Das Bauen im mehrgeschossigen Holzbau macht umfangreiche Überlegungen zu den Themen Tragwerk, Feuchteschutz und Bauabdichtung, winterlicher und sommerlicher Wärmeschutz, Schallschutz und Brandschutz notwendig. Nur wenn das Bauwerk bis ins letzte Detail geplant ist, sind die Grundlagen für einen nachhaltigen und dauerhaften Holzbau geschaffen.
Bedingt durch den Klimawandel, aber auch durch unsere Art und Weise, wie wir heute bauen, wird die sommerliche Überhitzung immer deutlicher zum Problem. Der Glasbau ohne Verschattung mit künstlicher Kühlung in Form von elektrischen Motoren ist zunehmend ein gravierendes Problem für unsere gebauten Umgebungen.
Wir können und sollen zwar das Klima retten, müssen aber im Hier und Jetzt klare Lösungen finden, um auf veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren. Auf die Klimarettung zu warten ist zu wenig. Klimaanpassung ist das kurzfristige, aber notwendige Ziel. Intelligenter, besser und grüner bauen bedeutet, mit weniger Technologie, dafür aber mit mehr Anstrengung bessere Umgebungen verwirklichen.
Die Klimaanlage an der Hausfassade ist nicht nur eine unästhetische Zumutung, sondern die reinste Energieverschwendung, die darüber hinaus auch noch zusätzliche Wärme produziert, gleichzeitig aber auch offensichtliches Versäumnis einer vernünftigen bauphysikalischen Planung ist.
Grundsätzlich müssen unsere gebauten Umgebungen einen möglichst hohen Komfort bieten und Schutz gegenüber den äußeren Gegebenheiten bieten. Winter sowie Sommer sind für unsere europäische Klima-Gegebenheiten grundsätzlich unterschiedliche Herausforderungen. Im Winter vollzieht sich der Wärmeverlust flächig und gleichmäßig. Im Sommer konzentriert sich der Wärmeübertrag vor allem auf transparente Flächen, weshalb eine effiziente Verschattung notwendig wird. Erhitzt sich das Dach aber erst einmal auf 70 oder 80 ° Celsius, wird über die ganze Fläche die Wärme übertragen und unsere Räume hitzen sich auf. Ein durchlüftetes Dach (Kaltdach) oder die Dachbegrünung wirken vorteilhaft.
Man könnte darüber debattieren, ob Wärmedämmung oder Wärmespeicherung der Vorzug gegeben wird. In der Regel sind wärmedämmende Baustoffe nicht wärmespeichernd und umgekehrt. Eine Option pro Wärmedämmung zahlt sich immer aus.
Grundsätzlich bezeichnet die Wärmekapazität die Fähigkeit von Baumaterialien, die Wärmeübertragung auf das Rauminnere durch Phasenverschiebung auszugleichen. Indem die effektive Wärmeübertragung durch die materielle thermische Trägheit auf jene Stunden verschoben wird, in denen die Außentemperatur ohnehin bereits abgekühlt ist, also nachts, werden Temperaturspitzen abgetragen und das Raumklima wird spürbar angenehmer. Das bedingt allerdings ein Klima, bei dem nachts effektiv eine Temperatur erreicht wird, die als kühl wahrgenommen wird, was in Europa angesichts von Tropennächten zeitweise problematisch ist.
Folglich wirkt die Wärmekapazität nur dann, wenn das Klima instationär ist und tagsüber und nachts unterschiedliche Bedingungen gegeben sind. Außerhalb dessen ist auch im Somme die Wärmedämmung das Um und Auf. Zudem ist aufgrund dieser Instationarität im 12-Stunden-Rhytmus gar nicht die gesamte Masse von den Temperaturschwankungen betroffen, sondern nur die ersten Zentimeter, sodass die Oberfläche eher von Bedeutung ist.
Die thermische Behaglichkeit geht in der Bauphysik von einer Soll-Raumtemperatur aus, die – entweder nach Normen oder individuellen Vorstellungen – irgendwo bei 25 bis 26 Grad Celsius liegt. Diese Soll-Temperatur darf dann allerdings wiederum in 5 – 10 % der Jahrestage überschritten werden. Wie immer erfolgt die Bemessung im Bauwesen nämlich nicht am erwartbaren Maximalwert, sondern an einem Soll-Wert mit einer bestimmten Überschreitungswahrscheinlichkeit, weil das Bauen ansonsten ineffizient werden würde und immer überbemessen wäre. Die Soll-Raumtemperatur ist heute immer höher werdenden Außentemperaturen konfrontiert.
Allerdings – und das kommt in Mitteleuropa erschwerend hinzu – machen auch die tiefen Wintertemperaturen zu schaffen. Dort ist dann die Wärmekapazität ein Nachteil, weil es auf die hohe Wärmedämmfähigkeit ankommt, für welche gegenteilige bauphysikalische Eigenschaften maßgebend sind.
Die Wärmekapazität bezeichnet die zugeführte Wärme relativ zur Temperaturdifferenz, drückt folglich die Wärmespeicherfähigkeit eines Materials aus und ergibt sich aus der Summe Dichte, Volumen und spezifischer (molarer) Wärmekapazität der Materie. Die spezifische Wärmekapazität von Holz ist aufgrund des eingelagerten Wassers vorteilhaft – allerdings ist die Masse als Produkt von Dichte und Volumen im Vergleich zu schweren Massivwerkstoffen zu gering.
Von Natur aus haben schwere Werkstoffe wie Beton folglich eine hohe Wärmekapazität. Beim Ziegel hängt die Angelegenheit von den den konkreten thermischen Eigenschaften des Ziegels ab – die Produktvielfalt ist groß. Beim Holz ist die Wärmekapazität entsprechend schlechter, im Gegensatz ist die Wärmedämmwirkung relativ hoch.
Allerdings kommt noch ein anderer Umstand hinzu, der die Wärmekapazität drastisch senkt: Wird der massiven Wand oder Decke, die an und für sich über eine hohe Wärmekapazität verfügen würde, eine wärmedämmende Schicht vorgelagert – die abgehängte Decke, die Möblierung, die Verkleidung, aber auch eine Wärmedämmung -, so sinkt die Kapazität deutlich ab. Insofern massive Bauteile mehrschichtig betrachtet werden, wird die Kapazität deutlich eingeschränkt. Die massive Steinbau im Altbau mit – aus heutiger Sicht – übertriebenen Wandstärken ist zwar im Sommer voteilhaft, aber im Winter katastrophal und in allen Fällen aufgrund der Dicke zumeist keine Option.
Grundsätzlich sind beim sommerlichen Wärmeverhalten die inneren Oberflächen relevant. Daraus folgend ist eine thermische Außendämmung vorteilhaft, die den Wärmeeintrag durch Transmission minimiert. Entsprechend hoch ist der Einfluss der solaren Einträge. Die hohe Wärmekapazität der Innenseite der Außenwände sowie der Innenwände bewirkt, dass die Wärme in den Räumen an die Wände abgegeben wird. Das Raumklima bleibt – relativ – angenehm.
In unseren Räumen erfolgt der überwiegende Wärmeaustausch über Wärmestrahlung. Materialien mit hohen spezifischen Wärmekapazitäten an den sichtbaren Oberflächen verbessern das sommerliche Wärmeverhalten entsprechend deutlich. Dazu zählen nicht poröse Massivbauteile, besonders aber Beton, Kalk oder Lehm.
Die Lüftung, besonders konsequentes Nachtlüften, ist darüber hinaus wesentlich, um auch im Sommer ein angenehmes Raumklima zu verwirklichen. Priorität muss die natürliche Lüftung haben. Dazu müssen große Lüftungsflächen vorgesehen werden. Querlüften ist wichtig, um ausreichende Luftwechselraten zu erreichen. Lüftungseinrichtungen auf verschiedenen Höhenniveaus erzielen darüber hinaus einen günstigen Kamineffekt durch das Luftdruckgefälle und können gezielt am tiefsten und am höchsten Punkt angeordnet werden. Das Bauen im Hang sowie die Einbeziehung der Erdkühle erweckt zusätzliche Potentiale.
Positiv ist allerdings ein anderer Umstand: Die Wirkung einer Verschattung ist in der Praxis deutlich größer als die Wärmespeicherkapazität, sodass es sich in allen Fällen auszahlt, sich um eine ausreichende Verschattungswirkung zu kümmern. Der Baum, die Lamellen, die Markise – oder sonstige bauteilige Lösungen – versprechen Abhilfe vor Überhitzung. Gerade Laubbäume passen sich an unsere Verschattungsanforderungen an und sind folglich unverzichtbar.
Insbesondere die Begrünung und Bepflanzung speichert Wasser und wirkt damit in hohem Maße vorteilhaft. Pflanzen reagieren auf die hohen Temperaturen durch Verdunstung. Ähnlich wesentlich ist eine geringe Versiegelung, damit das Regenwasser versickern kann. Da die Energie für die Verdunstung des Wassers nämlich aus der Umgebung in Form von Wärme entnommen wird, wird durch die Vegetation eine Temperatursenkung erzielt. Gleiches gilt für das nahe Gewässer, etwa einen Teich. Die Begrünung des Außenbereiches: Ökologisch notwendig, thermisch vorteilhaft und ästhetisch unabdingbar.
Zumindest sind heute mit Photovoltaik und Wärmepumpe annähernd ökologische Möglichkeiten gegeben, um Gebäude zu kühlen. Vorher müssen aber alle baulichen Maßnahmen für eine natürliche Kühlung gesetzt sein.
Die Frage nach dem richtigen Verhältnis von Wärmedämmung und Wärmespeicherung ist nicht ganz einfach. Vorerst müssen Beschattung, Belüftung und Wärmedämmung gewährleistet sein – dann ist an die Wärmekapazität zu denken. Und dann kann auch der Holzbau ein angenehmes Raumgefühl in glühend heißen Sommern garantieren.
Literatur:
[1] Wolfgang M. Willems: „Lehrbuch der Bauphysik“, Springer Vieweg, Wiesbaden 2017
[2] Winter, Stefan / Peter, Mandy (Hrsg.): „Holzbau-Taschenbuch: Grundlagen“, Ernst und Sohn Verlag, Hoboken 2021
[3] Matthias Post , Peter Schmidt: „Lohmeyer: Praktische Bauphysik: Eine Einführung mit Berechnungsbeispielen“, Springer Vieweg, Wiesbaden 2019


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