„Smart city“ oder die Stadt von morgen

Heute ist vielfach von „Smart city“ oder ähnlichen Schlagworten die Rede. In unseren Phantasien mag der Begriff für die moderne, nachhaltige und „bessere“ Stadt stehen, die, aufgrund einer Abstimmung funktioneller Abläufe durch Digitalisierung und intelligente Planung, unsere Bedürfnisse besser befriedigt als es derzeitige Städte zu tun vermögen. In unserer Vorstellung denken wir dabei daran, dass wir überall, schnell und sauber mobil sein können.

Allerdings: Eine nicht lebenswerte Stadt wird durch Digitalisierung und ein erhöhtes Mobilitätsangebot noch lange nicht besser. Im Gegenteil: Es wird nur einfacher und leichter, eine unliebliche Gegend schnell zu verlassen.

Grundsätzlich besteht das Dilemma der modernen Stadt doch darin, dass sich um hochwertige Zentren mit Fußgängerzonen und vielfältigen Attraktionen weniger hochwertige Bereiche konzentrieren, die insbesondere für den Durchzug geeignet sind. In einem derartigen Ambiente, das auf Durchzug getrimmt ist, vermag keine Heimeligkeit zu entstehen.

Faktisch sind die Probleme allerdings durchaus geplant. Insbesondere im 20. Jahrhundert war die Aufsplitterung der Stadt in funktionelle Strukturen gewollt. Heute weiß man, dass Lebensqualität eher dann entsteht, wenn die Stadt über eine funktionelle Durchmischung verfügt.

Heimelige Gefühle und Identifikation entstehen vor allem dann, wenn sich die Funktionen Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Erleben engmaschig durchmischen und wenn die Stadtplanung insbesondere auf den Fußgänger ausgerichtet ist – was auf nahezu alle touristische Hotspots zutrifft.

Lebendige Siedlungen sind grundsätzlich im kleinen Maßstab geplant. Dazu schreibt der dänische Stadtplaner Jan Gehl: „Wenn eine Stadt voller Leben sein soll, braucht sie vor allem kurze, direkte und logische angelegte Wege, maßvolle Dimensionen und eine klare Hierarchie von kleinen und großen öffentlichen Räumen (…) Lebendige Städte erfordern kompakte städtebauliche Strukturen, eine maßvolle Bevölkerungsdichte, annehmbare kurze Wege für Fußgänger und Radfahrer sowie einladende öffentliche Flächen. Bebauungsdichte (Quantität) muss mit gut gestalteten Stadträumen (Qualität) kombiniert werden“ [1].

Die Untersuchungen in zahlreichen Innenstädten beweisen, dass die Distanz von 500 Metern eine „akzeptable Weglänge“ darstellt und dass sich die meisten Innenstädte auf eine Fläche von rund einem Quadratkilometer beziehen, „sodass Fußgänger alle wichtigen Orte im Zentrum über Weglängen von je einem Kilometer oder weniger erreichen können“ [1].

Die Problematik mit der geringen Informationsdichte ist nicht nur ein subjektiv wahrgenommener Faktor, sondern hat auch Konsequenzen für die Siedlungsentwicklung. „Menschen kommen dort zusammen, wo „etwas los ist“ und suchen instinktiv die Gegenwart anderer Menschen“ [1]. „Das Stadtleben ist (…) ein Produkt aus Anzahl und Dauer einzelner Aktivitäten im öffentlichen Raum. Studien haben gezeigt, dass Städte und öffentliche Räume vor allem dann belebt werden, wenn sie die Menschen motivieren, sich dort länger aufzuhalten. Viele Menschen, die nur kurz verweilen oder hindurcheilen, machen noch keine lebendige Stadt aus“ [1].

Nach Gehl sind Angebote für Fußgänger, Aufenthaltsgelegenheiten, Sitzgelegenheiten, Sehenswürdigkeiten, Orte für die Kommunikation, Orte für Spiel und Sport, positive Sinneseindrücke, sowie das Sicherheitsgefühl für die nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmer wesentliche Qualitätskriterien der Stadtplanung [1]. Die Idealvorstellung ist laut Gehl die „lebendige, sichere, nachhaltige und gesunde“ Stadt.

Essentiell ist der halböffentliche oder halbprivate Raum. Wir wollen keine Retortenstädte, die über eine „hübsche“ Fassade verfügen, sondern eine Stadt, die gelebter Ausdruck der dort lebenden Menschen ist.

Hermann Knoflacher sieht „Zeitbindung in der Nähe“ ähnlich als wichtiges Qualitätsmerkmal in der Siedlungsplanung, das durch geringere Geschwindigkeiten zu erreichen ist [2].

Smart city und smarte Mobilität sind schön und gut. Wesentlicher ist die Lebensqualität in den Städten und Stadtteilen. Dann gelingt es auch mit der smarten Mobilität und insbesondere mit dem Willen zum Bleiben und nicht nur mit dem Versuch, die Stadt schnellstens zu verlassen.

Literatur:

[1] Jan Gehl: „Städte für Menschen“, Jovis Verlag, Berlin 2015

[2] Hermann Knoflacher: „Grundlagen der Verkehrs- und Siedlungsplanung, Siedlungsplanung“, Böhlau Verlag, Wien 2015

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