Fassadenbau und Fassadenstatik

Von lateinisch „facies“ kommend, bedeutet der Begriff der „Fassade“ so viel wie „Angesicht“ oder „Gesicht“. In der Renaissance wurde die Fassadengestaltung zum ästhetischen Programm. Grundriss und Aufriss mit der gestalteten Fassade waren keine getrennten Angelegenheiten mehr, sondern hingen eng zusammen, ja sollten zur genialen Einheit vereint werden.

Die Fassade ist aber nicht nur das Gesicht. Auf der anderen Seite ist die Fassade der Blick nach außen, das Interaktionsmedium mit der Außenwelt, in aufregender Umgebung folglich die technische Möglichkeit eines herausragendes Erlebnisses, ohne auf den Wohnraumkomfort verzichten zu müssen. Die Fassade ist eine Membran, so wie unsere Haut. Wir tauschen mit der Umgebung Licht, Luft und Energie aus. Die Membran „atmet“- sie ist unser Zugang zur Umgebung und zur Natur, zur Landschaft und zur Stadt.

Zu unterscheiden ist zwischen dem Rohbau, der Primärstruktur, und der Sekundärstruktur Fassade mit den flächenfüllenden Elementen. Insbesondere bei größeren Bauvorhaben liegt der Vorteil einer strikten Trennung von Primär- und Sekundärstruktur auf der Hand: Der Rohbau wird fertig gestellt, die Fassade wird im Werk gefertigt und auf der Baustelle großflächig montiert, sodass die Effizienz durch systematisierte Fassadenelemente deutlich gesteigert ist.

Die Mehrzweckaufgaben der Fassade liegen auf der Hand: Neben Ein- und Ausblicken sind es thermischer Komfort, Winddichtheit, Luftdichtheit, Feuchteschutz, Widerstand gegen Winddruck- und Windsogkräfte, Abtragen des Eigengewichtes, aber mitunter auch anderweitiger Lasten, etwa Schnee- und Verkehrslasten sowie Zwangskräfte aus Temperatur- und Feuchtigkeitschwankungen, Aufnahme von relativen Bewegungen. Hinzu kommen Schallschutz- und Brandschutzanforderungen.

Daneben gibt es aber auch die Anforderungen an den Sonnenschutz und Blendschutz, Fassadenheizsysteme und Kühlsysteme sowie die Lichtlenkung. Aus diesen vielfältigen Anforderungen ergibt sich die Entwicklungstendenz in Richtung adaptiver Fassaden.

Aus statisch-konstruktiver Sicht ist zwischen folgenden Konstruktionsarten zu unterscheiden:

– Vorgestelltes Außenwandelement: Die Fassade ist ein eigenständiges System und trägt sich als Durchlaufträger über die Geschosse selbst.

– Vorgehängtes Außenwandelement: Die Fassade ist auch ein eigenständiges System, ist aber geschossweise unterteilt und besteht in Einfeldträgern, die an der Decke verankert sind.

– Eingestelltes Außenwandelement: Die Einfeldträger sind nicht vorgelagert, sondern stehen an der Decke.

Aufgrund des Verformungsverhaltens der unterschiedlichen Werkstoffe, aber auch aufgrund des gewählten statischen Systems, das keinen Zwang auf andere Bauteile verursachen soll, erfolgt die statische Planung über Fixlager und Loslager. Letztere lassen Bewegungen zu und verhindern, dass sich Zwang ausbildet, weil Verformungen behindert werden. Auf der Seite des Rohbaus und des Tragwerks stellt sich folglich immer die Frage nach der Befestigung.

Die verschiedenen Systeme unterscheiden sich nicht nur statisch, sondern ebenso auch aufgrund der schallschutztechnischen und bauphysikalischen Herausforderungen. Insbesondere die Ausbildung der Fugen ist die eigentliche Herausforderung im Rahmen der Planung. Hier sind immer Kunststoffe notwendig und alternativlos, welche die Verformungen und bauphysikalischen Anforderungen sicherstellen und die Performance ausmachen.

Die Sekundärstruktur selbst wird in den folgenden Konstruktionstypen ausgeführt: Pfosten-Riegel-Fassade oder Elementfassade, bei welcher der Vorfertigungsgrad deutlich höher ist. Daneben gibt es zahlreiche Konstruktionsausführungen. Bei der Pfosten-Riegel-Fassade werden die Elemente einzeln montiert. Bei der Elementfassade sind die Elemente bereits in der Werkstatt vorgefertigt und werden auf der Baustelle eingehängt. Denken wir beim Bauen an gesteigerte Effizienz, dann ist das Bauen mit Elementfassaden vielversprechend.

Mit dem HolzHybridbau, bei dem das Traggerüst des Gebäudes und insbesondere die Decken aus Stahlbeton und die Fassade aus Holz angefertigt wird, sollen Massivbau und Holzbau kongenial miteinander verbunden werden. Allerdings wachsen auch die Herausforderungen an den Fugen und die Anforderungen an die Fugen.

Holz ist im Fassadenbau prädestiniert. Durch die Leichtigkeit sind der Transport und die Montage nicht allzu aufwändig. Die Wärmedämmeigenschaften sind durch den Werkstoff Holz sichergestellt. Hinzu kommt die ökologische Materialität von Holz.

Ganz so einfach ist das Zusammenspiel Betonbau – Fassade aber nicht. Beim Betonbau sind sowohl die kurzfristigen Verformungen im Zustand I als auch die Langzeitverformungen im Zustand II im gerissenen Querschnitt zu betrachten und die Kompatibilität dieser Verformungen mit der Fassadenstruktur zu prüfen.

Aufgrund der Leichtigkeit, der Austauschbarkeit und des ressourcenschonenden Einsatzes sowie der gestalterischen Flexibilität sind allerdings auch performative Folien und Membranen zunehmend interessant.

Um die angestrebte Transparenz weiter zu steigern, kommen nicht nur filigrane Metallbauteile zum Einsatz, sondern zunehmend auch tragende Glaselemente. Hinzu kommt heute auch Nanotechnologie, die über adaptive Materialeigenschaften verfügt.

Nicht zuletzt sollen Fassaden zunehmend auch der Energieerzeugung dienen, sodass Photovoltaikelemente zum Einsatz kommen. Manchmal muss es aber auch die begrünte und lebende Fassade sein, um den Stadtraum wieder mehr Grünflächen zurück zu geben und um die grüne Stadt in der Vertikalen zu verwirklichen.

Die Zukunft kann grün sein. Mit ökologischen Werkstoffen und möglichst viel Holz. Mit begrüntem Dach und grünen Fassaden. Mit zirkulären Werkstoffen und Baustoffen. Dadurch, dass Natur und Bauwerk konstruktiv vereint und vielleicht durch ihre Integration auf eine höhere Ebene gesetzt werden. Grüne Fassaden und begrünte Fassaden sind das Zukunftsthema schlechthin.

Literatur:

[1] Ulrich Knaack, Thomas Auer, Tillmann Klein, Marcel Bilow: „Fassaden – Prinzipien der Konstruktion“, Birkhäuser, Basel 2014

[2] Oliver Fischer, Werner Lang, Stefan Winter: „Hybridbau Holzaußenwände“, Detail Praxis, München 2019

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