Richard H. Thaler und Cass Robert Sunstein skizzieren in ihrem Buch „Nudge – Wie man kluge Entscheidungen anstößt“ das kompexe Thema der Entscheidungsfindung. Die beiden Wirtschaftspsychologen plädieren für einen libertären Paternalismus, der sowohl von einem autoritären Paternalismus als auch von einem unbegrenzten Libertarismus abweicht.
Thaler und Sunstein vertreten die Meinung, dass Menschen bei schwierigen und komplexen Entscheidungsfindungen einen „Schubser“ benötigen würden. Nichts anderes bedeutet „Nudge“ übersetzt. Dabei zeichnen die beiden Autoren als Metapher das Bild eines Gebäudes. Genauso wie menschliches Leben nicht ohne die Struktur denkbar ist, die Gebäude bilden, benötigen menschliche Entscheidungen eine Entscheidungsstruktur. Jede Struktur gibt Rahmen vor und grenzt Freiheiten ein, was als positiv gewertet wird.
Es geht bei der Komplexität von Entscheidungen um Entscheidungen, die zeitversetzte Konsequenzen hervorlösen. Bei Entscheidungen ohne Konsequenzen ist die Entscheidungsfindung banal und belanglos. Wer derartigen Entscheidungen viel Wert zugestattet, verfügt nicht über die mentale Reife. Bei direkten Konsequenzen ist die Angelegenheit ebenso einfach, weil die Beurteilung unmittelbar ist. Bei zeitversetzten Ergebnissen, die fatal sein können, wird das ganze bristant und interessant.
Im Projektmanagement im Bauwesen geht es um große Investitionssummen. Fehleinschätzungen sind folgenschwer. Während zu Beginn der Zeitskala die Eingriffsmöglichkeiten noch gegeben sind, schwinden diese im Projektverlauf drastisch. Ebenso werden Entscheidungen immer teurer und problematischer. Daraus resultiert die immense Bedeutung der Entscheidungsarchitektur.
Die Entscheidungspsychologie wirkt fatal. Weil Resultate zu weit in der Zukunft liegen, wird zu großer Aufwand gemieden, der sich in Zeit oder Kosten niederschlägt. Die Projektpraxis stellt es ein ums abdere Mal unter Beweis: Wenn die Grundlagen fehlen, die Zeit und Geld und Aufwand für grundlegende Analysen zum Bestand, zum Baugrund, zu den effektiven Auftraggebererfordernissen erforderlich machen, dann rächt sich das später immer. Immer.
Die Psychologie stellt uns ein Bein. Gerade weil Bauprojekte einen singulären Charakter haben, im Projektentwicklungsbereich vielfach auch als „totes Kapital“ gebrandmarkt werden und für die meisten Subjekte ein Bauprojekt auch keine tägliche Angelegenhit ist, ist der Reiz groß, dass es „dieses eine Mal“ schon auch ohne intensive Studien gehen wird. Dazu vertraut man dem „Das haben wir immer schon so gemacht“ und übertragen die Verantwortung gerne denjenigen, die es billig und leichtsinnig zu machen bereit sind.
Ein weiterer Trieb ist die Gruppendynamik: Was andere machen, wirkt beispielgebend und eliminiert die Angst, falsch zu liegen. Dann doch lieber der Herde folgen. Wer allerdings der Herde folgt, kann diese auch nicht überholen, sondern tritt nur anderen und ihren Hinterlassenschaften nach. Das kann opportun sein, exzellent ist es aber nicht. Im Gegenteil.
In jenen Ingenieurbereichen, in denen Serienprodukte entstehen, machen sich die umfangreichen Studien hingegen immer bezahlt.
Thaler und Sunstein plädieren für eine einfache Entscheidungsarchitektur: Durch verständlich aufbereitete Informationen werden die Entscheidungsträger dabei unterstützt, jene Optionen auszuwählen, mit denen sie am besten bedient sind. Die Entscheidung ist bei objektiv vergleichbaren Optionen eine individuelle. Komplexe Entscheidungspfade müssen dazu strukturiert und vereinfacht werden.
Die Methode der „aspektweisen Eliminierung“ stellt Aspekte zur Entscheidungsfindung auf und eliminiert alle Optionen, die diese Anforderungen nicht erfüllen können. Die Strategie ist: Verstehen, vereinfachen, entscheiden. Gerade weil wir bei wenigeb Optionen meistens in der Lage sind, zu entscheiden, gilt es, komplexe und umfangreiche Entscheidungssyste auf einfache Optionen herunter zu brechen.
Nudge bedeutet in diesem Zusammenhang aber auch, Optionen zu werten und bestimmte Optionen hervorzuheben. Dieses Prinzip wird mit dem Begriff der „Salienz“ konkretisiert. Anders gesagt: Ohne Werte geht es nicht, weder im Gemeinwohl noch beim Projektwohl. Entscheidungen, die mit „richtig“ oder „falsch“ beantwortet werden können, sind nicht wirklich von Belang. Wesentlicher und vielfach auch schwieriger sind Fragestellungen, die die Hinterfragung von Motiven und Werten verlangen.
Salienz bedeutet eine Hervorhebung von Optionen und konterkariert die oftmals passive und resignative Art, mit der sich angebliche Entscheidungsträger in Politik und Medien – zumindest rhetorisch – den Umständen hingeben und den Lauf der Dinge als „alternativlos“ darstellen. Eine demokratische Politik ohne Alternativen hat keine Existenzgrundlage.
Thaler und Sunstein verfolgen zwei Überzeugungen: 1. Dass scheinbar kleine Änderungen sozialer Situationen massive Auswirkungen auf das Verhalten von Menschen haben können. 2. Dass ein Entscheidungsarchitekt sowohl Entscheidungsfreiheit gewähren als auch Menschen in eine bestimmte Richtung schubsen und damit ihr Leben verbessern kann.
Kleine positive Veränderungen sind offene Haltungen, die Innovation und Kreativität zulassen statt bewährte Muster, die keinen Progress bedeuten.
Richtungen vorgeben bedeutet, mit Bestimmtheit und Überzeugung die vermeintlich besten Lösungen zu vertreten und alles dafür tun, dass die Ergebnisse dann die besten sind.
Innovation und Fortschritt sind auch im Bauprojektmanagement möglich und notwendig.
Das Um und Auf eines erfolgreichen Projektmanagements ist das Teambuilding. Gerade im Team müssen Entscheidungen oft angeschubst werden. Kreatives Denken ist weniger Zufall denn eine Frage der Rahmenbedingungen, des kreativen Umfelds sowie der Fehlerkultur.
Salienz ist in jeder Kommunikation von Belang, ob im Team oder gegenüber Planungspartnern und Auftraggebern. Deutlichkeit zahlt sich aus. Was wichtig ist, muss entsprechend hervor gehoben werden. Immer und immer wieder.
Freiwilligkeit ist alles. Zwang löst nichts, es gilt, auf gemeinsame Ziele einzustimmen, indem diese Ziele als wesentlich verdeutlicht und hervorgehoben werden. Nur wenn diese Ziele frei und aus Überzeugung verfolgt werden, ist der Erfolg gegeben. Nicht für das einzelne Unternehmen, sondern für alle. Folglich ist die hervorgehobene Relevanz für alle bedeutungsvoll.
Letztlich ist auch jede nachhaltige Veränderung nur im Rahmen klarer Entscheidungsstrukturen denkbar. Vereinfachen ist notwendig. Wissenstransfer ist entscheidend. Hinter Entscheidungen stehen lebensnotwendig. Kleine und größere Erfolge sind wichtig.


Hinterlasse einen Kommentar