Wenn es kälter wird: Wohnraum und Wohnwärme werden wichtiger

Das offene Feuer ist eine elementare Gegebenheit. Zu früheren Zeiten war das Feuer überlebensnotwendig, um durch kalte Winternächte zu kommen. Heute ist es nicht anders, aber vielleicht weniger unmittelbar. Wie auch immer übt das Feuer eine Faszination auf uns aus. Offene Feuerschalen oder das offene Kaminfeuer machen die Urkraft Feuer beherrschbar und integrieren sie in unsere menschliche Welt.

Die „Stube“ war in diesem Sinne der beheizte Raum in einem herrschaftlichen Ansitz und später in einem Bauernhof, der mit dem Ofen ausgestattet war. Es war der wichtigste Raum im ganzen Gebäude, um den herum sich das Leben in kalter Winternacht abspielte.

Selbst im modernen, mit allerlei Chemie bepackten „Klimahaus“, das „eigentlich“ gar nicht beheizt werden muss – und am besten auch nicht über öffenbare Fenster verfügt -, spendet der Kachelofen eine physische und emotionale Wärme, die uns wohltut und berührt.

Der französische Philosoph Gaston Bacherlard versucht in seinem Werk „Poetik des Raumes“ der Phänomenologie auf den Grund zu gehen. Das Nichtmaterielle, so Bachelard, wie es in der Atmosphäre im Raum und im Imaginären zu Tage trete, verstärke das Leben. Und so ist es: Als Menschen sind wir geistige Wesen, das Nichtmaterielle ist weitaus wichtiger als das materiell Greifbare.

Die Macht der Rituale, die sich auf eine nichtmaterielle Welt bezieht, meint eine andere Art von Wärme, nämlich eine emotionale Wärme, die Aufgehobenheit in der Zeit, ein tiefer reichender Sinn. Der religiöse Mensch vermag die Nähe zu Gott zu erkennen, andere die „Götter“ (der griechischen Götterwelt oder welcher Welt auch immer) oder die „Natur“ als höhere Macht.

Die Jahreszeiten sowie die Rituale, die sich im Jahreskreis ergeben, füllen das Gebaute mit Leben aus und verbleiben in der Erinnerung, aber auch im Raum, der untrennbar mit diesen Erinnerungen verbunden ist in Form von Atmosphäre, Gefühlen, Gerüchen, Stimmungen.

Mit dem Erntedankfest wird die Fülle des Lebens noch einmal gefeiert und der Wohnraum entsprechend geschmückt, ehe denn Herbst und Winter hereinbrechen.

Zu Allerheiligen ist es die Verbindung zu den Verstorbenen. Diese Verbindung ist auch im Sinne von Baukultur essentiell: Es sind uns Menschen vorausgegangen, diese haben den Wohnraum geprägt, sie haben Spuren hinterlassen – und ihre Leistungen sollen nicht „umsonst“ gewesen sein, indem wir fahrlässig historische Baukultur abreißen und durch die sterile Oberfläche ersetzen, die nach 20 Jahren schon wieder „alt“ und „ranzig“ ist, während die historische Baukultur nach 200 Jahren renoviert wird.

Die Ethnologin Ursula Seghezzi wird in der „Neuen Züricher Zeitung“ wie folgt zitiert:

Die Begeisterung für das Irrationale, die Nacht, das Uralte hat sich gewandelt. Das Unheimliche spielt dabei eine immer grössere Rolle. Es scheint, dass im Gegenzug auch das Wissen um den Wert der Dunkelheit, des Loslassens und des Vergehens verloren gegangen ist. Doch wer sorgsam hinhöre, könne der natürlichen Lebensbewegung folgen, sagt die Ethnologin Ursula Seghezzi. Und er wird dafür belohnt: Tritt man im Alter langsamer, nimmt man die Schönheit hinter den Dingen wahr. Und kann lernen, den Tod nicht als Ende, sondern ihn als Übergang zu sehen. Das ist zwar nur eine unter vielen grossen Erzählungen über das Leben, aber immerhin eine tröstliche.

Allerheiligen ist der Zeitpunkt im Jahr, an dem wir uns in Erinnerung rufen, dass die Toten nicht fern sind, sondern unter uns, dass kein Leben „umsonst“ war und dass es neben der diesseitigen Ordnung eine andere Ordnung gibt, in der andere Werte zählen. Der jenseitigen Welt können wir uns eine Zeit lang verschließen, aber nicht immer. Wenn wir uns mit den großen literarischen Bewegungen des 19. Jahrhunderts befassen und beim russischen Dichterfürsten Fjodor Dostojewski nachschlagen, dann erkennen wir, dass sich eine menschliche Ausrichtung, die das Leben auch über den Tod hinaus ehrt, von einer materialistischen unterscheidet, die im Diesseits das Glück sucht und nie findet.

Allerheiligen ist das eine, der Jahreswechsel das andere. Um den Jahreswechsel stehen die dunkelsten Nächte, die so genannten „Raunächte“ an:

Als mythologisch wichtige Zeit gelten die Nächte um den Jahreswechsel, die sogenannten Raunächte, die für «eine Zeit ausserhalb der Zeit» stehen. Die Verbindung zu Naturwesen, den Ahnen und zum ganzen Kosmos soll in den Raunächten leichter möglich sein. Es heisst, dass dann die Seelen der Verstorbenen, die vor ihrer Zeit gehen mussten, in wilder Jagd durch den Himmel brausten – angeführt von der germanischen Göttin Perchta. Um die «wilde Jagd» vom eigenen Haus fernzuhalten, entzündeten die Menschen Räucherwerk: Fichte, Tanne und Mistel. Auch eine Kerze am Fenster durfte nachts nicht fehlen. Für die Hoffnung und als Zeichen dafür, dem eigenen Lebenslicht Sorge zu tragen.

Im neuen Jahr wird es dann wieder heller: In der Fastnacht (Fasching oder „Maschgra“) werden die Wintergeister vertrieben, ehe im Frühling das Leben neu blüht.

Bauen schafft Raum für menschliches Leben. Dazu gehören die Rituale. Bauen schafft bestenfalls auch Raum für Erinnerungen, die über lange Zeit bleiben. Im Bauen eröffnet sich schließlich auch eine symbolische Ebene. Ornament ist nun einmal kein „Verbrechen“. Im Gegenteil.

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