Verkehrslawine im Überetsch
Der motorisierte Individualverkehr, der viele Täler überrollt, wird immer offensichtlicher zum Problem. Insbesondere im Überetsch häufen sich die politischen Versprechungen, die noch immer nicht eingelöst wurden. Der zunehmende Fahrradverkehr, der landwirtschaftliche Verkehr sowie der Tourismusverkehr bewirken entlang der „Weinstraße“ zusätzlich zum Berufs- und Pendlerverkehr regelmäßige Krisen. Die „Überetscherbahn“ bleibt folglich Stein des Anstoßes.
Die so genannte „Überetscherbahn“, die immer wieder Teil der öffentlichen Debatte ist, wurde 1971 stillgelegt. In einer Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2008 wurden Potentiale, sowie Trassierungs- und Betriebsvarianten für die Überetscher Bahn festgestellt (Knoflacher & Frey, 2008). Der Trassierungsvorschlag besteht in einer Anbindung der Gemeinden Kaltern und Eppan an Bozen und an das Bozner öffentliche Verkehrsnetz sowie an die Rittner Seilbahn.
Eine Realisierung steht weiterhin aus. Die Landespolitik in Südtirol beharrt trotz anderweitiger Versprechungen auf einer Metrobus-Variante.
Das Potential von Lokalbahnen
Neben der Überetscherbahn wurde in den vergangenen Jahren eine weitere Bahnlösung öffentlich debattiert, nämlich eine „Dolomitenbahn“ von Bozen über Gröden und Gadertal nach Cortina d’Ampezzo (Machbarkeitsstudie). Die lokalen Medien berichteten begeistert.
Nachfolgend erfolgt der Vergleich zwischen Dolomitenbahn, Vinschgerbahn und Überetscherbahn in tabellarischer Form.

Für den direkten Vergleich von Interesse sind die relativen Daten der Baukosten in Bezug auf Streckenlänge, Einwohnerzahl und touristische Daten.

Nachfolgend erfolgt die Darstellung der Bestandssituation im Diagramm.

Mit der Dolomitenbahn soll von Bozen aus in rund 22 Minuten Völs erreicht werden, in 34 Minuten Kastelruth, in 46 Minuten St. Ulrich in Gröden, in 59 Minuten Wolkenstein, in 1 Stunde und 10 Minuten das Grödner Joch, in 1 Stunde und 29 Minuten Corvara im Gadertal und in 2 Stunden und 17 Minuten Cortina d’Ampezzo. Die Machbarkeitsstudie geht von einem Halbstundentakt aus.
Unter Einbeziehung der Dolomitenbahn wird ein weiteres Angebot im öffentlichen Verkehr geschaffen. Die Fahrkartenpreise richten sich nach den Kilometertarifen in Südtirol und sind damit gleich wie die Kosten für den Bus. Die Zugangs- und Abgangszeiten, sowie die Wartezeiten sind ebenso gleich. Die Fahrtzeit wird für die Dolomitenbahn verringert. Es ergibt sich die folgende Verteilung.

Würde man die Taktzeit der Bahn halbieren, würde sich die folgende Konstellation ergeben.

Aus den Prognosen, die die Dolomitenbahn betreffen, lassen sich Prognosen für eine Überetscher Bahn ableiten. Wesentlich sind Takt, Intervall und Fahrtzeiten.
Fazit: Vorteil Schiene

Wesentliche Vorteile einer Bahnverbindung sind die Unabhängigkeit von der Straßenverkehrsauslastung und von Straßenstaus, sowie die Unempfindlichkeit bei winterlichen Verhältnissen. Ein weiterer Vorteil liegt in der hohen Sicherheit gegenüber Unfällen.
Weiters spricht der höhere Komfort grundsätzlich für Schienenlösungen, welcher Tätigkeiten zulässt, die in reifengebundenen Verkehrsmitteln nur eingeschränkt möglich sind (Frey, et al., 2011).
Hinzu kommt die Tatsache, dass die Infrastruktur schienengebundener Verkehrsmittel sichtbar ist, was eine „Vernetzungswirkung“ (Frey, et al., 2011) erzeugt und das Angebot in der Folge optisch erkennbar macht.
Betriebstechnisch sprechen geringere Erhaltungskosten der Fahrbahn und geringere Betriebskosten beim Personal für Schienenlösungen (Frey, et al., 2011). Hinzu kommt die Umweltverträglichkeit durch den elektrischen Antrieb.
Wesentlich ist die integrierte bauliche Anbindung aller Verkehrsträger (Fußgänger, Fahrrad, Bus, PKW, Bahn). Dazu sind Bahnhöfe grundsätzlich als Mobilitäts-Drehscheiben auszubilden, die möglichst geringe Umsteigezeiten garantieren und den Verkehrsfluss rasch und effizient abwickeln. Eine Herausforderung für Architektur und Ingenieurswesen.
Gegenüber einer Schwebebahn, die über Stützen verfügen muss und das Landschaftsbild zusätzlich stört, könnte eine Überetscherbahn in Teilen unterirdisch verlaufen und würde das Landschaftsbild durch eine schonende Trassenführung insgesamt nicht beeinträchtigen.
Es kann folglich angenommen werden, dass Schienenlösungen gegenüber Metrobuslösungen eine effizientere Verlagerung des motorisierten Individualverkehrs zum öffentlichen Verkehr bewirken.
Literatur:
- Michael Demanega: „Das Verkehrswertmodell als Grundlage für eine intelligente und transparente Verkehrsplanung am Beispiel Südtirols“, Technische Universität Wien 2017 (Link)
- Hermann Knoflacher: „Verkehrskonzept Vinschgau“, Maria Gugging 2007
- Hermann Knoflacher & Harald Frey: „Klärung der Voraussetzungen für die Verwirklichung eines schienengebundenen Nahverkehrssystems zwischen dem Überetsch und Bozen“ – Machbarkeitsstudie, Technische Universität Wien, Institut für Verkehrswissenschaften, Wien 2008
- Harald Frey et. al.: „Machbarkeitsstudie Straßenbahnlinie 13“, Institut für Verkehrswissenschaften der Technischen Universität Wien, Wien 2011