Befestigungen im Beton gewinnen im modernen Bauen an Bedeutung. Komplizierte Details, die ästhetischen und bauphysikalischen Anforderungen, nicht zuletzt statischen und gewissermaßen dynamischen, entsprechen müssen, machen Befestigungssysteme notwendig.
Sichtbeton ist vor allem nur über Fertigteile sinnvoll einsetzbar, weil somit die Sichtbetonanforderungen im Werk geprüft werden können. Betonfassaden mit Hinterlüftung und Wärmedämmung machen ebenso Überlegungen zur Befestigung erforderlich. Das modulare Bauen mit hohem Vorfertigungsgrad weist in die gleiche Richtung. Befestigungen sind folglich keine nachträglichen Pfuscharbeiten, sondern Teil der Planung.
Befestigungen im Beton werden in Einlegeteile und nachträglich angeordnete Betonanker unterschieden. Um die Erwartungen nicht zu hoch, aber auch nicht zu gering ausfallen zu lassen, sind theoretische Betrachtungen notwendig.
Einlegeteile sind Kopfbolzen oder Ankerschienen.
Nachträgliche mechanische und chemische Befestigungsmittel wie Spreizdübel, Hinterschnittdübel, Betonschrauben, Verbunddübel, Verbundspreizdübel.
Spreizdübel sind drehmomentenkontrolliert (Hülsentyp und Bolzentyp) oder wegkontrolliert (Einschlagdübel). Grundsätzlich wird durch Aufbringen eines Drehmomentes eine Anspannung erzeugt, sodass sich im Metallbauteil eine Zugkraft einstellt und die Spreizelemente gegen die Bohrlochwand pressen, sodass Reibungskräfte entstehen. Bei drehmomentenkontrollierten Dübeln ist das Prinzip Reibschluss, bei wegkontrolliert spreizenden Dübeln Reibschluss sowie Formschluss.
Insofern Risse entstehen, müssen Dübel in der Zugzone in der Lage sein, nachzuspreizen.
Hinterschnittdübel funktionieren durch mechanische Verzahnung eines Spreizelementes über Formschluss. Nach einer speziellen Bohrung wirkt eine Hinterschneidung des Dübels im Beton, sodass der Dübel ohne Spreizeruck funktioniert.
Betonschrauben werden in vorgebohrte Löcher eingeschraubt: Gewinde und Bohrloch passen zusammen, die Schraube fräst beim Einschrauben in den Beton.
Verbunddübel bestehen neben dem Metallbauteil über ein Bindemittel aus Kunstharz, Zement oder Mischungen aus beiden. Der Vorteil gegenüber Spreizdübeln besteht darin, dass keine Spannungen im Beton durch die Spreizwirkung der Dübel übertragen werden, welche sich zu den Spannungen aus Belastungen summieren würden.
Bei Verbundspreizdübeln werden nach dem Aushärten des Bindemittels auch noch Spreizkräfte angesetzt.
Auf Betonbefestigungen wirken Zugkräfte, Querkräfte oder kombinierte Zug- und Querkräfte.
Bei Zugkräften kann der Stahl versagen, zudem kann der Betondübel auf Herausziehen, Betonausbruch, Spalten und lokalen Betonausbruch nachgeben. Chemische Dübel versagen in der Regel auf Herausziehen und Betonausbruch (Mischbruch), mechanische Dübel auf Herausziehen.
Bei Querlasten besteht das Versagensprinzip in Stahlbruch, rückwärtigem Betonausbruch (ähnlich dem Grundbruch in der Geotechnik) sowie in Betonkantenbruch.
Zu unterscheiden ist je nach Zulassung zwischen Anwendung im gerissenen oder ungerissenen Beton. Der gerissene Beton setzt die Tragfähigkeit deutlich herab, weil der Spannungszustand im Beton gestört ist. Beim ungerissenen Beton werden die Spannungen rotationssymmetrisch durch Ringzugkräfte verteilt. In einem Riss können hingegen die Zugkräfte nicht mehr übertragen werden, sodass die Lastableitung umgelenkt und die Lastableitungsfläche reduziert ist.
Geregelt sind die Nachweise für statische, dynamische und seismische Belastungen im Eurocode EN 1992-4, der seit 2019 in Kraft ist. Die dynamische Belastung umfasst Ermüdungsnachweise, während die seismische Belastung größere Rissbreiten im Beton berücksichtigen muss.
Bei Erdbebenbelastung wird ein duktiles Verhalten gefordert, welche sich durch die Bewehrung einstellen kann. Duktilität ist die Eigenschaft eines Werkstoffs, sich plastisch zu verformen, bevor er bricht. Grundsätzlich weisen Befestigungsmittel ein sprödes Bruchverhalten auf. Die Bemessung erfolgt quasi-unbewehrt. Es wird angenommen, dass sich Ringzugkräfte im Beton verteilen.
Gerissener Beton ist eigentlich die Regel. Ungerissener Beton muss als ungerissener Beton nachgewiesen werden, was nur in Druckzonen der Fall ist, wobei neben statischen Belastungen auch Zwang relevant wird und den Druck gegebenfalls aufhebt. Bei gerissenem Beton sind die Nachweise zur Erreichung der Produktzulassung restriktiver.
Es leuchtet aus Sicht des konstruktiven Betonbaus ein, dass die richtig angeordnete Bewehrung im Dübelumfeld die Zug- und Querkräfte im Beton verankern und somit bei entsprechend naher Anordnung zu den Dübeln die Tragfähigkeit wesentlich erhöhen kann. Die erwartbaren Kräfte werden von den Dübeln über Druckstreben im Beton auf die Bewehrung übertragen.
Durch Berücksichtigung der Bewehrung kann zusätzlich ein duktiles Verhalten erzielt werden. Grundsätzlich ist der Übergang von der Dübeltheorie zum Stahlbetonbau getan. Dieser Übergang setzt voraus, dass entsprechende Bewehrung eingeplant und vorhanden ist. Ein Stabwerkmodell liefert Antworten zur „richtigen“ Bewehrungsanordnung.
Bei dynamischen oder seismischen Lasten sind die Nachweise entsprechend restriktiver. Die Parameter richten sich nach Bemessungserdbeben und Bedeutungsklasse des Bauwerks.
Das Verhalten des Dübels ist im Sinne der Kapazitätsmethode entweder als nicht-duktil oder duktil einzustufen. Bei der nicht-duktilen Berechnung kann das Verhalten als elastisch oder auf Kapazität erfolgen. Auf Kapazität bedeutet, dass andere Verbindungen im Bauwerk ein duktiles Verhalten haben, das Gesamtbauwerk mit Fließmechanismen bemessen ist und die zusätzlichen Kräfte „auf Kapazität“ vom nicht-duktilen Verbindungselement aufzunehmen sind.
Wird duktiles Verhalten unterstellt, was laut Norm für primäre tragende Elemente vermieden werden soll, muss Leistungskategorie C2 erfüllt sein. Bei duktilem Verhalten können nicht-umkehrbare Verschiebungen auftreten, wobei bei Zugelementen laut Norm eine Dehnlänge von mindestens 8 mal dem Verbindungsmitteldurchmesser erreicht werden muss. Diese Verformung ist für zahlreiche tragende Bauteile mitunter problematisch. Die Duktilität gilt nur für die Zugkomponente. Die Nennbruchfestigkeit des Stahls muss begrenzt sein.
Die erforderlichen Leistungskategorien richten sich nach Bedeutungskategorie des Bauwerks sowie nach der Erdbebeneinwirkung. Bei Bedeutungskategorie I nach EN 1998 ist ab einer Erdbebeneinwirkung von 0,05 g Leistungskategorie C1 und bei Bedeutungskategorie IV Leistungskategorie C2 notwendig. Unter 0,05 g sind keine seismischen Leistungskategorien gefordert. In den Bedeutungskategorien II und III gilt C1 für nichttragende und C2 für tragende Bauteile. Ab einer Erdbebeneinwirkung von 0,1 g ist bereits ab Bedeutungskategorie II die Leistungskategorie C2 erforderlich.
Der deutsche nationale Anhang unterscheidet bei C1 und C2 hingegen nach Rissbreiten. Bei Rissbreiten unter 0,3 mm gilt gerissener Beton als Bemessungsgrundlage, unter 0,5 mm gilt C1, unter 0,8 mm gilt C2 und ab 0,8 mm kann von plastischen Gelenken ausgegangen werden, die durch den Normenanhang nicht abgedeckt sind.
Grundsätzlich wird der aus der Zulassung ermittelte Grundwiderstand gegen seismische Beanspruchung entsprechend der Einbausituation noch einmal abgemindert, um die Erdbebenbeanspruchung mit Rissentwicklung und ungleichen Lasteinleitungen einerseits und die Trägheitseinflüsse andererseits einzuberechnen sowie die Ringspalte zwischen Befestigungselement und Anbauteil zu berücksichtigen. Es gilt die Lastkombination für Zug und Querkraft.
Insofern Verformungen maßgebend sind, erfolgt ein Nachweis der aufnehmbaren Verformung. Die Befestigungen sind dann in die Leistungskategorie C2 einzuordnen. Andernfalls, insofern Verformungen unberücksichtigt bleiben, ist „nur“ Leistungskategorie C1 gefordert.
Literatur:
[1] Bergmeister, Konrad / Fingerloos, Frank / Wörner, Johann-Dietrich: „Betonbau-Kalender 2020: Schwerpunkte Wasserbau, Konstruktion und Bemessung“, Ernst und Sohn, Hoboken 2019
[2] Thilo Pregartner: „Bemessung von Befestigungen in Beton“, Ernst und Sohn, Hoboken 2009
[3] Rolf Eligehausen & Werner Fuchs: „Tragverhalten von Befestigungen unter Erdbebenbelastungen“, Universität Stuttgart, Stuttgart 1991
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