Allgemeines:
Kunststoffe haben eine bestimmte Anstößigkeit im Bauwesen, gerade als Kontrast zum ökologischen Bauen mit natürlichen Baustoffen. Selbst beim ökologischen Bauen sind allerdings Kunststoffe als Abdichtungen oder Klebstoffe notwendig und sollen das Problem des Werkstoffes Holz bei direktem Kontakt mit Wasser lösen. Beim Bauen mit Beton und Stahl sind ebenso Kunststoffbauteile notwendig, um Fugen oder Auflager auszubilden.
Kunststoffe sind aus unserer modernen Welt nicht wegzudenken und in zahlreichen Applikationen alternativlos. Sie sind Fluch und Segen zugleich. Progress bedeutet, am Vorteil zu arbeiten. Nicht aber an einer Plastik-Welt.
Und vielleicht sollte man sich grundsätzlich einen werkstoffunabhängigen Design-Blick aneignen und erst in einem zweiten Moment die grundsätzlichen Vor- und Nachteile prüfen.
Grundsätzlich sind die chemischen Ausgangsstoffe sowohl beim Kunststoff als auch beim Holz organische Kohlenstoffverbindungen. Der grundsätzliche Vorteil von Kohlenstoffverbindungen besteht darin, dass sich diese praktisch unbegrenzt in Ketten verbinden lassen, sodass eine Modellierbarkeit gegeben ist. In unserer modernen und technischen Welt ist diese Modifizierbarkeit ein deutlicher Vorteil, weil die Grenzen, die die Natur setzt, nicht mehr länger unüberwindbar sind.
So liegt es an modifizierten künstlichen Baustoffen, Anforderungen unserer technischen Welt zu erfüllen, die wir mit herkömmlichen Werkstoffen nicht erfüllen können, während die Natur selbst durchaus über diese Stoffeigenschaften verfügt. Dass natürliche Membranen etwa gegen Wasser abdichten, aber wasserdampfdurchlässig sind und folglich transpirieren, ist in unserer technischen Welt nur über synthetische Materialien zu verwirklichen. Diese können wir so modifizieren, dass diese Materialien letztlich wasserdicht und luftdicht, aber nicht wasserdampfdicht sind, was auch an der geringen Größe von Wassermolekülen im Nanometerbereich und an dem Mechanismus der Diffusion liegt.
Ob wir damit allerdings näher an der Natur stehen oder weiter davon entfernt, ist eine philosophische Angelegenheit. Wenn wir letztlich in Summe natürlicher bauen, dann ist der Zweck auf jeden Fall erfüllt.
Kunststoffe werden aus Pulver oder Granulat bei bestimmten Temperaturen und bestimmten Fertigungsverfahren hergestellt, die in Gießen und Pressen bestehen. Es entsteht der Formstoff. Diesem werden je nach Materialanforderungen Füllstoffe zugefügt, etwa Glasfasern.
Der Ursprung von Kunststoffen liegt in makromolekularen organischen Stoffen, die in Naturstoffe und synthetische chemische Stoffe zu unterscheiden sind. Halbysnthetische Stoffe entstehen durch die Modifikation natürlicher Polymere, etwa Zellulose. Naturstoffe sind Polysaccharide, Proteine, Nucleionsäuren (also DNA) und Kautschuk. Synthetische Polymere entstehen durch Kettenpolymerisation, Polyaddition oder Polykondensation aus Monomeren oder Prepolymeren. Monomere sind reaktionsfähige Moleküle. Rohstoff ist meistens gecracktes Naphtha, also Rohbenzin.

Einteilung:
Aus der Natur der Kunststoffe entstehen die Werkstoffe:
– Thermoplaste: Sind unvernetzt, schmelzbar löslich, sind plastisch formbar und haben einen hohen Elastizitätsmodul. „Bei Raumtemperatur sind sie hart und erweichen bei Erwärmung, bis sie schmelzen“ [2]. Im Bauwesen kommen Thermoplaste in Form von Außenwandbekleidungen (PVC-U), Dachdeckungen (PVC-P, GFK), Fensterrahmen (PVC-U), Fensterscheiben (PMMA), Dübel (PA), Leitungsrohre (PVC-U, PE), Fußbodenbeläge (PVC-P) zur Anwendung.
– Thermoplastische Elastomere: Sind Thermoplaste, die sich aufgrund des molekularen Aufbaus wie Elastomere verhalten. Sind schwach vernetzt, schmelzbar löslich und haben einen gummielastisch kleinen Elastizitätsmodul.
– Elastomere: Sind nicht schmelzbar und nicht löslich, aber quellbar und haben einen gummielastisch kleinen Elastizitätsmodul. „Elastomere sind mit geringer Spannung um mehrere 100 % dehnbar und kehren nach der Entlastung wieder in ihre ursprüngliche Form zurück. Ob Elastomere je nach Temperatur hart oder zäh verformbar sind, bestimmen die physikalischen Bindungskräfte, die gewöhnlich bei Raumtemperatur vorhanden sind“ [2].
– Duroplaste: Sind stark vernetzt, nicht schmelzbar, nicht löslich, nicht quellbar, nicht plastisch, aber formbar mit einem hohen Elastizitätsmodul. „Bei Raumtemperatur sind sie hart. Durch Erwärmen können sie zwar erweichen und dadurch einen Steifigkeitsverlust von bis zu zwei Zehnerpotenzen aufweisen. Sie zersetzen sich, ohne zuvor zu schmelzen“ [2]. Im Bauwesen kommen Duroplaste als Polyesterbeton zur Anwendung.
Die Einteilung von Kunststoffen erfolgt anhand ihrer Funktionen durch die temperaturabhängigen viskoelastischen Kenngrößen über den komplexen Schubmodul und den komplexen Elastizitätsmodul. Wesentlich ist die Feststellung, ob die Kunststoffe unterhalb ihrer Einfriertemperatur im Glasbereich oder oberhalb ihrer Einfriertemperatur im elastischen Bereich verwendet werden, wie Elastomer-Lager.
Die thermische Anwendbarkeit unterscheidet zwischen Hochtemperaturkunststoffen über 150 Grad Celsius, Standardkunststoffen unter 100 Grad Celsius und Konstruktions-Kunststoffen im Zwischenbereich, welche sich durch hohe mechanische Fähigkeiten und chemische Beständigkeit auszeichnen.
Tragende Kunststoffbauteile:
Zu unterscheiden ist zwischen:
- Bauarten aus unverstärkten Kunststoffen
- Bauarten aus faserverstärkten Kunststoffen
- Sandwichkonstruktionen mit faserverstärkten Deckschichten
Erdölbasierte Kunststoffe sind nach ihrem Molekülaufbau in Thermoplaste, Duroplaste und Elastomere zu unterscheiden.
Duroplaste sind engmaschig vernetzte Kunststoffe. In der Regel werden sie mit Verstärkungsfasern als faserverstärkte Kunststoffe eingesetzt. Das engmaschige Netz bedingt eine Beständigkeit gegen Chemikalien. Allerdings erfolgt in der Regel eine Beschichtung zum Schutz gegen Witterung und UV-Strahlung. Beispiele sind Phenoplaste (PF), Epoxidharze (EP).
Elastomere sind weitmaschig vernetzte Kunststoffe. Dadurch sind sie dehnbar und sehr elastisch. Im Bauwesen in der Regel als Abdichtungen oder Lager. Beispiel sind vernetztes Polyurethan (PUR) oder Neopren als synthetischer Chloropren-Kautschuk.
Thermoplaste sind nicht vernetzte Kunststoffe. Werden bei hohen Anforderungen an mechanische Eigenschaften und thermische Stabilität nicht verwendet. Beispiele sind Polyethylen (PE), Polystyrol (PS), Polyvinylchlorid (PVC), Polypropylen (PP).
Thermoplaste und Elastomere werden selten für faserverstärkte Kunststoffe eingesetzt.
Unverstärkte Duroplaste werden im Bauwesen nur für nicht tragende Konstruktionen und Beschichtungen eingesetzt. Thermoplaste werden auch unverstärkt eingesetzt.
Faser-Kunststoff-Verbund:
Faserverbundwerkstoffe bestehen aus Fasern und einer Matrix. Die Fasern zeichnen sich durch hohe Steifigkeit und hohe Festigkeit aus und charakterisieren die mechanischen Eigenschaften, während die Matrix die Fasern bettet und stützt, ihnen eine Form gibt. Dadurch ergibt sich die Richtungsabhängigkeit von Faserverbundwerkstoffen.
Faser und Matrix müssen aufeinander abgestimmt sein: „Ein optimales Tragverhalten des Verbundwerkstoffes wird erreicht, wenn der E-Modul der Faser um ein Vielfaches größer als der des Kunststoffes und die Bruchdehnung des Kunststoffes größer als die der Faser ist“ [2]. Wichtig ist die chemische und thermische Verträglichkeit zwischen Faser und Matrix.
Faserverbundwerkstoffe sind in verschiedenen Typen herstellbar: Laminate, Spritzgussteile, Spritzpressteile, Strangziehteile, Faserbeton.
Laminate sind miteinander verbundene und gestapelte unidirektionale Schichten. Eine unidirektionale Schicht ist transversal isotrop, während ein Laminat orthotrop ist. Wesentlich ist folglich die Faserarchitektur. Ein Laminat wird durch den Aufbau aus Einzellagen gekennzeichnet, die sich aus Orientierung der Einzellagen, Schichtreihenfolge, Einzelschichtdicke ergibt.
Für Faserverbundwerkstoffe werden im Allgemeinen Duroplaste (ungesättigte Polyesterharze UP, Epoxidharze EP und Vinylesterharz VE) und Thermoplaste (Polyamid PA, Polycarbonat PC, Polyoxymethylen POM) eingesetzt.
Glasfaserverstärkte Kunststoffe GFK
Glasfasern entstehen aus flüssiger Glasschmelze und sind elastische Fäden mit Durchmessern von ungefähr 10 Mikrometer und werden in Strängen gebündelt. Als Bindemittel ist meistens Polyesterharz (GF-UP) im Einsatz. Je nach Anordnung der Fasern wird wie beim Holz die mechanische Wirkung beeinflusst.
Die Glasfasern bestimmen Festigkeit, Steifigkeit, Bruchdehnung und thermische Ausdehnung des Verbundes, während das Bindemittel, zumeist ein Harz, die Formbeständigkeit in Wärme, Witterung und Alterung bestimmt und das Rissverhalten konditioniert.
Im Bereich des Massivbaus wurden kleinere vorgespannte Bauwerke ausgeführt, die mit GFK-Stäben bewehrt sind, während grundsätzlich der Einsatz von Kunststofffasern über chemisches Ankleben erfolgt.
Die Spannungs-Dehnungs-Linien eines Spannstahls der Güte St 1470/1670 und eines Hochleistungs-Verbundwerkstoffes (HLV) weisen deutliche Unterschiede auf: „Beide Werkstoffe weisen eine vergleichbare Zugfestigkeit auf. Völlig unterschiedlich ist dagegen ihr Spannungs-Dehnungs-Verhalten: Während der Stahl ein elastisch-plastisches Verhalten zeigt, bleibt der HLV-Werkstoff bis zum Bruch elastisch. Durch die sehr unterschiedlichen E-Moduln weichen die Dehnungen bereits im Bereich der Gebrauchsspannungen deutlich voneinander ab. Die positive Konsequenz einer größeren Dehnung ist, dass Betonverkürzungen aus Kriechen und Schwinden für die HLV-Spannbewehrung von untergeordneter Bedeutung sind. Zur Beurteilung der Bauwerksicherheit ist aber auch darauf zu achten, dass der Spannstahl noch ein ausgeprägtes Fließvermögen hat, das dem HLV-Werkstoff völlig fehlt. Da die hochbelasteten Stäbe empfindlich sind gegen punktartige hohe Belastung im Bereich der Verankerung, und da die Übertragung der Kräfte von den Randfasern auf die inneren Fasern problematisch ist, hängt die weitere Verbreitung dieser Bewehrungsweise stark von der befriedigenden Konstruktion der Endverankerung ab.“ [2].
Kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe CFK
Im Gegensatz zu den Polyesterharzen, die bei glasfaserverstärkten Kunststoffen zum Einsatz kommen, sind es bei kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen überwiegend Epoxidharze, wodurch die Oberflächenhaftung dadurch verbessert wird. Dadurch werden höhere Festigkeiten erreicht.
„Gegenüber den Polyesterharzen besteht für CFK-Teile der Vorteil höherer mechanischer Beanspruchbarkeit, geringere Wasseraufnahme, höhere Chemikalien- und Temperaturbeständigkeit. Anhaltswerte gibt“ [3].
Aufgrund des extrem hohen Preises finden kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe als Bewehrung noch kaum Anwendung. Allerdings sind Verstärkungen aus CFK-Fasern bei nachträglichen Verstärkungen oftmals die einzige sinnvolle Möglichkeit. Im Bereich der nachträglichen Verstärkung wird der Faser-Kunststoff nur in geringen Mengen eingesetzt, sodass die hohen Materialpreise nicht mehr derart problematisch sind.
Bei der Anwendung als Verstärkung im Stahlbeton ist auf jeden Fall die Verankerung im Auflager respektive in der Druckzone wesentlich.
Aramidfaserverstärkte Kunststoffe AFK
Aramide sind begriffsmäßig aromatisierte Polyamide und zählen zu den Füssigkristallpolymeren. Aramide sind zugfest und zäh, die Zuglänge entspricht dem 10fachen von Stahl. Die Festigkeit von aramidfaserverstärkten Kunststoffen liegt zwischen jener der GFK und CFK.
Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit:
Aufgrund der mechanischen Eigenschaften von Kunststoffen, die zeitabhängig sind, sind Tragfähigkeitsnachweise unter Berücksichtigung der Lasteinwirkungsdauer zu führen. Die Einwirkungsdauern reichen von 1 Minute bis 50 Jahren. Die Nachweise betreffen die Normalspannung, die interlaminare Scherspannung, die interlaminare Zugfestigkeit. Neben der Tragfähigkeit sind Stabilitätsnachweise zu führen.
Der Nachweis der Tragfähigkeit umfasst in der Regel einen kombinierten Spannungsnachweis, wobei die Richtungsabhängigkeit der Widerstände bei einachsig verstärkten Kunststoffen wesentlich ist. Unverstärkte Kunststoffe sind ebenso anhand der Vergleichsspannung nachzuweisen. Die Analogie zum Holzbau ist gegeben. Bei einachsig verstärkten Kunststoffen ist die klassische Laminattheorie oder Mehrschichttheorie anwendbar.
Der Nachweis der Gebrauchstauglichkeit umfasst Dehnungen und Durchbiegungen.
Konstruktive Verbindungen:
Grundsätzlich funktionieren die Verbindungen von Faser-Kunststoff-Verbund-Werkstoffen nach den Prinzipien Formschluss, Kraftschluss und Stoffschluss.
Bei Lochleibungsverbindungen, die häufig durch Bohrungen und klassische Bolzen ausgeführt werden, werden die Tragfähigkeiten des Ausgangsmaterials in der Verbindung häufig heruntergesetzt, die Belastung erfolgt quer zur Materialebene und die Fasern werden durch die Bohrung unterbrochen. Dadurch erfolgt eine Lastumleitung auf die umliegenden Fasern.
Demgegenüber erhalten Klebeverbindungen die mechanischen Eigenschaften des Materials, der Aufwand ist allerdings hoch und die Dauerhaftigkeit von den Umwelteinflüssen abhängig. Es sind große Verankerungslängen notwendig. Die Klebung versagt auf Schub jedoch schlagartig ohne vorherige Ankündigung.
Schlaufenverbindungen, bei denen der Verbundwerkstoff in Form einer Schlaufe um einen Bolzen gelenkt wird, sind ebenso aufwändig, erhalten aber die mechanischen Eigenschaften des Materials ebenso wie Klebeverbindungen, das in der Materialebene rein auf Zug belastet wird. Die Ausführung ist fasergerecht, indem die Fasern direkt belastet werden.
Bei Sandwichkonstruktionen sind die Verbindungen zwischen Deckschicht und Kernschicht so zu gestalten, dass diese stärker sind als das Grundmaterial selbst. Die Tragfähigkeit umfasst auch die Beschränkung der Dehnung, weil dadurch die Mediendiffusion durch das Harz vermindert wird.
Die Nachgiebigkeit spielt bei Kunststoff-Verbindungen eine Rolle. Die zeit-, medien- und temperaturabhängigen Einflüsse sind zu berücksichtigen.
Verbindungen sind in diesem Sinne lösbar oder nicht lösbar.
Leichtbau:
Im Leichtbau geht es darum, die Kraftübertragung im Detail zu analysieren und den Kraftverlauf zu optimieren, indem Werkstoff und Beanspruchung aufeinander abgestimmt sind. Die Grundregeln sind [4]:
- Die Last muss auf kürzestem Weg ins Auflager geführt werden
- Statische Überbestimmtheiten sind zu vermeiden
- Unnötige Biege- und Torsionsmomente sind zu vermeiden.
- Symmetrische Konstruktionen sind im Vorteil.
Kunststoffe sind in diesem Sinne Leichtbaustoffe. Es ergeben sich die Bauformen: Hohlkästen und Hohlbauteile, Platten, Schalen, Sandwichkonstruktionen.
Literatur:
[1] Bernd Schröder: „Kunststoffe für Ingenieure: Ein Überblick“, Springer Verlag, Wiesbaden 2014
[2] Karl-Christian Thienel und Mathias Köberl: „Bauchemie und Werkstoffe des Bauwesens – Chemie organischer Baustoffe – Kunststoffe“, Universität der Bundeswehr, München 2018
[3] Bernd Klein: „Leichtbau-Konstruktion“, Springer Vieweg, Wiesbaden 2013
[4] Herbert Funke: „Faserverbundwerkstoffe“, Fachhochschule Dortmund, Dortmund 2013
[5] Jan Knippers, Jan Cremers, Markus Gabler, Julian Lienhard: „Atlas Kunststoffe + Membranen“, Detail, Basel 2010