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Der Bauernhof im Wandel der Zeiten: Baukultur und Lebensform

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Bauernhöfe und Bergbauernhöfe kennzeichnen mit ihren autarken Wirtschaftsformen in weiten Teilen Südtirols und Tirols das Landschaftsbild und machen die Kulturlandschaft aus. Eine Auseinandersetzung mit Bergbauernhöfen führt unmittelbar zur Geschichte des Landes.

Siedlungsformen

Aus historischer Sicht kann in Bezug auf das Bauen wohl von zwei unterschiedlichen Systemen ausgegangen werden.

Einerseits ein geschlossenes Siedlungssystem. Es ist dabei von „Altsiedelgebieten“ die Rede, also von den ersten Formen der Strukturierung im Land, die sich wohl als Erben romanischer Raumstrukturen entwickelten [1]. Größtenteils bildete sich das Land aus gutsähnlichen, wehrhaften Strukturen heraus, in deren Umfeld sich Bauern niederließen.

Im Hochmittelalter entwickelte sich durch den Bevölkerungswachstum in zahlreichen Gegenden des Flachlandes ein „Flurzwang“[1]. Der Raum wurde systematisch gegliedert, vereinheitlicht und reihenweise ausgebildet, was neben den rein soziokulturellen Anforderungen besonders auch militärstrategische Zwecke erfüllte.

In der Folge drangen rodende Bauern andererseits aber auch in die Seitentäler und auf die Höhen, oftmals weit über die Ertragsgrenzen hinaus, und „kolonisierten“ die neuen Lagen. Die Kolonisation stellt in der Folge die zweite Form des Siedlungsanbaues dar. Begründet ist die Kolonisation durch das Ansinnen der Grundherren, die Erträge aus dem Land durch die Ansiedlung neuer Bauern in neuen Lagen laufend zu erhöhen.

In Anlehnung an geographische Lage und landwirtschaftlicher Nutzung ergeben sich verschiedenartige bauliche Typen.

Das so genannte „fränkische Gehöft“ bildet sich ab dem 11. Jahrhundert besonders bei Neubesiedlungen im Osten heraus. Kennzeichen des „fränkischen Gehöftes“, das einen „Stereotypen“ beschreibt, ist, dass Wohnhaus uns Stall in gerader Linie aneinandergereiht sind. In der Folge entwickeln sich enge Straßendörfer daraus.

Die Wirtschaftsform ist dem Ackerbau und weniger der Viehzucht zuzuschreiben [2]. Höfe dieser Bauart, bei der ein Hof dicht neben den anderen gebaut ist, finden sich in dieser Art in Niederösterreich und im Burgenland. Die einzelnen Formen sind dabei Streckhof, Hakenhof, Dreiseithof und Vierseithof.

Die Bauernhäuser im östlichen Österreich waren ursprünglich aus Lehm gebaut und mit Stroh gedeckt. Grundsätzlich entwickelte sich aus dem typischen Streckhof jener Gegend, der auf langgestreckten Parzellen entstand, die langgezogene Form mit Giebelwand zur Straße hin, auch als „Giebelhaus“ bezeichnet, die den Dörfern ihr charakteristisches Gesicht gibt. „Nur bei breiteren Bauparzellen konnte sich der Streckhof zum Hakenhof oder zum „Zwerchhof“ entwickeln. Diese Erweiterung vom Streck- zum Zwerchhof erreicht man durch einen parallel zur Straße eingefügten Wohntrakt, dem in gleicher Linie die überbaute Hofeinfahrt, oft mit einem Speicher, als Abschluss zum Nachbarhof folgt“ [3].

Aus dem Streck- und Zwerchhof entwickelt sich in weiterer Folge der Dreiseit- oder Vierseithof. Diese Höfe bestehen noch aus getrennten Häusern, die allerdings bereits so angeordnet sind, dass sie ein gemeinsames Ganzes ergeben. Der Dreiseithof ist typischerweise noch einstöckig.

Für die Steiermark und Kärnten ist der „karantanische Haufenhof“ typisch, der sich wohl aus dem kulturellen Einfluss aus dem slawischen Raum ergibt.

Der Dreikant- oder Vierkanthof, der in weiten Teilen Oberösterreichs und Niederösterreichs zu finden ist, ist dann schließlich bereits eine Weiterentwicklung mit einem einheitlichen Dach, wird meistens zweistöckig und monumental ausgebildet und taucht ab dem 18. Jahrhundert auf. Ob der Vierkanter hingegen nicht doch auf die römische „Villa rustica“ zurückzuführen ist oder sich aus adeligen Wehranlagen ergibt, ist durchaus umstritten.

Den fränkischen Gehöften stellen sich die „bayerischen Gehöfte“ entgegen, die durch Einzelhäuser gekennzeichnet sind. Die verstärkt praktizierte Viehzucht formt Einzelhöfe heraus, die in der typischen Form getrennt nach Wohnhaus und Wirtschaftshaus als Paarhof entstanden. Dort, wo verstärkt Körnerbau betrieben wurde, entstand aus dem Paarhof durch den Bau weiterer Gebäude der Haufenhof.

Die Paarhöfe, die für weite Teile Südtirols charakteristisch sind, entstanden durch nebeneinander gestellte Gebäude, hintereinander gestellte Gebäude und quergestellte Gebäude. Der Vorteil des Paarhofes liegt in der hohen Anpassungsfähigkeit an das Gelände und in der funktionellen Trennung.

Aus Paarhöfen sind dann wohl oft – durchaus auch aus praktischen und klimatischen Gründen und um Rohstoffe zu sparen – Einhöfe entstanden. Später sind Höfe auch von Anfang an als Einhöfe konzipiert worden. Typisch ist der Einhof in Bayern, Tirol und Salzburg. Nachteilig sind die nicht gegebene funktionelle Trennung, besonders etwa was den Brandschutz betrifft, aber auch die schwierige Anpassungsfähigkeit an das Gelände und die größeren Schattenbereiche.

Der Einhof findet sich aber auch im rätoromanisch geprägten Gebiet. Im Engadin, in Teilen Tirols und besonders des Vinschgaus ist das Ortsbild vielerorts durch Häuser charakterisiert, die über wuchtige Mauern und vergleichsweise kleine Fenster mit tiefen Laibungen verfügen und als Einhof oder „Durchzugshaus“ konzipiert sind.

Die Dörfer sind – wie im rätoromanischen Raum üblich – durch enge Gassen in geschlossener Bauweise geprägt und um einen zentralen Brunnen angelegt. Die Fassaden sind in Richtung dieses zentralen Platzes ausgerichtet. Das Haus ist in der Regel zwar eine Holzkonstruktion, wird allerdings durch einen äußeren Steinmantel verkleidet, woraus sich eine entsprechende Repräsentativität ergibt.

Schließlich kann in den westlichen, alemannisch besiedelten Gebieten vom „alemannischen Gehöft“ die Rede sein, welches – was den Wohntrakt betrifft – dem fränkischen und – was den Wirtschaftstrakt betrifft – dem bayerischen Hof ähnlich ist.

Aus der Art und Weise, wie Menschen sich am Land niederlassen, wie sie das Land aneignen und aufteilen und wie die Herrschaftsverhältnisse geprägt sind, ergeben sich die verschiedenen baulichen Formen und Strukturen, die bis heute hin Geschichten erzählen und die vielfach auf geglaubte Gesetzmäßigkeiten zurückzuführen sind, vielfach aber auch vielleicht davon abweichen.

Innenraumgestaltung

Die Entwicklung des Wohnraumes und damit auch der Stube reicht in die Zeit der Romanik zurück und entstand erstmals in Herrschaftssitzen. Die so genannte Stube wird zunehmend mit Holz ausgeführt und unterstreicht damit das Bedürfnis nach einem entsprechenden Komfort im Wohnen.

Die Gotik entwickelt fortan auch das profane Bauen entscheidend weiter. „Zu den gotischen Häusern gehört auch der kreuzgewölbte Hausgang, welcher vielfach mit Putzrippen verziert wurde. Die Raumteilung war in den größeren Bauernhöfen vom Mittelflur, in den Hanglagen vom Seitenflur geprägt, wobei durch diesen breiten Gang die übrigen Räume wie Stube, Küche, Speisekammer und Schlafkammer der Eltern erschlossen wurden“ [4]. Türrahmen wurden zunehmend dekorativ als Eselsrücken ausgeführt. Die Gewölbe wurden mittels Putzrippen zusätzlich dekoriert und hervorgehoben.

Mit der Gotik steigen die gestalterischen Ansprüche zunehmend und der Ornamentschmuck in der Innenraumgestaltung nimmt zu. Tragende Bauteile werden entsprechend ornamentiert. „Die Schnitzereien, Abfasungen, Rundstäbe oder Zopfornamente entlang des Balkens mit Verstärkungen an den Kopfenden betonen auch optisch die Tragfähigkeit des Holzbalkens“ [4]. Die gotische Stube wurde mit in den Wänden integrierten Halbstützen ausgeführt.

Die Renaissance entwickelte den Gestaltungskatalog entscheidend weiter, bestand die Stilepoche doch in der Emanzipierung des norditalienischen Bürgertums, das durch den eigenen Stil nicht nur einen ästhetischen, sondern besonders auch einen politischen Anspruch erhob und die Privatheit scheinbar entdeckte.

Dementsprechend wesentlich war auch das Thema Wohnraumgestaltung, das bei Weitem nicht nur funktionell ausgelegt wurde. Die repräsentativen Palazzi der Renaissance wurden mit Empfangshalle, Haupt- und Nebenräumen, Hauskapelle und Innenhof ausgeführt. Faszinierend ist der Dialog zwischen Außen- und Innenraum, der sich baulich darstellt. Säulenportale, Altane oder ganze Säulengänge durchdringen innen und außen. Weiter getrieben wird dieser Dialog über Vorhalle und Innenhof. Im Gegensatz zur Außengestaltung „wurde der Innenhof als versteckter und privater Bereich von den indiskreten Blicken der Stadtbewohner abgeschirmt, worin sich durchaus ein Kontrast zu der Präsentation der Macht des Bewohners an der Fassade formuliert“ schreibt Carlo Cresti [5]. Das private Raumbedürfnis wurde mit der Gartengestaltung weiter intensiviert.

Das Treppenhaus stellt schließlich die prunkvolle Verbindung zwischen dem Eingangsbereich und den privaten Räumlichkeiten dar, in denen nicht selten Ruhm und Wohlstand der Familie monumental zur Schau gestellt werden. Die „Ehrenhaftigkeit“ der Familie erstreckt sich dabei bei Weitem nicht nur auf die Lebenden, sondern insbesondere auch auf die Ahnen.

Das verstärkte Komfortbedürfnis fand in der großzügigen Belichtung sowie in der Gestaltung von Öfen seine Berücksichtigung. Die Täfelung wurde mehr und mehr auch dekorativ aufgefasst. Man konnte es sich nun auch leisten, die Innenräume mit Fresken zu versehen.

Die Renaissance erfasste auch das alpine Bauen. Besonders am Schnittpunkt zwischen italienischem und deutschem Kulturraum fanden Elemente der Renaissance ihren Eingang in das ländliche Bauen. Charakteristisch ist bei Bauernhöfen die Ausgestaltung des Mittelflurs, der die Funktion eines bewohnten Raumes erhält und als Tonnengewölbe ausgeführt wird. Weitere charakteristische Elemente sind Freitreppen, Terrassen, Loggien und Arkaden. Die Türen und Fenster werden mit Gesimse ausgeführt.

Mit dem Heraufkommen der Renaissance werden Wände und Decken der Stuben zunehmend vertäfelt, womit wärmetechnische Vorteile, aber auch eine Vielzahl an dekorativen Möglichkeiten einhergingen. Die freie Sicht auf die Dachkonstruktion wurde zunehmend unterbunden und stattdessen flache Decken oder Gewölbe ausgebildet, die Möglichkeiten zur Dekoration boten. Im unteren, gemauerten Teil des Gebäudes sind die Böden aus Stein – und im prunkvolleren Ambiente – aus Marmor gestaltet.

Im Barock erhielt die Raumgestaltung von Frankreich ausgehend neue Einflüsse. Im Mittelpunkt stehen die höfische Gesellschaft und die Paläste. Vorzimmer und repräsentative Räume, die so genannten Salons, wurden zum festen Bestandteil der Innenraumgestaltung, ebenso wie die Galerie, ein Verbindungsraum, der zur dekorativen Ausgestaltung genutzt wurde. Räume wurden häufig aneinandergereiht, um eine Raumflucht, die so genannte Enfilade, zu erzielen. Treppenhäuser werden reich ausgestaltet, ebenso das Vestibül, die Empfangshalle. Die Möbel werden in allen nur denkbaren Verzierungen ausgeführt.

Die Innenraumgestaltung im Barock wird malerisch und verspielt, was durchaus auch auf Kosten der Eindeutigkeit und Klarheit geht. Stattdessen steht die sinnliche Erfahrung an vorderster Stelle.
Die reiche Dekoration des Barock fand auch im bäuerlichen Wohnen ihren Niederschlag. Religiöse Elemente gehen stärker in die Innenraumgestaltung ein. Die Räume werden mit Stuckdecken ausgestattet, die Türen verziert und Öfen mit Kacheln ausgeführt. Die Möbel werden reichhaltig dekoriert, die Verzierungen feingliedriger und raffinierter, die Materialien edler.

Im Klassizismus wird die Dekoration schließlich schlichter und der Rückgriff auf antike Muster und Symbolik naturgemäß stärker. Insgesamt vollzieht sich mit Beginn der Biedermeier-Zeit, die die auf Wohnzwecke ausgerichtete Seite des Klassizismus darstellt, eine stärkere Ausprägung des privaten Raumes und des Freizeitbedürfnisses, womit Wohnräume wohnlicher ausgestaltet werden und die Inneneinrichtung an Bedeutung gewinnt.

Literatur:

[1] Hans Krawarik: „Zur Ausformung historischer Kulturlandschaft in Österreich“, Klagenfurter Geographische Schtiften – Heft 28, Klagenfurt 2012

[2] „Das Bauernhaus in Österreich-Ungarn und in seinen Grenzgebieten – Textband und Atlas“, Österreichischer Ingenieur- und Architekten-Verein, Wien 1906

[3] Viktor Herbert Pöttler: „Alte Volksarchitektur“, Styria Verlag, Graz 1984

[4] Konrad Bergmeister: „Natürliche Bauweisen – Bauernhöfe in Südtirol“, Spectrum Verlag, Bozen 2008

[5] Carlo Cresti & Claudio Rendina: „Römische Villen und Paläste”, Ullmann Verlag, Potsdam 2013

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