Bäume verfolgen das Ziel, in ihren grünen Bestandteilen durch die Photosynthese unter Verwendung von Wasser und Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre, Zucker zu synthetisieren. Dazu ist es notwendig, dass die grünen Bestandteile der Sonne ausgesetzt werden. Entsprechend – im wahrsten Sinne des Wortes – hohe Ansprüche werden an das Traggerüst, den Stamm und den Werkstoff Holz gestellt.
Entsprechend hoch – oder in diesem Sinne tief – sind allerdings auch die Ansprüche an das Wurzelwerk, das Wasser und Nährstoffe aus dem Boden aufsaugt und über den Stamm in die Äste, Zweige und Blätter verteilt. In diesem Prozess wird der Atmosphäre wieder Sauerstoff bereitgestellt, allerdings Kohlenstoffdioxid im Holz eingelagert.
Philosophie der Bäume
Der Philosoph Emanuele Coccia ist der Meinung, dass Bäume folglich mit allen Elementen in Verbindung stehen.
Ein Baum ist in die Erde eingebunden. Die Wurzeln kommunizieren mit der Erde und mit dem Wasser. Wasser, Luft und Sonne wirken auf die Blätter. Die Blätter sind nach Emanuele Coccia für die Bäume der „Ausdruck ihrer Leidenschaft für das Leben in der Luft“ und zur Aufnahme des Sonnenlichtes. Die Blüten wirken hinzukommend als Attraktor zum Einfangen der Welt und zur fruchtbringenden Interaktion mit der Atmosphäre.
Emanuele Coccia erachtet die Luft als wesentliches Element allen Lebendigen. Der Mensch lebt, indem er atmet. Er ist quasi in die Atmosphäre eingetaucht. Mit der ersten Atmung beginnt das Leben und mit der letzten Atmung endet es. Verschiedene Organe bilden deshalb ein Gemeinsames, weil sie über eine gemeinsame Atmung verfügen. Tiere und Pflanzen bilden ein kongeniales Ganzes. Während Tiere – und dazu gehört auch der Mensch – Luft verbrauchen, stellen Pflanzen Luft zur Verfügung.
Zu dieser Gemeinsamkeit schreibt Coccia: „Die Luft, die wir atmen, die Natur des Bodens, die Linien der Erdoberfläche, die Formen, die sich im Himmel abzeichnen, die Farbe alles dessen, was uns umgibt, sind unmittelbare Auswirkungen des Lebens, und zwar im gleichen Sinn und genauso intensiv, wie sie seine Prinzipien sind. Die Welt ist keine autonome, vom Leben unabhängige Einheit, sie ist die fließende Natur jedes Milieus: Klima, Atmosphäre“.
Die Welt ist folglich nach Coccia „kein Ort; sie ist der Zustand des Eingetauchtseins von allem in allem anderen, die Mischung, die ausdrücklich die Beziehung der topologischen Inhärenz umkehrt“. Wir sind nicht in der Welt, sondern eingetaucht in die Atmosphäre.
Eine bedeutende Rolle kommt in Bezug auf den Baum der Blüte zu. Die Blüte ist Ekstase. „Die evolutionäre Entscheidung für die Blüte ist die Entscheidung für den Primat der Form und ihrer Variationen über alles Übrige“ meint Emanuele Coccia. Und weiter: „Durch das Leben kann die Materie Geist werden – indem sie zu leben beginnt (…) Wo es eine Form gibt, gibt es auch einen Geist, der die Materie strukturiert, das heißt die Materie existiert und lebt als Geist“.
Die Natur hat in der Folge nach Emanuele Coccia die Eigenschaften eines menschlichen Organismus. Ähnlich wie der menschlich Atem die menschlichen Organe zu einem Ganzen macht, ist es nach Emanuele Coccia die Atmosphäre, die die Dinge in ein Verhältnis setzt, umhüllt und belebt.
Kohlenstoff-Kreislauf
Dieses Kohlenstoffdioxid gelangt durch verschiedene Prozesse im Sinne eines Kohlenstoffdioxid-Kreislaufes oder eines Energiehaushaltes wieder an die Umgebung zurück: Entweder durch Verbrennung oder durch biologischen Abbau, der durch Insekten oder Pilze verursacht wird.
Dieser Kreislauf kann allerdings durchbrochen werden: Durch das Bauen mit Holz, durch den Einsatz von Holz in unseren gebauten Umgebungen, schaffen wir nicht nur einen ästhetischen Mehrwert, der sich in der konstruktiven Genialität des Verarbeitenden äußert, sondern unterbrechen den Kohlenstoffdioxid-Haushalt, lagern den Kohlenstoff ein, verhindern, dass dieser an die Umgebung abgegeben wird.
Literatur:
[1] Maurizio Piazza. Roberto Tomasi & Roberto Modena: “Costruzioni in legno”, Hoepli, Milano 2005
[2] Emanuele Coccia: „Die Wurzeln der Welt – Eine Philosophie der Pflanzen“, Hanser Verlag, München 2018
Kommentar verfassen