Textilbeton und Carbonbeton

So sehr der Holzbau heute auch wichtige Fortschritte auf dem Weg zum ökologischen Werkstoff der Zukunft zurück legt, so wichtig ist immer auch der Umstand, dass Holz als Werkstoff nur innerhalb bestimmter Grenzen und in Kombination mit anderen Werkstoffen sinnvoll ist. Sowohl am Stahl als auch am Beton führt in bestimmten Anwendungen, die viele sind, kein Weg vorbei. Allerdings stellt sich die Frage, inwiefern beispielsweise der Beton vielfach effizienter einetzbar sein könnte

Im Wohnbau ist mit dem Infraleichtbeton als ein Dämmbeton ein Werkstoff geschaffen, der hohe bauphysikalische Anforderungen erfüllen kann. Mit dem Faserbeton, ob als Carbonbeton oder als Textilbeton, sind aber auch tragfähige Werkstoffe vorhanden. Der Begriff „Carbonbeton“ versteht sich zur Unterscheidung vom altbekannten Stahlbeton.

Die Bewehrung von Beton mit Fasern, die nicht aus Stahl bestehen, hat gleich mehrere Vorteile. Erstens sind die Fasern nichtmetallisch und können nicht korrodieren. Die Betondeckung kann folglich auf das statisch notwendige Maß heruntergesetzt werden und nur wenige Millimeter betragen. Die extrem hohen Zugfestigkeiten bedingen geringe Bewehrungsquerschnitte. Dadurch sind extrem filigrane Tragwerke möglich.

Mit Carbonbeton ist eine mattenartige oder stabförmige Bewehrung aus Kohlenstofffasern gemeint. Demgegenüber meint der Begriff Textilbeton eine mattenartige Bewehrung, die nicht zwangsläufig aus Kohlenstofffasern bestehen muss.

Naturfasern wie Baumwolle, Hanf, Leinen oder Seide haben relativ geringe Zugfestigkeiten und sind folglich nicht effizient einsetzbar.

Gerade die Bewehrung mit Kunststofffasern kann im Bauwesen weitreichende Veränderungen bewirken. Der Ressourcenverbrauch wird dadurch um 50% reduziert, der CO2-Verbrauch deutlich heruntergesetzt.

Derzeit sprechen die Kosten gegen Carbonbeton. Allerdings sind die viel höheren Kosten für die Bewehrung gegenüber der Stahlbewehrung durch die Leichtigkeit sowie die extrem hohe Tragfähigkeit projektspezifisch wett zu machen.

Insbesondere im Bereich der Instandhaltung bestehender Strukturen aus Stahlbeton lässt sich Carbon- oder Textilbeton extrem effizient einsetzen. Durch Sandstrahlen wird eine aufgeraute Verbundfuge hergestellt, auf welche wechselweise Feinbeton und das Fasergewebe aufgetragen wird, sodass ein extrem widerstandsfähiger Verbundwerkstoff entsteht.

Denkbar sind Biegeverstärkungen, Querkraftverstärkungen, Torsionsverstärkungen sowie Normalkraftverstärkungen, indem Stützen etwa kreisförmig verstärkt werden.

Die Vorspannung von Carbonbeton bietet weiter reichende Vorteile:

„Schlanke, biegebeanspruchte Carbonbetonbauteile, die schlaff bewehrt sind, können jedoch die hohe Zugfestigkeit des Carbons oft nicht ausnutzen, ohne große Krümmungen zu induzieren. Zudem weisen in der Regel Textilbetonbauteile im Vergleich zu konventionellen Betonelementen aufgrund von schlankeren Querschnitten eine geringere Biegesteifigkeit auf, was zu noch größeren Krümmungen und damit größeren Durchbiegungen führen kann. Eine elegante Lösung, um dem entgegen zu
wirken, ist die Aufbringung einer Vorspannung“ [1].

Zur Vorspannung von Carbonbeton eignen sich Carbonlitzen, Carbonlamellen und Fasertextilien. Möglich ist dabei nur eine Vorspannung mit sofortigem Verbund oder eine externe Vorspannung. Die Vorspannung von Fasertextilien entsteht, indem das Fasergewebe einer Vorspannkraft ausgesetzt wird. Die anschließend erhärtende Betonmatrix steht folglich unter Vorspannung. Der Beton hindert das vorgespannte Gewebe am Zusammendrücken und wird selbst unter Druck gesetzt. Durch die Vorspannung ist das Rissverhalten deutlich verbessert.

Carbonbeton ist kein Ersatz für Stahlbeton, sondern erweitert den Einsatz von Beton und liefert Lösungen zur Konzeption filigraner Schalen, die etwa als leichte Fassadenplatten, aber auch als selbst tragende Schalen, eingesetzt werden können. Indes gibt es auch bereits ausgeführte Fußgängerbrücken aus Carbonbeton, während Carbonbeton bei Straßenbrücken für das Quertragwerk eingesetzt ist.

Neben den mechanischen Eigenschaften ist die Flexibilität der Textilbewehrung vorteilhaft, sodass komplexe dreidimensionale Körper realisierbar werden.

Gegenüber Stahlbeton hat Carbonbeton sehr ähnliche Verhaltensweisen. Im Gegensatz zum Stahlbeton besteht allerdings keine Möglichkeit, dass sich ein plastischer Bereich (Zustand III) ausbildet. Das Rissverhalten ist verändert. zwar entstehen tendenziell mehr Risse, allerdings sind diese sehr beschränkt. Die Rissbreiten sowie Rissabstände sind gering.

Die Bemessungsmodelle des Stahlbetonbaus können teilweise, aber nicht pauschal übernommen werden.

„Die grundsätzliche Funktionsweise von Tragwerken bzw. dünnwandigen Bauteilen aus vorgespanntem Carbonbeton ist mit herkömmlichen Spannbetontragwerken vergleichbar. Der Beton nimmt die Druckkräfte auf, während die Zugkräfte über die Bewehrung und Spannglieder abgetragen werden. Die Bewehrung geht einen Verbund mit dem Beton ein, während Spannglieder ihren Beitrag zum Trag- und Verformungsverhalten mit und ohne Verbund leisten können. Folglich können die grundsätzlichen Berechnungsmethoden aus dem Stahl- und Spannbetonbau angewandt werden“ [1].

Aus dem grundsätzlich spröden Versagensmechanismus sind allerdings Festlegungen zur Versagensankündigung durch Verformung notwendig: „Bei der Bemessung sollte neben den Geometrie- und Materialeigenschaften des Bauteils der Vordehngrad so hoch festgelegt werden, dass die Verformungskriterien des GZG (mit Berücksichtigung von Langzeiteffekten) eingehalten
werden und gerade so niedrig, dass die vorgeschlagene Versagensankündigung auf Verformbarkeit im GZT (ohne Berücksichtigung von Langzeiteffekten) gegeben ist“ [1].

Literatur:

[1] Juan P. Osman-Letelier, Alex Hückler & Mike Schlaich: „Dünnwandige Fertigteile aus vorgespanntem Carbonbeton“, Beton- und Stahlbetonbau, Heft 116 / 2021

[2] Manfred Curbach & Frank Jesse: „Eigenschaften und Anwendung von Textilbeton“, Beton- und Stahlbetonbau, Heft 104 / 2009

[3] Manfred Curbach und Regine Ortlepp: „Textilbeton in Theorie und Praxis“, Kolloquium zu textilbewehrten Tragwerken, Aachen 2011

[4] Manfred Curbach, Josef Hegger, Frank Schladitz, Matthias Tietze, Matthias Lieboldt: „Handbuch Carbonbeton – Einsatz nichtmetallischer Bewehrung“, Ernst und Sohn, Hoboken 2023

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