In der Immobilienwirtschaft hat der Käufer einer Immobilie einen naturgemäßen Wissensnachteil. Gerade beim gewerblichen Erwerb von Immobilien besteht eine Sorgfaltspflicht, sodass im Rahmen einer sorgfältigen Prüfung das Risiko detailliert einzuschätzen ist. Insbesondere bei rechtlichen Vertretern von Gesellschaften kann diese Sorgfaltspflicht schlagend werden, sodass gewerbliche Investoren immer eine bestimmte Verantwortlichkeit haben, aus welcher sich Compliance-Pflichten ergeben.
Es erklärt sich von selbst, dass eine Due Diligence, die übersetzt „sorgfältige Prüfung“ bedeutet, mit einem erheblichen Aufwand verbunden ist, der allerdings vielfach notwendig ist, um sich ein mehr oder weniger exaktes Bild von Risiken, aber auch von Chancen zu machen. In der Praxis werden zwischen den angehenden Vertragsparteien der Zeitraum und der Umfang der Due Diligence definiert, sowie Konsequenzen im Falle eines nicht erfolgenden Vertragsabschlusses.
Im Falle einer umfangreichen Due Diligence muss folglich eine Vielzahl an Beratern beteiligt werden, darunter Juristen, Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater, Architekten und Bauingenieure, sodass spezialisierte Consulting-Unternehmen zunehmend bestrebt sind, ganzheitliche Leistungsbilder anzubieten.
Hintergrund ist der Umstand, dass die Immobilienwirtschaft komplex ist und der Immobilienmarkt grundsätzlich durch ein hohes Maß an Intransparenz und geringer Vergleichbarkeit gekennzeichnet ist. „Immobilien“ sind – wie es der Begriff bereits erahnen lässt – nicht mobil. Hinzu kommen noch weitere Eigenschaften, die dazu beitragen, dass das Wirtschaftsgut Immobilien eine Sonderstellung in unserer Ökonomie einnimmt [1]: 1.) Standortgebundenheit, 2.) Heterogenität, 3.) Lange Produktionsdauer, 4.) Hohe Kapitalbindung, 5.) Hohe Transaktionskosten, 6.) Dauerhaftigkeit, 7.) Begrenzte Substituierbarkeit [4].
Diesen Mängeln von Immobilien, die auch Vorteile bedeuten, weil diese Wissensvorsprünge bedeuten, will die Due Diligence begegnen, indem ein geregelter Wissensstand geschaffen wird. Die Ziele sind folglich:
- Transparenz schaffen;
- Investitionsrisiken minimieren;
- Investitionen sichern.
Aus dem Umstand heraus, dass diese Ziele unter hohem Zeitdruck zu verfolgen sind, ergeben sich die spezifischen Herausforderungen, aber auch die Anforderungen an eine interdisziplinär vernetzte Beratung.
Mit einer Immobilie kann abgesehen von den zahlreichen Unsicherheiten eine Vielzahl an Rechten, Beschränkungen und rechtlichen Bindungen in Zusammenhang stehen. Insbesondere dann, wenn im Zuge von Mergers & Acquisitions (M&A) Unternehmensanteile erworben werden, wodurch sich auch Immobilienanteile ergeben, wird die Angelegenheit kompliziert und komplex. Ebenso interessant ist eine umfassende Due Diligence aber auch Eigen- und Fremdkapitalgebern.
Die Due Diligence, im Deutschen mit „gebotener / erforderlicher Sorgfalt“ übersetzt, beschreibt die Risikoprüfung einer Immobilientransaktion und umfasst drei Ebenen:
Legal Due Diligence: Untersucht werden Grundbuchseintragungen, Baurecht, Miet- und Pachtverträge, Kaufverträge, Erbrechtsverträge.
Financial Due Diligence: Darunter fallen allfällige steuerrechtliche Aspekte sowie die Bilanz- und Rechnungsprüfung, um Aufschluss über die laufende Finanzierung zu erhalten, aber auch den Marktwert als aktuellen Buchwert zu ermitteln. Insbesondere Finanzdienstleister sind an einer Abschätzung des Risikos interessiert. Die nächste, zu erwartende Immobilienkrise bewirkt Vorsicht, da die gesamte Volkswirtschaft letztlich am Immobilienmarkt hängt.
Technical Due Diligence: In der Technical Due Diligence (TDD) wird eine Immobilie hinsichtlich ihrer technischen Beschaffenheit und ihrer Qualität untersucht. Dazu gehören auch rechtliche Anforderungen an das Bauwerk, der Sicherheitszustand, die erwartbare Nutzungsdauer oder erforderliche Sanierungsprogramme. Im Sinne eines innovativen Ansatzes sind heute Methoden und Tools einzusetzen, die Bestandsimmobilien effizient in ihrer Gesamtheit aufnehmen können, indem Begehungen multimedial dokumentiert und digital ausgewertet und zugänglich gemacht werden können, sodass sich daraus Gebäudemodelle mit spezifischen Analysen und Bewertungen im Sinne eines lebenszyklusorientierten BIM-Modells ergeben.
Die Notwendigkeit einer umfassenden Due Diligence ergibt sich aus der zunehmenden Anforderung des Marktes nach mehr oder weniger vollständiger Transparenz. Das Beschaffen, Filtern und Verwerten von Informationen ist in diesem Sinne ein entscheidender Wettbewerbsvorteil zu Gunsten effizienter Immobilientransaktionsprozesse, wobei nicht nur Informationen zum Objekt, sondern auch zu Marktteilnehmern relevant sind [2]. Zunehmend kommen hier dreidimensionale Modelle, BIM, aber auch künstliche Intelligenz zum Einsatz, um effiziente Informationsauswertung zu betreiben.
An die technische Due Diligence werden spezifische Kompetenzen gestellt, die standortgebunden sind, sodass sich alleine daraus folgend der Rückgriff auf lokale bzw. regionale oder zumindest nationale Professionalisten ergibt: „Die Erbringung der technischen Due Diligence erfordert abgesichertes Fachwissen in allen Bereichen der Planung/Ausführung und insbesondere das Gespür für die Gesamtzusammenhänge des Projektes, des gegebenen Umfeldes und der Projektbeteiligten. Ferner sind in Abhängigkeit vom Projekttyp Spezialkenntnisse von maßgeblicher Bedeutung (Spezialimmobilien etc.), um konzeptionelle Sachverhalte sicher beurteilen zu können“ [3].
Literatur:
[1] Bernd Kochendörfer, Jens H. Liebchen, Markus G. Viering: „Bau-Projekt-Management – Grundlagen und Vorgehensweisen“, Springer Verlag, Wiesbaden 2018
[2] Ulrich Bogenstätter (Hrsg.): „Immobilienmanagement erfolgreicher Bestandshalter“, Walter de Gruyter, Berlin/Boston 2018
[3] Norbert Preuß, Lars Bernhard Schöne: „Real Estate und Facility Management – Aus Sicht der Consultingpraxis“, Springer Vieweg, Berlin Heidelberg 2016
[4] Nico B. Rottke & Michael Voigtländer (Hrsgb.): „Immobilienwirtschaftslehre – Ökonomie“, Springer Verlag, Berlin Heidelberg 2017
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