Man schließe einige Sekunden die Augen und stelle sich ein Infrastrukturprojekt vor, welches nicht nur ökonomische Vorteile bringt, sondern auch einen ökologischen Nutzen aufweist und dabei noch von der Mehrheit der Bevölkerung gutgeheißen wird. Man würde schnell wieder die Augen öffnen und dieses Gedankenspiel als utopische Phantasie abtun. Doch genau diese Konstellation positiver Variablen vereint zurzeit ein Südtiroler Bauvorhaben in sich. Die Rede ist vom Neubau der Seilbahn zwischen den beiden Dörfern Mühlbach und Meransen.
Vor mehr als 60 Jahren, um genau zu sein 1957, nahm die Seilbahn zwischen den beiden Gemeinden am Eingang des Pustertals ihren Betrieb auf. Das Verkehrsmittel stellte damals für die Bewohner des kleinen Bergdorfes Meransen so etwas wie das Tor zur Welt dar, mit dem man ohne große Mühe in das im Tal gelegene Mühlbach gelangen konnte, denn eine richtige Straße gab es zu dieser Zeit noch nicht. Doch auch an der Seilbahn nagt der Zahn der Zeit und so wirkt ihre Funktion heutzutage in mehreren Punkten überholt: Neben der technischen und mechanischen Einrichtung sind auch die Förderkapazität und der Standort an sich nicht mehr zeitgemäß. Vor mehr als 10 Jahren erkannte man dies bereits und fing an, sich über einen Neubau Gedanken zu machen.
Impulsgeber für den Neubau war die örtliche Ferienregion Gitschberg-Jochtal, welche über ihren ersten Plan zur Neugestaltung im Jahr 2014 bei einer Volksabstimmung entscheiden lies. [1] Beim Urnengang sprach sich eine knappe Mehrheit gegen das Unterfangen der Touristiker aus, wobei der neu geplante Trassenverlauf der Knackpunkt war. Die Initiatoren sahen das Ergebnis als Ansporn, eine für alle zufriedenstellende Lösung zu entwickeln und setzten sich wieder an den Zeichentisch. [2]
Herausgekommen ist dabei ein Trassenverlauf, welcher in seinen einzelnen Abschnitten intelligente Knotenpunkte schafft. Der Start ist im Tal direkt am Zugbahnhof in Mühlbach vorgesehen, wodurch die Anknüpfung an den öffentlichen Schienenverkehr gelingt und damit in Kombination mit der Riggertalschleife eine effiziente Verzahnung der Mobilität entsteht. Zudem soll laut dem Plan an der Talstation eine Tiefgarage entstehen. Das folgende, erste Teilstück führt flach aus dem Ort hinaus bis zu einer Umlenkstation, von der es dann hoch nach Meransen geht. Mit der damit ersparten Überspannung von Mühlbach wird die Belastung der Menschen spürbar verringert. In Meransen selbst soll eine unterirdische Mittelstation entstehen, welche zentral gelegen ist und wiederum als Umlenkstation fungiert. Endstation ist laut Plan die Talstation der Seilbahn des Skigebietes. [3]
Dieses Projekt ist auch in einem globalen Kontext zu betrachten. Seilbahnsysteme stellen heute innovative Mobilitäslösungen dar, die besonders auch im urbanen Raum vielfache Vorteile bewirken. Die hohe Kapazität von bis zu 5.000 pro Richtung und Stunde besticht. Weitere Vorteile sind: Mobilität auf einer anderen Ebene, kurze Bauzeit, Sicherheit, einfache Anbindung an andere Verkehrsträger, Barrierefreiheit, Nachhaltigkeit. Gerade mit Leitner und Doppelmayr arbeiten zwei Größen der Seilbahnwelt von Südtirol aus und es wäre wenig zielführend, dieses immense know-how nicht auch vor Ort zu nutzen.
Für den neuen Entwurf wurde bereits eine Änderung des Bauleitplanes seitens der Gemeinde bewilligt, nun liegen die Karten beim Land Südtirol. Sollte alles reibungslos verlaufen, so könnte bereits 2023 der Bau beginnen. Sicher ist schon jetzt auf alle Fälle, dass der Neubau in Punkto nachhaltige Mobilität, sanfter Tourismus und Gestaltung eines lebensfreundlichen Siedlungsgebiets neue Maßstäbe setzen würde.

[1] Eurac Research. Bürgerbeteiligung. Ein praktische Leitfaden für Gemeinden. Abrufbar unter: http://webfolder.eurac.edu/EURAC/Publications/Institutes/autonomies/sfereg/POP_brosch_de.pdf. Bozen 2015.
[2] Mühlbacher Marktblatt. Der neue Vorschlag. Abrufbar unter: https://docplayer.org/31000357-Seilbahn-muehlbach-meransen-der-neue-vorschlag.html. Mühlbach 2016.
[3] Dolomiten – Tagblatt der Südtiroler. Mit Zug und Seilbahn zum Ziel. Bozen 5.03.2021.