Weihnachten ist die Zeit im Jahr, die zum Innehalten da ist. Das gilt für die gesamte Adventszeit bis ins neue Jahr hinein bis zum Dreikönigtag (Epiphanie). Wenn denn die Weihnachtszeit nicht durch Konsum-Stress und Familien-Streit beeinträchtigt wird.
Hinzu kommt der Stress im Beruf, weil alle alles noch vor Jahresende abschließen wollen. Abseits davon steht eine Zeit lang alles still. Die Zeit scheint aufgehoben. Wir kommen zu uns und erden im Kreis unserer Familie.
Die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr und in der Folge Dreikönig ist die Zeit, in der wir Rituale vollziehen, die sich zwischen Glaube und Aberglaube einordnen lassen. In diese Rituale stecken wir unsere Emotionen, unsere Nostalgie, aber auch unsere Hoffnung und unsere Wünsche.
Immerwährendes Tannengrün an der Schwelle zwischen drinnen und draußen
Die kälteste Zeit im Jahr, wenn draußen in der Natur alles „tot“ erscheint, ist auch die Zeit, in der wir uns das physisch und emotional wärmende Licht und das immerwährende Grün ins Haus holen, um den Wohnraum mit Leben zu füllen, um uns aber auch unseres eigenen Seins zu vergegenwärtigen, das immer in die Natur und in die großen Zusammenhänge eingebettet ist.
Hinzu kommen Kränze, die allein aus formellen Grünen – ohne konkreten Anfang und ohne Ende – für die Wiederkehr der Dinge stehen. Um es nach Nietzsche zu sagen: „Alles geht, Alles kommt zurück; ewig rollt das Rad des Seins“. „Der Kranz erinnert an den Kreis als universelles Symbol, der ohne Anfang und ohne Ende Ewigkeit und Wiederkehr bedeutet. Er schließt ab, soll vor Dämonen und Unholden schützen und böse Geister bannen können“ schreibt Martha Canestrini [1].
Der Kranz an der Schwelle zwischen draußen und drinnen hat eine zutiefst symbolische Bedeutung.
Elisabeth Mayr schreibt zur dekorativen Seite der Fassade: „Hausfassaden sind ein beliebter Anbringungsort für Zierat aller Art. Sonnen, Sterne, Strahlen, Herzen, Köpfe und viele Symbole mehr finden sich an Türen und Toren sowie über und unter Fenstern. Diese Motive wirken auf uns heute meist als Verzierung, doch kam ihnen ursprünglich oft eine andere Funktion zu“ [2].
Die Sonnenstrahlen, ein klassisches Ornament an ruralen Scheunentoren, steht für die Erlösung und die göttliche Herrlichkeit. Bei der Raute, die vielfach an Fassaden oder Toren angebracht ist, schwanken die Deutungsmuster zwischen reiner Verzierung, Fruchtbarkeitssymbol in Form des weiblichen Geschlechts oder Abwehrsymbolik.
Mayr kommt zum Schluss: „Der Anbringungsort an Toren sowie in der Nähe von Fenstern legte den Schluss nahe, dass die Raute ursprünglich zur Abwehr von Bösem dienen sollte. Tief im menschlichen Denken verankert ist der Wunsch, Haus und Hof vor realen sowie magischen Gefahren zu schützen. Daher finden sich an Hausfassaden zahlreiche Symbole und Figuren, die der Abwehr böser Einflüsse dienen sollen. Die Form und Differenzierung eines Großteils der Rhomben sprechen dafür, dass sie als Abstraktion von Augen zu verstehen sind. Augendarstellungen wurden und werden weltweit zur Abwehr des bösen Blickes verwendet. Bedingt durch den bevorzugten Werkstoff Holz wird die Stilisierung des Auges zur Raute verständlich“.
Und weiter: „Es gibt unzählige Mittel, das Haus gegen Böses zu schützen. Wie überall, ist auch hier die Grenze zwischen Glauben und Aberglauben schwer zu ziehen. Allgemein bekannt ist der Brauch, zu Neujahr die Initialen von Kaspar, Melchior und Balthasar nebst der Jahreszahl mit Kreide an die Tür zu schreiben; ursprünglich waren die Buchstaben C, M und B die Abkürzung eines römischen Spruches – casa mea beatur – zum Schutz des Hauses. Dem römischen Gott Janus, dem Gott allen Anfangs und Eingangs, waren neben dem Jahresanfang (ianuarius – Jänner) auch Türen (ianuae) und Straßendurchgänge (iani) heilig. Häufig sind ebenfalls Heiligenbilder über der Tür, ebenso Kreuze, Hufeisen, Ährenbüschel, aber auch Drudenfüße, Drehwirbel und Drehsonnen“ [2].
Die Ausgestaltung des Eingangsbereiches umfasst darüber hinaus die Bepflanzung. Die Pflanzen, die an der Schwelle zwischen Innen und Außen angeordnet sind, haben einen ganz besonderen Symbolgehalt.
Immergrüne Pflanzen stehen auch in der kalten Jahreszeit für das ewige Leben. Die Eibe gilt als Baum der Totentruhe, steht als immergrüner Baum für das Leben und für den Schutz gegenüber dunklen Mächten. In mediterranen Gegenden mögen auch andere immergrüne Bäume und Sträucher ihre Verwendung finden. In südlichen Gegenden, aber auch in Südtirol, sind das vielfach Lorbeerbäume, die an der Fassade stehen und das ganze Jahr über vom Leben zeugen und darüber hinaus als Heilkraut Verwendung finden. Immergrüne Zypressen verleihen so manchem Südtiroler Bauernhof das ganze Jahr hinweg eine mediterrane Aura, die auch aus der Entfernung wirkt.
Das ewige Licht und der Rauch
Feuer und Wärme im kargen Winter deuten mit der emotionalen Wirkung, die das offene Feuer auf uns ausübt, auf Zeiten hindeuten, in denen das Feuer Leben bedeutete und in denen es überlebensnotwendig war, das Feuer zu entfachen und zu kontrollieren. Mit der Kerze verbinden wir immer auch die Gedanken an eine andere Welt, die nicht die jenseitige ist. Am Ende aller Tage wird alles zu Asche und wird – irgendwann – zu neuem Leben erweckt. Und das Feuer reinigt.
Das Räuchern mag eng mit dem Umgang mit bösen Geistern und mit dem Schutzbedürfnis zusammenhängen, verändert aber ganz sicher die Atmosphäre und die Eindrücke des Raumes und entspricht dem Gefühl einer Reinigung. Es vollzieht sich die Verbindung mit dem Feuer durch den Verbrennungsprozess, die Verbindung mit der Erde in Form der Kräuter und die Veränderung der Luft, die durchströmt wird durch wohlriechenden Rauchgeruch, der in uns etwas entzündet und wachruft.
„Wenn Weihnachten naht, dann ist das für manche mit einer alten Tradition verbunden: dem Räuchern. Ursprünglich ein keltischer Brauch hat sich das Räuchern über Jahrhunderte hinweg erhalten. Zu Weihnachten zieht die Familie durch das Haus und räuchert die Zimmer. Der Familienälteste geht voraus und hält die Räucherpfanne, in der Weihrauch glüht. Zum Segen und Schutz der Familie“ [3]. Das Räuchern wurde fortan in der christlichen Kultur übernommen.
„Die Geschichte beginnt vor fast 10.000 Jahren bei unseren Vorfahren. An den Lagerfeuern sollen sie gesessen sein, nach erfolgreicher Jagd – und danach instinktiv die richtigen Kräuter in die Glut geworfen haben. Lungenkraut, das beim Atmen hilft, oder Wacholder, der die Luft desinfiziert“ [3].
Die so genannten Rauhnächte, die zwölf Nächte von Weihnachten bis zum Tag der Erscheinung (Dreikönig), sind fest im europäischen und auch im alpenländischen Denken verankert und beziehen sich auf die finstersten Nächte im Jahr, in denen die – den Sagen zufolge – die „Wilde Jagd“ übernatürlicher Kräfte stattfinden soll. Kalendarisch handelt es sich um die zwölf Tage, die zwischen Mondkalender und Sonnenkalender abweichen und somit „zu viel“ sind. Es handelt sich natürlich um die mehr oder weniger dunkelsten Nächte im Jahreslauf.
Aufgehoben im Kreis des Lebens
Zwischen den beiden Jahren scheint die Zeit still zu stehen und Raum zu geben, um in sich selbst zu gehen. Es tauchen dann Fragen auf, wie: Wie war das Jahr? Was bringt das kommende Jahr? Wo stehe ich im Leben? Wem bin ich Dank schuldig? Und wem das Bitten um Verzeihung? Welches Leben will ich leben? Und wie muss ich leben, damit ich am Ende glücklich bin? Welche Welt wünsche ich mir und was kann und muss ich zu dieser Welt beitragen? Letzten Endes gilt doch immer wieder: Es gibt nichts Gutes, außer, man tut es.
Daraus leiten sich dann die Vorsätze für das neue Jahr ab. Im besten Fall.
In diesem Sinne: Frohe Weihnachten und ein allseits glückliches neues Jahr.
Literatur:
[1] Martha Canestrini: „Bauerngärten in Südtirol“, Folio Verlag, Wien 2012
[2] Elisabeth Mayr: „Das Rautensymbol im Viertel ober dem Wienerwald“, Matreier Gespräche – Schriftenreihe der Forschungsgemeinschaft Wilheminenberg, Wien 1984
[3] Eva Winroither: „Rauch zum Schutz vor Bakterien und Geistern“, Die Presse, 06.12.2014