Innovation, was ist das? Von lateinisch „innovare“ also „erneuern“ abgeleitet, bezeichnet der Begriff eine Erneuerung. Heute weitgehend eine technologische Erneuerung. Unser Wirtschaftswachstum ist nämlich in Anbetracht endlicher Ressourcen auf Innovation ausgelegt. Im Ingenieurwesen gehört die Innovation zur täglichen Herausforderung. Das Lateinische „ingenium“ bezeichnet die sinnreiche Erfindung.
Nun kann es im Ingenieurwesen allerdings nicht wirklich um Erfindungen gehen. Erfindungen spielen zwar immer auch eine Rolle, allerdings spielen sich diese im akademischen Umfeld ab. Eine „Innovation“ ist keine Erfindung, sondern die Übernahme neuer technologischer Ansätze in die Praxis, die eben vorher erfunden und erprobt wurden. Als Innovation ist vielleicht am ehesten die Übernahme vom „Stand der Wissenschaft“ in die Praxis und folglich der Übergang zum „Stand der Technik“ zu verstehen.
Innovation bedeutet vielfach eine Anpassung an neue Gegebenheiten. Innovation setzt folglich die Offenheit des Geistes voraus, damit das Verlassen von Gemeinplätzen und (schlechter) Gewohnheiten, stattdessen der Rückgriff auf ergebnisoffene und abenteuerliche Denkprozesse. Eine Seltenheit in Zeiten wie diesen, in denen sich alle in ihre „sicheren“ Häfen zurückziehen und Hinterfragen vermeintlich „existenzgefährdend“ erscheint anstatt Innovation an den Graswurzeln zuzulassen, die „leider“ auch immer die Gefahr birgt, bestehende Machtverhältnisse in Frage zu stellen.
Woher denn die Innovation im Ingenieurwesen kommen soll, beantwortet der Bauingenieur Helmut Kramer, der sich in den Bereichen der Baudynamik hervorgetan hat. Kramer selbst befasste sich am Institut für Grundbau in Hamburg mit Fundamentschwingungen und begründete in der Folge in Hamburg die Baudynamik. In der Fragestellung, was Innovation sei, teilt Kramer einen Seitenhieb auf heutige, „praxisbezogene“ Studien aus.
Es sei auf den weit verbreiteten Irrtum hingewiesen, wonach gute theoretische Grundkenntnisse nur für wissenschaftliches Arbeiten notwendig sind. Ausbildungskonzepte, die einen schnellen beruflichen Erfolg durch „praxisorientierte Ausbildung“ versprechen, übersehen, dass innovative Lösungen vor allem von den Ingenieuren kommen, die die Mühe nicht gescheut haben, sich die theoretischen Grundlagen ihres Fachgebietes anzueignen. Um Wettbewerbsvorteile zu erzielen, muss der in der Praxis tätige Ingenieur den sich ständig ändernden Anforderungen des Marktes gerecht werden, was mit Standardlösungen nicht gelingt. Er muss in der Lage sein, Veröffentlichungen von Forschungsergebnissen zu verstehen, um sie schnell umsetzen zu können. Eine Beschleunigung des Wissenschaftstransfers fördert die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens.
Helmut Kramer
Es gehe um die Rolle des Ingenieurs in der Gesellschaft, allerdings eines Ingenieurs, der sich aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit und Abhängigkeit befreie. Ein grober Mangel sei die geringfügige Positionierung vieler Ingenieure in der Öffentlichkeit und ein dadurch bedingtes mangelndes Verständnis der Bevölkerung. Kramer skizziert die eigentlichen Rolle und Bedeutung des Ingenieurs wie folgt.
Die Neugierde des Ingenieurs, tiefer in sein Fachgebiet einzudringen, ist eine wesentliche Ursache für technischen Fortschritt. Jeder Ingenieur – einerlei ob er in der Forschung, in der Planung, in der Ausführung oder in der Verwaltung tätig ist – sollte sich der Herkunft seiner Berufsbezeichnung aus dem lateinischen ingenium = Erfindungskraft bewusst sein.
Helmut Kramer
Mit den Worten Kramers ist eigentlich alles gesagt. Aus diesem einen Grund gehen manche von uns tiefer in die Materie hinein, ziehen die Theorie – vorerst – der Praxis vor, glauben nicht daran, dass nur die praktische Erfahrung und der Pfusch uns weiter bringen, warten auf den Erkenntnisgewinn, lesen viel zu viele Bücher und versuchen am Ende besser zu sein.
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