Der Bauingenieur Martin Herrenknecht
Der Bauingenieur Martin Herrenknecht landete nach seinem Studium in Konstanz im Tunnelbau und arbeitete nach Stationen in Deutschland, Kanada und der Schweiz bis 1975 am Schweizer Seelisbergtunnel als maschinentechnischer Leiter. Dort plagt sich Herrenknecht mit der amerikanischen Tunnelbohrmaschine herum, die damals größte der Welt.
Seine Hauptaufgabe war es dann auch, die Kinderkrankheiten der Maschine zu beseitigen und den technischen Schwachstellen eigene Ideen und Lösungen entgegenzusetzen – sieben Tage in der Woche, meist weit länger als acht Stunden. «Brutaler geht es nicht mehr», sagt Herrenknecht heute über diesen Vortrieb. «Aber ich war fasziniert von den Anlagen, die wir am Seelisberg hatten. Da haben wir auf der Baustelle – das muss man sich mal vorstellen – neue Saugventile für die Hydraulikpumpen konstruiert.» (…) Und auch «Big John» bekam er in den Griff, sodass schließlich durchschnittliche Vortriebsleistungen von rund 8 Metern täglich realisiert wurden.
Luzerner Zeitung, 25. Juli 2017 (Link)
1975 machte sich Herrenknecht dann selbständig. Weil die Banken keiner Finanzierung zustimmen, leiht er sich Geld von seiner Mutter. Mit den Kunden erweist sich die Sache ähnlich schwierig. Dann beginnt ein regelrechtes „Märchen“.
Der Seelisbergtunnel war ein Schlüsselerlebnis. Herrenknecht lernte, was es heißt, Tunnelbohrmaschinen einzusetzen, aber auch, wie man Mitarbeiter führt, motiviert und begeistert. Und wie man als 3 3-jähriger Ingenieur Kunden gewinnt, obwohl keine einzige Maschine existierte – es gab nur Pläne. Die potenziellen Käufer, sagte Herrenknecht, „schauten lange und kritisch auf unsere Zeichnungen und sagten schließlich: Ja, ja, sieht alles recht logisch aus. Aber wo können wir solch eine Maschine im Einsatz sehen?“ Sie waren nicht erfreut, wenn ich angab, dass sie die Ersten sein würden, die eine kaufen wollten. Nach drei Wochen vergaß ich meinen Stolz und rief an. Manche sagten, dass sie diese Vortriebsmethode nicht wünschten, andere sagten ehrlicher, dass sie keine Versuchskaninchen für meine Maschine sein wollten.“ Nach einem halben Jahr gab es dennoch den ersten Auftrag – in Luxemburg. Die Eigenentwicklung aus den Jahren 1975/76 war so erfolgreich, dass die MH1 und ihre beiden Nachfolger 500-mal verkauft wurden.
„Brand eins“, Ausgabe 10 / 2013 (Link)
Tunnelbohrmaschinen im Einsatz
Grundsätzlich ist im Tunnelbau zwischen zyklischem Vortrieb (Baggern / Sprengen) und kontinuierlichem Vortrieb mittels Tunnelbohrmaschine zu unterscheiden.
Bei der kontinuierlichen Bauweise mittels Tunnelbohrmaschine, welche im nicht standfesten und verwitterten Fels mittels Schild geschützt sind, erfolgt der Einbau von Tübbingen, also vorgefertigter Betonelemente, welche den Tunnel aussteifen [2]: „Einsetzbar bei Festgestein mittlerer bis hoher Festigkeit und nicht zu hoher Abrasivität. Es werden ausschließlich Kreisquerschnitte (Durchmesser bis über 12 m) durch einen rotierenden Bohrkopf, der mit Rollenmeißeln bestückt ist, aufgefahren (sog. Vollschnittabbau). Um den Anpressdruck auf den Bohrkopf aufzubringen, wird die Maschine durch seitlich ausfahrbare Abstützplatten radial verspannt“ [1].
Das Unternehmen Herrenknecht ist heute der Weltmarktführer für Tunnelbohrmaschinen. Wo auch immer neue Tunnel entstehen, sind Herrenknecht-Maschinen mit hoher Wahrscheinlichkeit im Einsatz. Ob Gotthard-Basistunnel oder Brenner-Basistunnel: Herrenknecht bohrt und baut.
Herrenknecht bietet dabei rundum technologische Leistungen an: Frühzeitiges Erkennen potenzieller Hindernisse in Fest- und Lockergestein; Vorbereitung und Ausrichtung des Vortriebs auf Geologien mit Störzonen sowie die optimale Gebirgsvorbereitung und Vortriebsstrategie.
Streitbarer Chef
Mit der The Boring Company will Elon Musk in das klassische Bauingenieurwesen im wahrsten Sinne des Wortes eindringen, nämlich in die Felder Tunnelbau und Infrastrukturbau. Der Hyperloop verspricht eine Disruption in Sachen Öffentlichem Personenverkehr. Musk will – wie könnte es denn anders sein – die Kosten im Tunnelbau senken und die Vortriebsgeschwindigkeit drastisch erhöhen. Dadurch soll es möglich sein, Fernreisen im öffentlichen Personenverkehr innerhalb kurzer Zeiten zu unternehmen. Auf die etablierten Größen im Infrastrukturbau wirkt Musks Ansage in der Folge bedrohlich bis banal.
Die Ankündigungen durch Elon Musk wirken mehr als verlockend: Mehr Effizienz durch Zusammenlegung verschiedener Arbeitsschritte, Elektrifizierung der Tunnelbohrmaschinen, Wiederverwendung des Abraumes.
Der Weltmarktführer beim Bau von Tunnelbaumaschinen, Herrenknecht, ist im „Manager Magazin“ 03/2021 mehr als skeptisch – und das ist auch verständlich: Insbesondere im Grundbau und in der Geotechnik ist es mit dem hydrogeologischen Risiko, mit Klüften, Diskontinuitäten, Störungen und komplexen Anisotropien alles andere als einfach, einfache Ansagen zu tätigen. Komplexe Gegebenheiten erfordern tiefer reichende Erfahrungen. Diese bietet Herrenknecht weltweit.
Und auch sonst ist Martin Herrenknecht streitbar und sich für keine Positionierung zu schade, sondern – wie sollte es denn im Fels- und Tunnelbau anders sein – ein Mann mit Ecken und Kanten. Politisch in der CDU beheimatet, scheut sich Herrenknecht um keine Kritik und setzte 2019 mit dem Austritt einen Schlussstrich: Die CDU sei zu stark nach links gerückt, kraftlos in der gesellschaftlichen Mitte und ohnmächtig am rechten Rand (Link).
Man „kann“ als erfolgreicher Unternehmer auch unangenehme Meinungen vertreten. Nein, man kann nicht nur, man „muss“.
Im Tunnelbau – und im Leben – geht es um Ecken und Kanten und darum, dass man den äußeren Umständen einen inneren Widerstand entgegen setzt. Der Weg des geringsten Widerstandes ist zwar meistens der einfachste, er verwirklicht aber nichts „Echtes“, sondern verflüssigbaren „Mainstream“. Der entbehrlich ist.
Literatur:
[1] Dimitrios Kolymbas: „Geotechnik – Tunnelbau und Tunnelmechanik Eine systematische Einführung mit besonderer Berücksichtigung mechanischer Probleme“, Springer Verlag, Berlin Heidelberg 1998
[2] Bernhard Maidl, Martin Herrenknecht, Ulrich Maidl, Gerhard Wehrmeyer: „Maschineller Tunnelbau im Schildvortrieb“, Wilhelm Ersnt & Sohn Verlag, Berlin 2011