Großprojekte und Megaprojekte bergen ein immenses Potential für Mehrzeiten, Mehrkosten, Mängel und Probleme in der Projektausführung. Auf die groben Abweichungen des Projekt-Ist vom Plan-Soll folgen die zahlreichen Probleme, die juristische Auseinandersetzungen, das Nachtragsmanagement, die öffentlichen Beziehungen sowie das Krisenmanagement betreffen.
Auf der anderen Seite sind erfolgreiche Großprojekte notwendig, um bessere Umgebungen, eine effizientere Verkehrsinfrastruktur und eine nachhaltigere Verkehrsabwicklung zu garantieren.
Abseits dessen kommen zahlreiche Transformationen auf die gesamte Branche zu. Projekte müssen nachhaltiger und grüner sein, die Projektabwicklung smarter und agiler, die Konflikte müssen aktiv minimiert werden und das Zusammenspielen effizienter und motivierender.
Umso wesentlicher ist ein professionelles Projektmanagement, das heute auch durch global wirkende Consulting-Firmen betreut wird. Das Rad neu erfinden wird allerdings niemand.
Großprojekte, wie sie gerade durch große Infrastrukturprojekte gekennzeichnet sind, potenzieren alle Herausforderungen und Probleme, die im Normalfall mit Bauprojekten zusammen hängen. Volker Spang umreißt die Herausforderungen und Probleme synthetisch [1]:
1. Starke Eingriffe in Umwelt, Lebensraum von Menschen und Tieren und in die Gesellschaft: Daraus resultieren viele „Betroffene“ mit weitgehenden (meist gesetzlichen) Ansprüchen.
2. Große (Linien-)Bauwerke: Lange und massive Störungen durch Baustellen und anspruchsvolle Logistik
3. Hohe Projektkosten, die (zu) oft massiv überschritten werden: Finanzierung aus Steuergeldern (= Bürgergeld) stößt auf zunehmenden Widerstand bzw. kritische Begleitung durch Bürger
4. Natürlicher Baustoff Boden und Fels und Witterung sind nur bedingt vorhersehbar: Infrastrukturprojekte sind daher nur bedingt planbar, Störungen und Änderungen oft sind unvermeidbar.
5. Infrastrukturprojekte sind technisch anspruchsvoll: techn. Schwierigkeiten, Probleme und Änderungen sind zu erwarten
6. Auftragnehmer sind durch das nationale und EU-Ausschreibungsrecht nur bedingt wählbar: Konflikte zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber sind zu erwarten
7. Unvollständiges Bausoll: Änderungen sind normal, Konflikte zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber sind zu erwarten
8. Auftragnehmer und Auftraggeber haben nicht identische Ziele: Claims und Konflikte sind vorprogrammiert.
9. Ausbau, Umbau und Erneuerung erfolgen oft unter Betrieb: geplante Betriebsbehinderungen sind unvermeidbar und ungeplante kaum ganz vermeidbar; hohes Risikopotential für Unfälle
10. Projekte stehen stark im Blickpunkt der Öffentlichkeit: Kommunikation, Transparenz und Beteiligung werden immer wichtiger
Daraus folgt der nur bedingte Handlungsspielraum, der die Grenzen des Machbaren eng setzt und viel Druck erzeugt, der nicht selten explodiert.
Im Sinne der Due-Diligence kommen der Projektvorbereitung, der Projektleitung sowie der Projektnachbearbeitung wesentliche Rollen zu. Investitionen müssen strategisch sein und optimiert werden, die Planung erfolgt zunehmend digital und interdisziplinär, die Lebenszykluskosten sowie der ökologische Fußabdruck sind nicht mehr wegzudenken.
Wesentlich ist es folglich, die Projektziele ganz klar zu definieren und die Projektrollen festzulegen. Projekte brauchen immer einen höheren Zweck: Es geht dabei ganz klar um die Fragestellung, „weshalb“ ein Projekt durchgeführt wird („purpose“). „Smarte“ Ziele sind spezifisch, messbar, handlungsorientiert, relevant und zeitbasiert.
Die Projektorganisation ist komplex und besteht in zahlreichen Beziehungen und Verflechtungen. Die Rollen müssen klar sein, ebenso aber auch der Umgang mit dem Entscheidungsvakuum und Abweichungen, die Kontrollen müssen laufend sein und die Dokumentation vollständig.
Michael Frahm und Hamid Rahebi halten zur Komplexität von Großprojekten und Megaprojekten fest: „Wenn man sich mit Groß- und Megaprojekten beschäftigt, beschäftigt man sich zwangsläufg mit dem Funktionieren komplexer Systeme. Es handelt sich hierbei um organisatorische Phänomene. Sie sind strukturell so groß, dass sie mit einem rein linearen Verständnis der Welt und des Zusammenarbeitens nicht zu begreifen sind. Es ist eine breitere
Perspektive notwendig“ [2].
„Einen fundierten Zugang zu ganzheitlichem Denken liefert das „System Thinking“,
auch System-Denken genannt. System-Denken bedeutet: Denken in Wirkungskreisläufen,
in Netzwerken und Zusammenhängen, Anwenden von Modellen, Kenntnis von Archetypen und denken in Mustern. Eine zentrale Erkenntnis des System-Denkens ist es, die Beziehung zwischen Systemstruktur und Verhalten zu erkennen“.
Neben dem System-Thinking geht es ganz klar um das Design-Thinking, nämlich um das, was am Ende herauskommt und das alle Beteiligten möglichst stolz machen soll. Und dann, wenn der Projekterfolg gegeben ist, muss sich auch ein persönlicher Erfolg einstellen.
Literatur:
[1] Konrad Spang: „Projektmanagement von Verkehrsinfrastrukturprojekten“, Springer Vieweg Verlag, Berlin Heidelberg 2016
[2] Michael Frahm & Hamid Rahebi: „Management von Groß- und Megaprojekten im Bauwesen – Grundlagen für eine komplexitätsgerechte Umsetzung von Infrastrukturvorhaben“, Springer Vieweg, Wiesbaden 2021
[3] Michael Demanega: „Verkehrsplanung im Spannungsfeld zwischen Erreichbarkeit und Nachhaltigkeit – Leistungsfähigkeit der Verkehrswertanalyse bei strategischen Entscheidungen im Verkehr am Beispiel Südtirols“, Technische Universität Wien, Wien 2017


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