Der Schweizer Architekt Valerio Olgiati erhält für sein monumentales und doch archaisches Entwerfen weltweite Resonanz. Diese Monumentalität kommt vor allem auch in Olgiatis Denken zutage, das an die großen Ideen der Philosophie anknüpft, dabei an Oswald Spengler oder Friedrich Nietzsche anknüpft. Darin zeigt sich Größe: Darin, dass das sich das eigene Wirken nicht nur in der eigenen Disziplin beweist, sondern an die großen Strömungen der Ideengeschichte anknüpfen kann. Vielleicht ist damit auch das erreicht, was Ernst Jünger die notwendige „Metaphysik“ der Architektur nennt [2].
Die Archaik kommt bei Valerio Olgiati im Beton zutage. Beton ist eine schwierige Angelegenheit. Je nachdem, wie man ihn betrachtet, kann man ihn als modernen Werkstoff par excellence oder aber als archaische Metamorphose des Steins betrachten. Bei Olgiati eher als letzteres, weil diesem Beton seine kühle, sterile, künstliche Oberflächenstruktur genommen wird und so etwas, wie Natur und Leben in die Betonfassaden gestrickt werden. Dadurch gerät auch eine Seele in den Beton, also etwas, das dem modernen Bauen seit dem Bauhaus bewusst gänzlich fehlt.
Die Baunetzwoche schreibt: „Béton Rouge – Anfangs war Beton noch grau, dann kam endlich Farbe ins Spiel…“ [3].
Und weiter zur Technik des roten Betons: „An sich jedoch handelt es sich beim Färben des Betons mit Hilfe von Farbpigmenten um eine etablierte Technik, die fast ebenso alt ist wie das Material selbst. Bereits
1915 experimentierte beispielsweise Lynn Mason Scofield in Chicago mit unterschiedlichen Mitteln der farblichen Veredelung, während innovative Architekten wie Frank Lloyd Wright schon in den reißigerjahren rote Betonfußböden gießen ließen. Das übliche Mittel für eine lichtechte und wetterstabile Durchfärbung des Betons sind dabei Pigmente aus Eisenoxid, die von Spezialchemie-Herstellern wie der deutschen Bayer-Ausgründung Lanxess hergestellt werden. Deren Produkte kamen unter anderem auch bei Souto de Mouras Casa das Histórias zum Einsatz. Roten Beton einzusetzen, ist bis heute mit erhöhtem Aufwand verbunden. Neben den zusätzlichen Kosten ist vor allem bei der Verarbeitung des Betons eine enorme Sorgfalt nötig“ [3].
Es ist dann dieser Hang zur Monumentalität, die Fähigkeit, Ideen Stein werden zu lassen, an der schroffen Natur weiter zu bauen und ihr etwas Gleichwertiges entgegensetzen zu wollen, die bei Valerio Olgiati eine Poesie und eine Metaphysik des Bauens in Beton wach werden lässt.
Farbbeton ist in der Regel Sichtbeton, der mit Pigmenten eingefärbt wird. Wesentlich ist dabei die Planung, die die ästhetischen Anforderungen festzulegen und Probemuster anzufertigen hat, sodass die Ausführung mit der Schaltechnik und der Schalhaut abgestimmt ist und die Abnahme gemäß Ausschreibung erfolgt. Diese Notwendigkeit ergibt sich beim Sichtbeton grundsätzlich, sodass das Bauen in Beton zunehmend eine ästhetische und künstlerische Angelegenheit wird, bei welcher wiederholtes Bauen bei mangelndem Plan-Soll zur teuren Angelegenheit wird, sodass sich in der Praxis, um die Kosten zu begrenzen, Fertigteile anbieten.
Auf Materialseite ergeben sich je nach Expositionsklasse bestimmte Anforderungen an die Zusammensetzung. Wesentlich ist aus statisch-konstruktiver Sicht, dass die Bewehrung die Schalhaut nicht beschädigt. Ein besonderes Augenmerk gilt der Nachbehandlung des Betons, um die gewünschten Eigenschaften zu erfüllen.
Die gewerblichen Anbieter schränken die Betoneigenschaften ein: „Die Verwendung von Pigmenten kann Einflüsse auf die verschiedenen Frisch- und Festbetoneigenschaften haben. Rot- und Schwarz-Pigmente führen im Bereich der üblichen Dosiermengen von bis zu 5 % normalerweise zu keinem spürbaren Anstieg des Wasseranspruchs, während bei Gelb-Pigmenten ab einer Dosierung von 4 – 5 % mit einem steigenden Wasseranspruch gerechnet werden muss. Einflüsse auf das Abbindeverhalten sowie die Druckfestigkeit können nicht ausgeschlossen werden“ [4].
Daraus folgt grundsätzlich die Notwendigkeit, die Festigkeitseigenschaften in situ zu prüfen.
„Architektur aus rotem Beton benötigt gleichermaßen finanziellen Spielraum und hand-werkliches Können – kein Wunder also, dass es zunächst vor allem alpenländische Exzentriker waren, die mit dem Baustoff experimentierten. Neben dem Stellwerk von Gigon/Guyer finden sich beispielsweise auch bei Peter Märklis Haus Hürzeler von 1997 rote Betonflächen. Und Valerio Olgiatis Atelier Bardill in Scharans muss – wenn auch fast ein Jahrzehnt später entstanden – geradezu als prototypischer Einsatzfall für den Stein gelten. Wie bei der Casa das Histórias ist die Poesie der Architektur gewissermaßen schon durch die künstlerische Arbeit des Bauherren vorgegeben. Und wie an Portugals Atlantikküste darf auch im felsigen Graubünden das Material seine monolithischen Qualitäten ausspielen. Roter Beton markiert damit bei beiden Architekten eher die Ausnahme als die Regel. Doch Olgiati gelingt in Scharans das Kunststück, zugleich fremd und doch vertraut zu wirken, wenn sich seine Architektur zwischen die dunklen Holzhäuser des Dörfchens einfügt“ [3].
In Südtirol sorgte das Architekten-Duo Pedevilla Architects für höheren Herzschlag in rotem Leichtbeton und zwar mit dem Feuerwehrhaus in Vierschach. Am Ritten baute der Bozner Architekt Roland Baldi hingegen das Zivilschutzzentrum in Stampfbeton in rötlicher Farbe und im Einklang mit der Geologie der Landschaft.
Literatur:
[1] Valerio Olgiati: „Nicht-Referenzielle Architektur”, Park Books, Zürich 2019
[2] Ernst Jünger: „Der Arbeiter“, Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 1982
[3] Baunetzwoche : das Querformat für Architekten, Nummer 460, Berlin 2016
[4] „Sika Farbbeton – Technischer Leitfaden“, Zürich 2011