Mit Wasserkraft in die Energiezukunft

Alle Zukunfts- und Wachstumstechnologien, ob Elektromobilität, Wasserstoff, Digitalisierung und Vernetzung oder Künstliche Intelligenz hängen von der gesicherten und tendenziell wachsenden Verfügbarkeit von Energie ab, insofern es uns nicht gelingt, deutlich effizienter zu wachsen und künftig mit weniger elektrischer Energie auzukommen, was eher unrealistisch erscheint.

Die Wasserkraft stellt in alpinen Ländern eine Schlüsseltechnologie dar, um – aufgrund der Speicherkapazität – die Energieversorgung zu sichern und Spannungsspitzen auszugleichen.

Grundsätzlich ist für den Wasserbau die Bernoulli-Gleichung von Bedeutung, die besagt, dass die Energielinie, also das Produkt aus Höhe, Geschwindigkeit und Druck, entlang einer Stromlinie konstant bleibt; wenngleich diese Prämisse nur im Rahmen idealisierter Zustände zutreffend ist.

Der große Nachteil der Wasserkraft besteht in der Abhängigkeit von den Witterungsverhältnissen, was besonders in Zeiten des Klimawandels zum Problem wird. Die Potenzialität von Wasserkraft bezieht sich – alleine aus der Analyse der Bernoulli-Gleichung – auf Gebiete mit hoher potenzieller Energie, wie dies im alpinen Gebiet der Fall ist.

Es kommt folglich nicht von ungefähr, dass der Anteil an Wasserkraft in der Bundesrepublik Deutschland vergleichsweise gering ist und Solarenergie und Windenergie im Rahmen der Energiewende vorteilhafter sind. Der Anteil der Wasserkraft am Gesamtenergieverbrauch liegt in Deutschland bei knapp über 8%.

Für Italien errechnet das Mailänder Beratungsunternehmen Althesys dem Faktor Wasserkraft eine Beteiligung an der gesamten Energieproduktion von mehr als 16%. Instandhaltung und Modernisierung seien – aufgrund des hohen Alters der Anlagen von vielfach über 70 Jahren – die wesentlichen Handlungsfelder. Es geht dabei – am einfachsten – um die Erneuerung der elektromagnetischen Anlagen, aber auch um komplexe Eingriffe in Kanäle und Tunnel, in Druckbehälter und Druckleitungen, um die Wirksamkeit zu potenzieren.

Insbesondere Italien hat durch die geographische Lage südlich der Alpen und durch die Entwässerung der in den Alpen entspringenden Flüsse in Richtung Süden früh und umfangreich in die Wasserkraft investiert, wovon auch manche Angelegenheit in Südtirol zeugt und wofür der Reschenstausee symbolisch bis heute steht.

In Südtirol haben besonders die Entwicklungen rund um die ehemalige Landesenergiegesellschaft SEL (heute Alperia) gehörige Turbulenzen in die Wasserkraft gebracht. Der Südtiroler Energieverband (SEV) bündelt heute hingegen die Interessen der kleinen und mittleren Energieunternehmer im Sinne einer dezentralen Energieversorgung.

Mit Blick auf die Welt ist das Potential der Wasserkraft in alpinen Ländern wie Südtirol, Österreich oder Skandinavien bereits in den letzten Jahrzehnten weitgehend ausgeschöpft worden, wobei davon auszugehen ist, dass das technische Potential in Europa erst zu 50% ausgenützt ist [1]. Derzeit geht es eher darum, bestehende Anlagen zu optimieren und die Effizienz auszubauen. Grundsätzlich sind für die Effizienz von Wasserkraftanlagen die Faktoren Hydrogeologie und meteorologische Verhältnisse das Um und Auf.

Gerade in Asien (China, Indien), Afrika (Äthiopien), der Türkei oder Südamerika (Brasilien), also in Ländern mit derzeit geringer elektrischer Versorgung, insbesondere aus erneuerbaren Energiequellen, aber großem hydrogeologischen Potential, besteht die Chance für Wasserkraftanlagen, wenngleich ökologische und politische Konflikte auf der Tagesordnung stehen: „Geopolitik: Faktor Wasserkraft: Wenn das blaue Gold internationale Konflikte provoziert“ (Link).

In Afrika ist – Stand 2012 – von einem technischen Potenzial auszugehen, das zu 7,4%, in Asien (inklusive Russland und Türkei) zu 17,4%, in Nordamerika zu 35,5%, in Südamerika zu 25,4 und in Ozeanien zu 21,1% ausgenützt ist [1]. Das ergibt eine weltweite Nutzung von „nur“ 22,2%. Die Rede ist dabei vom technisch nutzbaren und nicht vom theoretisch nutzbaren Potenzial. Grundsätzlich besteht folglich immer noch ein weltweit hoher Bedarf an neuen Wasserkraftanlagen.

Gegenüber Megaprojekten, deren Auswirkung weitreichend sind, ist die Forcierung kleinerer Projekte vorteilhaft, weil dadurch eine schonende, dezentralisierte Energieversorgung gelingt. Wenngleich sich Megaprojekte natürlich auch politisch ganz anders vermarkten lassen.

Technologie Wasserkraft

Topographisch betrachtet werden Speicherkraftwerke im Hochgebirge, Wasserkraftwerke als Laufwasser- und Speicherkraftwerke im Mittelgebirge und Laufwasserkraftwerke im Unterlauf angeordnet. Niederdruckanlagen haben eine Fallhöhe unter 15 Meter, Niederdruckanlagen zwischen 15 und 50 Meter und Hochdruckanlagen ab 50 Meter. Kleinwasserkraftanlagen verfügen in der Regel über eine Leistung unter 1 Megawatt, mittelgroße Wasserkraftanlagen sind für weniger als 100 Megawatt und Großwasserkraftanlagen ab 100 Megawatt konzipiert [1].

Laufwasserkraftwerke oder Niederdruckanlagen entstehen an Flüssen und haben neben der Energieerzeugung den Zweck, das Hochwasser zu regulieren. Das Wasser wird über eine Wehr aufgestaut. Je nach Anordnung von Wehr und Krafthaus sind diverse Bauarten denkbar: „Beim Krafthaus handelt es sich um den Ort einer Wasserkraftanlage, der der Stromerzeugung im eigentlichen Sinne dient. Die hierzu notwendigen Maschinen und Anlagenteile (Turbinen, Generatoren und Transformatoren etc.), die Einrichtungen zur Zu- und Ableitung des Triebwassers (hydraulische Verschluss- und Regelorgane, gegebenenfalls Einlaufspirale und Saugschlauch etc.), ferner die maschinellen und elektrischen Hilfseinrichtungen (Steuer- und Regleraggregate, Schaltungen etc.), die Montagevorrichtungen (Kran, Werkstätten etc.) sowie Nebenräume (Schaltwarte, Betriebs- und Sozialräume etc.) sind im Krafthaus selbst bzw. im direkten Anschluss daran angeordnet„. [1].

Das US-Start-up Natel Energy, an dem Bill Gates beteiligt ist, bemüht sich etwa um eine effiziente und kostensparende Entwicklung von Wasserkraft-Turbinen in Niederdruckanlagen. Ziel ist es, die Wasserkraftturbinen in Gewässern einzusetzen, in denen bisher keine Wasserkraft zur Energieerzeugung genutzt wurde. Unterstrichen wird dadurch allerdings auch die Erwartung, die in die Wasserkraft als Zukunftstechnologie gesetzt wird.

Mittel- und Hochdruckwasserkraftwerke sind durch die hohe Energiemenge der Schlüssel zur Energiesicherheit. Durch die Möglichkeit, den Abfluss zu regulieren, können erhöhte Spannungsnachfragen im großen Maßstab ausgeglichen werden, was die Netzstabilität sichert.

Darüber hinaus stellen Pumpspeicherkraftwerke zwar selbst keinen elektrischen Strom her, speichern diesen allerdings, indem in Zeiten erhöhten Stromangebotes die Pumpen und in Zeiten erhöhten Strombedarfes die Turbinen eingesetzt werden. Der Bau von Pumpspeicherkraftwerken ist heute zunehmend problematisch, ergibt sich nämlich ein nicht zu unterschätzendes hydro-geologisches Risiko sowie ein massiver Eingriff in das Ökosystem in einer Gesellschaft, die Risiken gegenüber immer sensibler ist. Andererseits gibt es im großtechnischen Bereich nicht allzu viele Alternativen zu Pumpspeicherkraftwerken. Die Österreichischen Bundesbahnen bauen in Tauernmoos in den Salzburger Alpen ein Pumpsicherkraftwerk, das bis zu ein Viretel des jährlichen Bahnstrombedarfes abdecken kann.

Für die Zukunft gilt es, die Effizienz der Anlagen deutlich zu erhöhen, wozu nicht nur technische Optimierungsmaßnahmen zählen, sondern ebenso auch die Digitalisierung, wie etwa durch das österreichische Start-up Hydrogrid beabsichtigt. Neben der Effizienz ist die ökologische Nachhaltigkeit das wesentliche Zukunftsthema, weil der massive Eingriff in das Ökosystem, wie er durch Infrastrukturprojekte derartiger Größenordnung der Fall ist, eine ökologische Gesamtsicht erfordert, inklusive der Zukunft der Lebensräume am Fließgewässer.

Kleinwasserkraftwerke garantieren demgegenüber eine dezentrale und schonende Nutzung der Ressource Wasserkraft. Ergänzend und alternativ zu Großkraftwerken sind Auswirkungen und Risiken der Nutzung der Wasserkraft somit lokal begrenzt. Die Energie aus Wasserkraft wird dort produziert, wo sie auch benötigt wird, was die Kosten für den Energietransport reduziert.

Grundsätzlich erfüllt die Wasserkraft in Verbindung mit der Wasserwirtschaft, der Versorgung mit Trinkwasser, dem Hochwasserschutz, aber auch im Zusammenhang mit Hydrologie, der Grundwasserregulierung und hydro-geologischen Risiken sowie im Rahmen der Erhaltung der biologischen Vielfalt eine „Mehrzweckaufgabe“ [1]. Hinzu kommen Schifffahrt, Freizeit- und Erholungsraum und Lebensqualität am Wasser.

Speicher, Batterien und Wasserstoff

Neben der Energieerzeugung wird die Energiespeicherung die Schlüsseltechnologie der Zukunft. Energiespeicherung kann durch chemisch-physikalische Umformung erfolgen, etwa in Form von Batterien oder Wasserstoff [2]. Insbesondere bei Batterien sind derzeit weltweit Start-ups und innovative Ansätze am Start, um die Effizienz zu steigern, besonders durch Feststoffakkumulatoren mit entsprechend hoher Energiedichte, höherer Sicherheit sowie erhöhter Lebensdauer. Etwa das norwegische Start-up EnergyNest, das mit Siemens Energy kooperiert und thermische Batterien aus Stahl und Beton für industrielle Zwecke herstellen will. Der Automobilkonzern Volkswagen investiert hingegen in das Unternehmen QuantumScape, das Feststoffbatterien herstellt. Damit können neue Anreize für elektrischen Schwerverkehr entstehen.

Die Elektromobilität selbst ist als dezentrale und mobile Form der Energiespeicherung zu verstehen. Zu Ende gedacht ist es denkbar, dass die gespeicherte Energie aus der E-Mobilität auch wieder in das Stromnetz eingespeist wird (Smart grid). Dazu ist vor allem entsprechende Infrastruktur notwendig.

Beim Wasserstoff bleibt der Durchbruch seit Jahren aus. Derzeit scheint die Elektromobilität durch effiziente Batterien dem Wasserstoff den Rang abzulaufen. Grund sind mangelnde Effizienz und hohe Kosten für Brennstoffzellen. Die innovativen Unternehmen Plug power (USA), Ballard Power Systems (Kanada) oder Powecell (Schweden) versuchen hier eine Lücke zu schließen. Südtirol versucht durch das Wasserstoffzentrum „H2-South Tyrol“ bereits seit Jahren der Technologie durch ein Verteilungsnetz und die Wasserstoff-Produktion zum Durchbruch zu verhelfen. Grundsätzlich besteht das Potenzial vom Wasserstoff in der erhöhten Reichweite gegenüber dem Elektromotor sowie im stark vereinfachten Tankvorgang.

Pumpspeicherkraftwerke nutzen die Bernoulli-Gleichung und den Vorteil, dass zu bestimmten Tageszeiten der Strompreis aufgrund der geringeren Nachfrage niedriger ist. In den Nachtstunden wird das Wasser folglich über Pumpen in das höher gelegene Speicherbecken gepumpt, das folglich bei Bedarf durch Turbinen in elektrische Energie umgewandelt werden kann. Klingt plausibel und wichtig, der Bau von Pumpspeicherwerken erfreut allerdings in weiten Teilen Europas mit der hohen Anthropologisierung niemanden: „Norwegen bietet zur Speicherung von Strom gute Bedingungen für Pumpspeicherwerke – eine Ergänzung zur Windkraft. Doch die Norweger wollen nicht“ (Link).

Grundsätzlich kommt es wohl auch beim Thema Speichern von Energie auf einen breiten Mix an. Dezentrale Strategien zahlen sich – bei der Energieerzeugung als auch bei der Energiespeicherung – aus. Großprojekte stoßen nämlich zunehmend auf wenig Gegenliebe.

Literatur:

[1] Jürgen Giesecke, Stephan Heimerl & Emil Mosonyi: „Wasserkraftanlagen – Planung, Bau und Betrieb“, 6. Auflage, Springer-Verlag Berlin-Heidelberg 2014

[2] Michael Demanega: „Sistemi di produzione di energia da idrogeno ed applicazione in ambito abitativo“, Università di Trento – Facoltà di Ingegneria, Corso di Laurea – Ingegneria Civile, 2011-2012

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