Im Jahr 1987 gründet der ehemalige Landesgeschäftsführer der Grünen in Nordrhein-Westfalen, Thomas Hoof, das Unternehmen Manufactum als Versandhaus für hochwertige Produkte. 30 Jahre später verkauft Thomas Hoof das inzwischen millionenschwere Unternehmen an die Otto-Gruppe. Die Geschichte von Manufactum ist eine Geschichte der Wertigkeit der Dinge. Manufactum verkauft das, was andere nicht mehr verkaufen (wollen). Individuelles, Einzigartiges, Hochwertiges, das sich nicht als Massenware eignet. Kurzum das, was heute – und nicht nur heute – eigentlich jeder sucht.
Das Unternehmen Manufactum kennzeichnet eine tieferreichende Bedeutung, die man dem Handel und den Produkten zu geben vermochte. Die Katalogprodukte waren sorgfältig ausgewählt und mitunter konsumkritisch ausgerichtet. Die Langlebigkeit der Produkte war das Ein und Alles. Die Produkte wurden in einen kulturellen und historischen Kontext gestellt. Die Produkte drehen sich um das Wohnen, um das Kochen, um den Garten und zunehmend um Kleidung. Die Kataloge selbst waren hochwertig gestaltet und mit intelligenten Texten bereichert. Darüber hinaus wurden die tiefergehenden Gedanken in einem Verlagshaus gedruckt. Für Aufsehen sorgte, als das Versandhaus Manufactum Standorte gezielt an den besten Adressen eröffnete.
Thomas Hoof äußert sich kritisch zur heute praktizierten Wegwerfgesellschaft: „In jedem vernünftigen Sinn drückt sich Wohlstand nicht in wachsenden Müllbergen, sondern in einem wachsenden Kapitalstock aus. Und aus. Sehen Sie den? Wenn man – private und öffentliche – Verschuldung, Abschreibungsraten sowie den Verzehr an Rohstoffen und Energieträgern überschlägt, dann erfreuen wir uns einer gigantischen Kapitalvernichtung. Unser Wohlstand ist der von fröhlich prassenden Erben. Das ist ein rein ökonomisches, kein moralisches Urteil, aber: Es gibt offenbar Epochen, die die Welt bereichern, und solche, die sie nur verzehren und verdauen. Mir fällt es schwer zu sagen, dass die unsere zu den ersteren gehört“ [3].
Thomas Hoof war inzwischen, als er Manufactum verkaufte, wohl aus der Auseinandersetzung mit Produkten, Kreisläufen und Handwerkstechniken, im konservativen Umfeld beheimatet. Heute gibt er noch Bücher heraus und befasst sich auf seinem Hof mit Landwirtschaft.
In seiner Aufsatzsammlung „Nebenbei und Obendrein“ befasst sich Thomas Hoof mit Produkten, mit moderner und nur vermeintlich moderner Architektur, mit dem, was bleibt, und mit der Schönheit in den Dingen.
Für Manufactum wirkte ab 1997 auch der gelernte Forstwirt Ulrich Burchardt, der das Marketing maßgeblich gestaltete. Burchardt veröffentlichte 2012 ein Buch zum Prinzip Manufactum.
Darin befasst sich Burchardt mit Billigprodukten und hochwertigen Produkten.
Billigprodukte versprechen unverbindliche Zugehörigkeit, weil der Aufwand denkbar gering ist und die Verbindlichkeit ebenso – die Dinge kosten nicht viel und halten auch nicht lange, wir können uns die Farbe, das Aussehen und das Modell folglich bei jedem notwendigen, neuerlichen Erwerb neu überlegen. Der Marketingexperte Uli Burchardt schreibt zu diesem Prinzip: „Das Signal nach außen ist wichtiger als die eigene Beziehung zum Produkt“ [1].
Die meisten Billigprodukte sind schlussendlich gar nicht billig, sondern überaus teuer, weil sie mehrfach ersetzt werden müssen. Das kann gefallen, vorausgesetzt, man zieht es vor, unverbindlich zu leben und eben keine tiefer gehende Beziehung zu den Dingen einzugehen.
Uli Burchardt spricht von „Preiswertigkeit“ und meint damit etwas gänzlich anderes, das durch Billigprodukte kaum abgedeckt werden kann: „Eine Kultur der preiswerten Dinge ist beileibe kein Luxus, sie ist lediglich geizfrei. Sie stellt eine emotionale Beziehung zwischen dem Menschen und den ihn umgebenden Dingen her. Dinge, die er braucht und will. Der Mensch verbindet sich mit den Dingen, die er täglich berührt. Das gibt ihm einen Platz in der Welt. Die Verbindungen zwischen Mensch und Kartoffel, zwischen Mensch und Brot, zwischen Mensch und Wasser, aber auch zwischen Mensch und Werkzeug und zwischen Mensch und Maschine sind essentiell, existenziell, sie machen den Menschen zum Menschen. Wir alle brauchen intensive Beziehungen zu den Menschen um uns herum, zu den Dingen, die uns umgeben, zu dem Boden, auf dem wir leben, und zu den Lebensmitteln, die wir zu uns nehmen“.
Aus dieser Beziehung ergibt sich eine Wertigkeit: „Wir fühlen uns von solchen Dingen aufgewertet, der Wert des Dings geht über auf den Besitzer, der ein inniges Verhältnis zu dem Ding hat. Produktwert wird zu Selbstwert. Diese wertvollen Dinge reflektieren einen Menschen. Sie drücken einen Stil aus. Kein Mensch auf der Welt besitzt die gleiche Kombination von Dingen wie ich. Wenn ich morgen an einen Baum fahren würde, und jemand Fremdes käme in meine Wohnung, dann würd er diese Dinge wahrnehmen und hätte ein Bild von mir, einen Reflex, einen Widerhall von mir in der Welt“.
Die Wertigkeit ist eine Frage der Beziehung zu den Dingen.
Literatur:
[1] Uli Burchardt: „Ausgegeizt! Wertvoll ist besser – Das Manufactum-Prinzip“, Campus Verlag, Frankfurt 2012
[2] Thomas Hoof: „Nebenbei und obendrein: Eine Auswahl aus den Manufactum-Hausnachrichten 1988–2007“, Manuscriptum Verlag, Waltrop 2008
[3] Brand eins 01/2003 (Link)
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