Postmodernes Bauen: Teil 1 von 4 – Strukturalismus

Die Architektur, die aus dem Bauhaus heraus entstand, war vielleicht „funktionalistisch“. Unter „Funktionalismus“ ist wohlgemerkt nicht Funktionalität gemeint, sondern ein abstraktes Gestaltungsprinzip, das davon ausgeht, dass baulich dargestellte Funktionen die gestalterische Ästhetik ersetzen würden. Für den Architekturtheoretiker Gerd de Bruyn sind es Funktionalismus und Künstlertum[i] – und nicht nur Funktionalismus alleine –, die sich in der Avantgarde darstellen würden.

Der Kunsthistoriker Heinrich Klotz schreibt zum Wesen und Wirken der Moderne: „Die Moderne hat lokale und regionale Identität nicht gewollt, sondern die internationale Geltung des Neuen Bauens, eines „Stils“, weil der Modernist das Identitätsbedürfnis als ein gegen die Aufklärung gerichtetes Emotionalrelikt entlarvt“[ii].

Nach dem Zweiten Weltkrieg bestand neben der Notwendigkeit, sozialen Wohnraum dringend und effizient zu schaffen, ein „ästhetisches“ Bedürfnis nach Neuheit und Ablegung aller geschichtlichen Tradition. Die Bauhaus-Moderne war – zumindest anfänglich – das Maß aller Dinge. Mit der konsequenten Durchdringung des Stadtbildes durch die bauliche Moderne konnte die Geschichtsbewältigung auch offensichtlich vollzogen werden.

Die Eroberung des Raumes durch den Kraftfahrzeugverkehr sollte ebenso gestalterisch wirken. Ganze Städte und Landstriche sollten an die neuen, „autogerechten“ Bedürfnisse angepasst werden. Das Kraftfahrzeug galt zunehmend als Ausdruck persönlichen Glückes, von Freiheit und Wohlstand.

Mit dem Beton erobert ein neuer Baustoff die gebaute Umwelt, insbesondere im städtischen Bereich. Durch den exzessiven Einsatz des modernen Baustoffes Beton ist in den 1950er-Jahren vom „Brutalismus“ – vom Französischen „béton brut“ als roher Beton – die Rede. Der Brutalismus wurde wesentlich durch Le Corbusier und einen vermeintlich materialgerechten Einsatz des Baustoffes Beton geprägt. Der Beton wird dabei in expressionistischer Art und Weise plastisch in Form gebracht.

Ebenso prägend wirken Erkenntnisse und Lehren in den Sozialwissenschaften. Von dem Funktionalismus der Bauhaus-Architektur vollzieht sich unter Einbeziehung der Sozialwissenschaften und der vermeintlichen Bedürfnisse des Individuums ein Übergang zum Strukturalismus als „Methode und nicht als Stil“[iii].

Der Strukturalismus war eine Antwort auf den gescheitert geglaubten Funktionalismus und seine Monotonie. Die emotionalen Bedürfnisse des Einzelnen, die sich von Zeit zu Zeit ändern sollten, sollten in ein wandelbares und der Theorie nach flexibles Bauwerk Einzug finden.

Der architektonische Entwurf ist im Strukturalismus weniger einer bestimmten Ästhetik denn der Assemblierung der baulichen Module, die sich aus den sozialen Bedürfnissen ergeben, zur Großform und zur Megastruktur, geschuldet. Dieser Gesinnung geht freilich auch die Anmaßung einher, dass der sozialwissenschaftlich geschulte Planer wisse, was „gut“ für den Einzelnen und die Gesellschaft sei, besser noch als der Bewohner selbst.

Parallel dazu vollzieht sich die Entwicklung in Richtung „Post-Moderne“. War es für die Moderne noch wesentlich, den lokalen Bezug im Sinne des „International Style“ zu verwerfen, vollzog sich die Sachlage in der Post-Moderne deutlich anders. Die Post-Moderne stellt den Rückgriff auf die Welt der Symbole und der Identitätsbedürfnisse her.

Ein Rückgriff auf die Tradition im Sinne des Traditionalismus findet allerdings nicht statt. Die lokalen Bezüge und Symbole werden vielfach willkürlich gewählt, stellen häufig keinen Bezug zur Umgebung her, sondern entsprechen der künstlerischen Ausdrucksfähigkeit des Gestaltenden.

Literatur:

[i] Knippers, Jan; Schmid, Ulrich; Speck, Thomas (Hrsgb.): „Bionisch bauen“, Birkhäuser Verlag, Basel 2019

[ii] Klotz, Heinrich: „Revision der Moderne. Postmoderne Architektur 1960–1980“, Ausstellungskatalog des Deutschen Architekturmuseums, Prestel, München 1984

[iii] Weber, Stefan: „Der Wohnpark Alt-Erlaa im Kontext von sozialem Wohnbau und utopischer Architektur“, Universität Wien, Wien 2014

[iv] Radisch, Iris: „Genug dekonstruiert! – Das Café der Existenzialisten“, Die Zeit, 12.01.2017

[v] Moravánszky, Ákos: „Stoffwechsel – Materialverwandlung in der Architektur“, Birkhäuser, Basel 2018

[vi] Reidemeister, Johann Christoph: „Nachdenken über Einfachheit“, Neue Zürcher Zeitung, 28.12.2004

[vii] Weber, Christiane: „Fritz Leonhardt »Leichtbau – eine Forderung unserer Zeit. Anregungen für den Hoch- und Brückenbau« – Zur Einführung baukonstruktiver Prinzipien im Leichtbau in den 1930er- und 1940erJahren“, Karlsruher Institut für Technologie, Karlsruhe 2010

[viii] Bonatz, Paul & Leonhardt, Fritz: „Brücken“, Karl Robert Langewiesche Verlag, Königstein m Taurus 1951

[ix] Schlaich, Mike: „Eleganz“, Schlaich Bergermann Partner Internet-Präsenz, 08.01.2017

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

Eine WordPress.com-Website.

Nach oben ↑

%d Bloggern gefällt das: