Das Bauen mit nachwachsenden Rohstoffen steht heute an der Spitze der Entwicklung im Bauwesen. Die ökologische Krise befeuert die Notwendigkeit, nachhaltig, grün und ökologisch zu bauen – und auch bauen zu müssen. Ein klein wenig ist es im Sinne der Baubiologie aber auch die Haltung, „gesünder“ bauen zu müssen und zu wollen, deshalb auf synthetische Baumaterialien zu verzichten und die Konstruktion weitaus atmender und natürlicher zu gestalten.
Irgendwo findet im modernen Bauen heute aber auch das Thema der „natürlichen Intelligenz“ Anwendung. Fortschritt bedeutet, die Natur weiterzuentwickeln, diese mit ihren Ordnungen in den eigenen Entwurf gewinnbringend einzugliedern.
Holz gehört selbstverständlich zu den nachwachsenden Rohstoffen. Bis ein Baum allerdings einen beachtlichen Stamm mit entsprechenden Festigkeiten entwickelt, vergehen einige Jahre und Jahrzehnte. Folglich ist die Forstwirtschaft immer auf Generationen ausgelegt und hat die Begriffsdefinition der Nachhaltigkeit geprägt – und zwar lange, bevor dieser Begriff populär war.
Gegenüber dem Bauen mit Holz, das immer auf entsprechend lange Zeiträume angewiesen ist, ist der Rückgriff auf solche Pflanzen folgerichtig, die schnell wachsen und folglich auch in geringeren Zeitabschnitten ihre Verwendung als Baumaterial finden. Das bedeutet einen geringeren Flächen- und Bodenverbrauch, weil mit deutlich weniger Land mehr Ertrag möglich ist. Zu diesen Materialien gehören Stroh, Schilf oder Hanf. Pflanzliche Rohstoffe werden dabei kongenial mit mineralischen Stoffen verbunden, die möglichst „roh“ sein sollen, wie etwa Lehm.
Daraus ergibt sich eine Hierarchie der Bauteile: Das langfristig wachsende Holz für die Tragstruktur, die über 100 Jahre Lebensdauer haben sollte. Schnell wachsende Pflanzenfasern für den Ausbau, der weniger lange verbaut ist und auch hier und dort flexibel angepasst wird.
Eines sind in unseren Konstruktionen die tragenden Bauteile. Diese werden bestenfalls in Holz oder Stahl oder Beton hergestellt. Etwas anderes sind die Ausfachungen. Die Zweigliederung der Ausfachungsbauteile, von Außenwänden und Innenwänden in einen (selbst)tragenden und einen dämmenden Teil ist aber oftmals nicht zielführend. Im Sinne des Leichtbaus wäre es zielführender, mehrere Funktionen in einem einzigen Baustoff zu vereinigen.
Hanf hat eine Zukunft als Baustoff. Dafür sprechen das schnelle Wachstum, der entsprechend geringe Flächenbedarf und die Resistenz gegenüber Schädlingen. Für den Baustoff Hanf werden die harten Stiele des Hanfs verwendet. Die geschredderten Stiele werden dann mit einem Naturkalk-Gemisch zusammengepresst und lassen sich so in „Hanfsteine“ formen oder zu „Hanfbeton“ mischen.
Die Kombination mit Kalk macht den Hanfbaustein mechanisch tragfähig sowie widerstandsfähig gegen Feuchtigkeit und Feuer und ermöglicht ein hygroskopisches, also feuchteausgleichendes, Verhalten, wie dies beim Lehm der Fall ist. Folglich kann der Hanfziegel ohne Dampfbremse verbaut werden.
Durch die gezielte Kombination der Materialien Hanf und Kalk ergibt sich ein Baustoff, der nicht nur ein Vielfaches leichter als z.B. herkömmlicher Ziegel ist, sondern hervorragende wärmespeichernde, schallisolierende und feuchtigkeitsregulierende Eigenschaften aufweist.
In dieser Hinsicht lässt sich von einer monolithischen Bauweise sprechen, bei welcher keine zusätzliche Dämmung von Nöten ist. Das Einsatzgebiet ist dabei ebenso vielfältig wie der Baustoff selbst, „Hanfsteine“ oder „Hanfbeton“ können sowohl für Neubauten als auch Sanierungen, Dachdämmungen, Trennwände, Unterböden oder Putzsysteme verwendet werden.
Gemauert werden die Hanfziegel mit atmungsaktivem Mörtel. Verschiedene Hersteller bieten Kalk-Hanf-Mörtel an. Die erzielbare Druckfestigkeit von Hanfziegeln liegt bei 0,32 N/mm² (Link) oder nach Herstellerangaben bei 0,60 bis 0,80 N/mm², während Kalksandstein rund 15 N/mm² erreicht. Aus Sicht der Tragwerksplanung ist es folglich naheliegend, in Skelettbauweise in Holz oder Stahlbeton zu bauen und die Hanfziegel nur sich selbst tragen zu lassen. Dann vereinen die Ziegel aber Raumabschluss und Dämmung. Die Verwendung von Dübeln und Holzbauschrauben ist in Hanfziegeln möglich.
Literatur:
[1] Gerhard Holzmann, Matthias Wangelin, Rainer Bruns: „Natürliche und pflanzliche Baustoffe – Rohstoff, Bauphysik, Konstruktion“, Springer Vieweg, Wiesbaden 2012
[2] Nurgül Ece:“ Baubiologie – Kriterien und architektonische Gestaltung“, Birkhäuser, Basel 2018


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