg. Wichtig ist es dann vielleicht auch, destruktive und toxische Kräfte als solche zu benennen und auszugrenzen, weil diese nicht nur das sprichwörtliche „Sand im Getriebe“ sind, sondern die Leistung ganzer Teams desavouieren und Einzelne bremsen und hindern. Man gewinnt kein Projekt, wenn man ständig damit beschäftigt ist, die Wogen in den eigenen Reihen zu glätten. Das römische „Divide et impera“ wusste dies auf Kosten der anderen auszuschlachten.

Negativ-Beispiel ist auf jeden Fall und erfahrungsgemäß die Politik, in der gegenseitige Egoismen – sowohl parlamentarisch als auch parteiintern – regelmäßig in „Lose-Lose“-Situationen münden; zum Gaudium der Medien und der Öffentlichkeit. Im Nachhinein fragt man sich: „Cui bono“? Die Antwort gibt es vielfach erst spät. Eine strategische Planung und eine strategische Intelligenz, die nicht nur im kurzsichtigen eigenen Vorteil mündet, bleiben vielfach aus. Leider. Was sich – offenbar – die Politik leisten kann, ist allerdings im Bauwesen, wo es um viel Geld und gegenseitige Erwartungen an den Projekterfolg geht, nicht zu dulden.

Literatur:

[1] Katharina Müller & Rainer Stempkowski (Hrsg.): „Handbuch Claim-Management“, Linde Verlag, Wien 2015

[2] Friedrich Glasl: „Konfliktmanagement – Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater“, Haupt Verlag, Bern 2013

[3] Roger Fisher: „Das Harvard Konzept – Der Klassiker der Verhandlungstechnik“, Campus Verlag, Frankfurt am Main 2013

27 Antworten zu „Konfliktmanagement im Bauwesen”.

  1. Avatar von Fritz Leonhardt: Innovation und Ästhetik des Tragwerks – Demanega

    […] das tragfähig, stabil und dauerhaft ist. Dieses Unterfangen gelingt nicht oder nicht sofort. Konflikte und gegenseitige Anpassungen sind vorprogrammiert. Eine Seite gibt schließlich nach. Am Ende sind […]

    Like

  2. Avatar von Krisenmanagement: Orientierung am Ernstfall – Demanega

    […] als Drohungen aufgefasst werden, sind allenfalls das letzte Mittel und münden potentiell in der Eskalationsspirale sowie in der gegenseitigen Destruktivität. Außer, man agiert aus einer Machtposition heraus, […]

    Like

  3. Avatar von Krisenkommunikation und gezielte mediale Kampagnen – Demanega

    […] Konfliktmanagement im Bauwesen […]

    Like

  4. Avatar von Proaktives Claim-Management im Bauprozess – Dokumentieren, kommunizieren, intervenieren – Demanega

    […] die notwendige Klarheit zu erlangen und um keine unnötigen Aufwände in das Krisenmanagement und Konfliktmanagement zu […]

    Like

  5. Avatar von Antonio Nieto-Rodriguez: „Was ist Projektmanagement?“ – Demanega

    […] Konfliktmanagement im Bauwesen […]

    Like

  6. Avatar von Was hat Elon Musk mit Twitter vor? – Demanega

    […] Doch was führt Elon Musk mit Twitter wirklich im Schilde? Liest man die Stellungnahmen Musks, so geht es ihm vordergründig darum, einen Zustand der Einseitigkeit und der mangelnden Meinungsfreiheit bei Twitter zu beenden und Twitter „einladender“ zu gestalten. Er wolle verhindern, dass sich die politischen Spektren auf verschiedene Plattformen ausbreiten und dieser Aufsplitterung der digitalen Gesellschaft eine gemeinsame Plattform eine gemeinsame Plattform zur Verfügung stellen. Elon Musk übt sich folglich als Philanthrop. Diese gemeinsame Plattform erfordert allerdings auch viel mehr Einsatz für Moderation konträrer Meinungen und Konflikte. […]

    Like

  7. Avatar von Der Herbst und die Veränderungen – Demanega

    […] zu lenken, um eine Eskalation zu verhindern. Es wird ein Krisenmanagement notwendig bevor denn ein Konflikt […]

    Like

  8. Avatar von Veränderungsmanagement: Anpassung gewinnt! – Demanega

    […] Konfliktmanagement im Bauwesen […]

    Like

  9. Avatar von Grüne Verkehrspolitik vs. politische Realität – Demanega

    […] weiter negativ beeinflussen. Die davon betroffenen Bürger hatten und haben bis heute kein Mitspracherecht in der ganzen […]

    Like

  10. Avatar von Innovatives Projektmanagement: Wir schaffen das! – Demanega

    […] dann sind die Fachplaner dran, dieses realisierbar zu machen. Schaffen diese das nicht, stehen die Konflikte an. Können die Bauunternehmen hingegen den Plan-Soll nicht mangelfrei realisieren, stehen erst […]

    Like

  11. Avatar von Mein Parlamentsumbau in Wien – Demanega

    […] Bedeutung die gegenseitige Erwartungshaltung im beruflichen Alltag, zäh waren die Debatten, Konflikte und Entscheidungsfindungen und enorm der öffentliche Druck, ein Scheitern hätte die ganze Welt […]

    Like

  12. Avatar von Projektmanagement im Bauwesen: Strukturiert zum Ziel – Demanega

    […] und auf ein zuverlässiges Informationssystem zu stützen ist. Ein besonderes Augenmerk ist auf das Konfliktmanagement zu legen. Konflikte lähmen und paralysieren, bremsen und zerstören die Zielerreichung. Die […]

    Like

  13. Avatar von Zwischen Understatement und Ego-Show: Wege zum Erfolg – Demanega

    […] und auf den Endnutzer kommt es an Ausweitung der Kampfzone oder gemeinsam zum Ziel Konfliktmanagement im Bauwesen Veränderungsmanagement: Anpassung gewinnt! Neue Arbeitswelten in einer […]

    Like

  14. Avatar von Forensic Engineering: Sachverständig im Bauwesen und vor Gericht – Demanega

    […] Claim-Management im Bauprozess – Dokumentieren, kommunizieren, intervenieren Konfliktmanagement im Bauwesen Baumängel, Bauschäden […]

    Like

  15. Avatar von Projektleitung, Projektsteuerung und Bauleitung – Demanega

    […] und nach von der technischen Ebene zur wirtschaftlichen und auch juristischen Ebene verlagern. Die Konflikte nehmen zu, werden auch heißer ausgetragen, die gegenseitigen Vorwürfe sind hart und die […]

    Like

  16. Avatar von Lean Engineering: Einfach besser planen und bauen! – Demanega

    […] Allerdings gibt es vielfach keine Akzeptanz für möglichst spät ausgelieferte Pläne, weil die Nervosität und der Druck hoch sind und entsprechend auch die Angst, in Plan- und Bauverzug zu geraten. […]

    Like

  17. Avatar von Mediation am Bau: Konflikte nachhaltig lösen, Projektziele erreichen – Demanega

    […] Projektmanagement bewährt sich auch und besonders im Konfliktfall. Ohne Konfliktmanagement weitet sich der Konflikt potentiell zur Krise aus und schreckt den […]

    Like

  18. Avatar von Vinschgau: Umfahrungstunnel Kastelbell-Galsaun – Demanega

    […] Die Baufirma sah sich zeitweise mit Schwierigkeiten konfrontiert. Nach einer gerichtlichen Entscheidung erhielt die nächstgereihte Firma den Auftrag für die Arbeiten die Bauarbeiten sind nun wieder im […]

    Like

  19. Avatar von Krisenmanagement im Bauwesen: Bestehen im Ernstfall – Demanega

    […] Projektmanagement bewährt sich auch und besonders im Konfliktfall. Ohne Konfliktmanagement weitet sich der Konflikt potentiell zur Krise aus und schreckt den […]

    Like

  20. Avatar von Mediale Krisen und Konflikte: Trotzdem zum Projekterfolg – Demanega

    […] an öffentlichen Projekten oder grundsätzlich an Bauprojekten arbeitet, ist immer Konflikten ausgesetzt, die dann, wenn die Öffentlichkeit das Zepter übernimmt, zur Krise auszuweiten drohen. […]

    Like

  21. Avatar von Erfolgreich im medialen Gewitter – Gegenstrategien aktivieren – Demanega

    […] werden, sind allenfalls das letzte Mittel einer Konfliktführung und münden potentiell in der Eskalationsspirale sowie in der gegenseitigen Destruktivität. Wer in Konflikte beteiligt ist, weiß spätestens dann, […]

    Like

  22. Avatar von Bessere Projekte: Effizienter, digitaler, erfolgreicher – Demanega

    […] naturgemäß ein Ordnungsprinzip, weil mit der Größe und Komplexität des Projekts die möglichen Konflikte zunehmen. Andererseits: Wenn ein solches nicht auch schon bei kleineren Projekten gelebt wird, wird […]

    Like

  23. Avatar von Konfliktmanagement und Krisenmanagement im Projektmanagement: Erfolgreiche Bauprojekte – Demanega

    […] Drohungen aufgefasst werden, sind allenfalls das letzte Mittel und münden potentiell in der Eskalationsspirale sowie in der gegenseitigen Destruktivität. Außer, man agiert aus einer Machtposition heraus, […]

    Like

  24. Avatar von Führen in der Krise – Wenn es hart auf hart kommt – Demanega

    […] Krisenmanagement: Orientierung am Ernstfall Konfliktmanagement im Bauwesen […]

    Like

  25. Avatar von Streiten am Bau: Wege zur Konfliktlösung – Demanega

    […] Wir schaffen das! Forensic Engineering: Sachverständig im Bauwesen und vor Gericht Konfliktmanagement im Bauwesen Krisenmanagement: Orientierung am Ernstfall Proaktives Claim-Management im Bauprozess […]

    Like

  26. Avatar von Sei keine Schildkröte. Krisenmanagement und Krisenkommunikation im Ernstfall. – Demanega

    […] Drohungen aufgefasst werden, sind allenfalls das letzte Mittel und münden potentiell in der Eskalationsspirale sowie in der gegenseitigen […]

    Like

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..